NEUE STUDIE: Pferde verbringen die meiste Zeit des Tages mit Fressen. Eigentlich logisch, dass die Haltung, die sie dabei einnehmen, großen Einfluss auf ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit hat.
Eine Studie hat nun den Einfluss verschiedener Heunetz-Höhen untersucht, und Reha-Expertin Sandra Löckener hat in Sachen Fress- position viele gute Tipps für Ihr Pferd. Gleich mal vorweg: „Die Fütterungsposition spielt für die Gesundheit des Pferdes eine wichtige Rolle, da es die Hauptzeit des Tages mit Fressen verbringt“, sagt Reha- Expertin Sandra Löckener. Was viele nicht wissen: „Durch die richtige Fresshaltung kann man gerade in der Reha viel Positives im Pferdekörper erreichen.“ Sandra Löckener analysiert immer zuerst, was das Pferd für Baustellen hat, und dann, wie sie diese durch die Fresshaltung beeinflussen kann. So sollte ein Pferd mit verspannter Nackenmuskulatur zum Beispiel nicht aus dem Heutoy zupfen und ein Pferd mit Magenproblemen den Kopf tief halten, damit das Raufutter genügend eingespeichelt wird. „Gerade durch kleine Änderungen im Alltag kann man die Lebensqualität des Pferdes enorm verbessern“, weiß sie. „Und dabei ist das Thema Fressen ein Riesenthema, da Pferde bis zu 16 Stunden täglich damit verbringen.“
Aber auch für gesunde Pferde ist es sinn- voll, sich die Fütterungsposition gut zu über- legen. „So sollte ein Spanier, der den Brustkorb von Natur aus höher trägt und bei dem der Rückenmuskel eher verkürzt ist, eine tiefe Fressposition einnehmen, um den langen Rückenmuskel zu entspannen“, empfiehlt Löckener. „Ein Warmblüter mit langem Rücken, der eher vorhandlastig ist, sollte dagegen eine etwas höhere Fressposition haben, um die Last von der Vorhand wegzunehmen.“ Es gibt also nicht die eine, richtige Fressposition.
Die Studie
Eine Forschergruppe rund um Federica Raspa von der Universität Turin untersuchte nun die Auswirkungen von unterschiedlich hoch aufgehängten Heunetzen auf die Winkel von Rücken, Nacken und Kiefer von Pferden („Studying the Shape Variations of the Back, the Neck, and the Mandibular Angle of Horses Depending on Specific Fee- ding Postures Using Geometric Morphometrics“). Die Wissenschaftler wollten mögliche negative Effekte der Fütterungsposition näher betrachten, da Heunetze häufig in der Pferdehaltung eingesetzt werden. Da- bei ist das Pferd oft gezwungen, eine unnatürliche Positionen einzunehmen und über längere Zeiträume beizubehalten – je höher das Netz hängt, desto unnatürlicher. Bisher hieß der Ratschlag eher: Das Heunetz soll so hoch hängen, dass sich das Pferd keinesfalls im leeren – ergo deutlich tiefer hängenden – Heunetz verfangen und verletzen kann.
Die Ergebnisse der italienischen Studie könnten das nun in- frage stellen. Für die Studie wurden sechs gesunde Warmblutpferde mittels Videoanalyse aufgezeichnet, während sie ihr Heu aus drei verschiedenen Fütterungspositionen zu sich nahmen: 1) vom Boden aus (Kontrollposition), 2) in einer niedrigen Heunetzposition, bei der der Hals etwa 15 Grad unter der Widerristhöhe gehalten wurde, und 3) in einer hohen Heunetzposition, wobei der Hals ungefähr 15 Grad über der Widerristhöhe gehalten wurde.
Die Auswertung der Videosequenzen zeigte, dass die niedrige Heunetzposition es den Pferden ermöglichte, weitgehend eine Rückenform beizubehalten, die der beim natürlichen Fressen vom Boden aus ähnelte. Der Hals- und Kieferwinkel für beide Heunetzpositionen unterschied sich jedoch – wie vorherzusehen war – klar von denen, die beim Fressen in natürlicher Haltung beobachtet wurden: Bei Pferden, die in natürlicher Position vom Boden aus gefüttert wur- den, war der Kieferwinkel signifikant größer und lag im Durchschnitt bei 153,25 Grad. Bei der Fütterung in der niedrigen Heunetzposition wurde der Kieferwinkel deutlich kleiner und lag nur noch bei durchschnittlich 113,12 Grad. Bei der Fütterung in der hohen Heunetzposition zog sich der Kieferwinkel noch weiter zu und lag im Durchschnitt nur noch bei 97,74 Grad. Die Schlussfolgerung: Beide Heunetz-Fütterungspositionen beeinflussen die Größe des Kieferwinkels.
Das Problem: Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Einengung des Kieferwinkels, also eine Hyperflexion des Halses, bei gerittenen Pferden zu Stress und einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens geführt hat. Ein enger Kieferwinkel war dabei mit einer Zunahme des Halsumfangs und der Dicke des Kiefermuskels verbunden, was eine Kompression des Kehlkopfes, einen verringerten Luftaustausch und einen höheren Strömungswiderstand beim Atmen zur Folge hatte. Das Forscherteam kam daher zu einem durchaus kritischen Re- sümee: Eine Fütterung, die Pferde in eine be- stimmte Körperhaltung zwingt – etwa bei der hohen Heunetzposition – kann das Wohlbe- finden und im Laufe der Zeit möglicherweise auch das Kiefergelenk negativ beeinflussen.
Verschiedene Positionen kombinