In unserer Februar-Ausgabe sprechen wir über die Vorteile einer Allianz zwischen Western- und Klassikreitern. Christoph Hess, Ausbildungsbotschaft der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) hatte dabei eine Menge zu sagen. Hier finden Sie das Interview in seiner ganzen Länge.
[textblock][bildlinks webeditionid=““/][inhalt]Mein Pferd: Warum ist das Verhältnis zwischen Western– und Dressurreitern oft so schwierig?
Christoph Hess: Das Verhältnis zwischen den Western- und den Dressurreitern ist oft schwierig, weil die Vertreter der beiden Reitweisen insgesamt zu wenig voneinander wissen. Der Dressurreiter lebt in seiner Welt und ebenso der Westernreiter. Ein echter Gedankenaustausch findet nicht statt. Will man sich verstehen, dann muss man neugierig aufeinander sein, aufeinander zugehen und vorhandene Scheuklappen ablegen. Nur wenn die Western- und Dressurreiter unvoreingenommen miteinander umgehen, wird das eher angespannte Verhältnis sich langfristig zum Besseren wenden.

Mein Pferd: Was passiert bei der Abendshow "Natural Horsemanship meets Classical Riding"?
Christoph Hess: Am 21.03.2013 wird zunächst Pat Parelli mit seinen Schülern auftreten, um den Zuschauern sein Verständnis von Natural Horsemanship näherzubringen. Er wird am Boden mit Pferden und Reitern arbeiten. Es werden auch Pferde unter dem Sattel gezeigt. Ich selbst versuche mit einer Reiterin eine Brücke zwischen Natural Horsemanship und dem klassischen Reiten zu schlagen. Meine Reiterin wird ihr Pferd zunächst in der Bodenschule präsentieren, dann unter dem Sattel auf Trense und zum Schluss mit dem Halsring reiten. Hiermit soll gezeigt werden, wie eng doch Natural Horsemanship und das klassische Dressurreiten zusammen gehören und wie viel sie voneinander profitieren können. Danach kommen zwei hoch erfolgreiche Para-Reiter, die uns zeigen, dass richtig verstandenes klassisches Dressurreiten nichts mit Kraft sowie starkem Sporen- und Gerteneinsatz zu tun hat. Feines dezentes Reiten, das ist das Prinzip richtig verstandener klassischer Reiterei. Die Para-Reiter werden das den nicht behinderten Reitern in eindrucksvoller Weise zeigen. Zwei Vielseitigkeitsreiter springen danach im wahrsten Sinne des Wortes über Tische und Bänke. Sie sollen den Zuschauern verdeutlichen, dass sich die klassische Reitausbildung nicht allein auf das Dressurreiten beschränkt, sondern das Reiten im Gelände und über Sprünge genauso mit einbezieht. Je gehorsamer und durchlässiger ein Pferd ist, desto williger wird es auch unorthodoxe Aufgabenstellungen in hohem Tempo absolvieren, weil das Pferd seinem Reiter (blind) vertraut. Zum Schluss der Höhepunkt: Uta Gräf kommt mit einem ihrer Spitzenpferde und wird auf S- oder sogar Grand Prix Niveau dieses Pferd präsentieren. Sie wird dann zeigen, wie ein Pferd in der klassischen Dressur ausgebildet wird und wie man ihm als Reiter Freude vermitteln kann, sich unter dem Sattel (ggf. sogar ohne Gebiss) in den schwersten Lektionen der S-Dressur und des Grand Prix zu präsentieren. Danach kommt es zu einem ‚Come togehter‘, wo sich Anhänger der Parellis und Anhänger der klassischen Ausbildung (also gemäß der Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung) im Inneren des großen Ringes zum Gedankenaustausch treffen.

Mein Pferd: An welchen Punkten ergänzen sich Natural Horsemanship und Klassisches Reiten?
Christoph Hess: Natural Horsemanship ist die Basis für den Umgang mit dem Pferd – unabhängig von der reiterlichen Disziplin und vom reiterlichen Niveau. Jedes Pferd muss Basiselemente des Natural Horsemanship beherrschen. Jeder Reiter sollten sich hiermit in der Theorie und in der Praxis beschäftigen, um mit den Pferden entsprechend umzugehen. In den neuen Richtlinien für Reiten und Fahren ist diesem Teil des Umgangs mit dem Pferd – speziell vom Boden aus – ein sehr viel breiterer Raum gewidmet, als dies in füheren Ausgaben der Fall gewesen ist. Es wird eindrucksvoll aufgezeigt, wie der Umgang und vor allem die Ausbildung des Pferdes sich stets an dessen natürlichen Bedürfnissen zu orientieren hat. Der lernende Reiter wird durch die Beschäftigung mit ‚Natural Horsemanship‘ lernen, sein Pferd besser zu verstehen. Deshalb ist es wichtig, dass er sich neben der Ausbildung im Sattel intensiv mit der Bodenschule beschäftigt, um hier auch zu erleben, wie ein Dominanztraining erfolgen kann. Je besser der Reiter in der Bodenschule ausgebildet ist, desto mehr wird er auch in der Lage sein, vom Sattel aus in sein Pferd ‚hineinzuhorchen‘ und dessen Verhaltensweisen besser verstehen. Die Vertreter der Parelli-Methode hingegen lernen, wenn sie sich mit ‚unserer‘ Reiterei beschäftigen wie wichtig es ist, ein Pferd von hinten nach vorne durch den Körper zu arbeiten. Das Erkennen der Bedeutung der ‚Skala der Ausbildung‘ sollte zu einem besonderen Aha-Erlebnis für die Parelli- Schüler werden, so wie es bei Linda Parelli der Fall war, nachdem sie Reitstunden bei dem klassisch ausgebildeten Reitlehrer Walter Zettl bekommen hatte. Sie hat seither im Sattel ihres Pferdes Jazzi wunderbare Stunden verlebt. Davon berichtet sie mir immer wieder.

Mein Pferd: Welchen Mehrwert haben beide Seiten von dem Austausch?
Christoph Hess: Mit der Abendshow bei der Equitana soll versucht werden, Brücken zwischen Natural Horsemanship und dem klassischen Reiten zu schlagen. Den Anhänger der Parelli-Methode soll das feine Reiten auf ‚ebenem Hufschlag‘ und über Sprünge näher gebracht werden. Sie sollen sehen, wie durch systematische und richtig aufgebaute Ausbildung Pferde glücklich werden und sich gefahrlos – auch im Hexenkessel des großen Ringes auf der Equitana – reiten lassen. Deutlich gemacht werden soll, dass das klassische Reiten von jedem Reiter auf jedem Pferd umgesetzt werden kann, und das unabhängig von der reiterlichen Ausrichtung und dem reiterlichen Niveau. Auf jedem Pferd, vom Quarter Horse bis zum hoch sensiblen Vollblüter ist diese Methode anzuwenden. Vor diesem Hintergrund kann jeder Zuschauer etwas mit nach Hause nehmen und sollte deshalb einen echten Mehrwert für seine eigene Reitausbildung haben. Die klassisch ausgebildeten Reiter, die meistens eher sattel- und weniger bodenorientiert sind,  sollen erleben, was der Reiter mit seinem Pferd vom Boden aus erreichen kann und wie viel Freude das Pferd hat, wenn es hier zusätzlich sinnvoll beschäftigt wird. Viele Zuschauer werden vielleicht nach Hause fahren und am nächsten Tag beginnen, bestimmte Übungen mit ihrem Pferd am Boden zu praktizieren.

Mein Pferd: Findet bereits ein Umdenken im gegenseitigen Verständnis statt?
Christoph Hess: Ich glaube schon, dass seit einiger Zeit ein Umdenken stattfindet. Bei Seminaren, die ich regelmäßig in den Landesverbänden für die Persönlichen Mitglieder gebe, werde ich immer wieder von Zuschauern angesprochen, die es sehr begrüßen, dass ich als Vertreter der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) inzwischen einen so kurzen Draht zu Linda und Pat Parelli habe. Die Parelli-Schüler lernen die nächste Stufe in der Ausbildung kennen – nämlich die nach den Richtlinien für Reiten und Fahren der FN, die Skala der Ausbildung. ‚Unsere‘ Reiter, besonders die, die erst im fortgeschrittenen Alter Kontakt zum Pferd bekommen haben, können von den Parellis einen verbesserten Umgang mit dem Pferd erlernen, weil sie dieses besser verstehen.
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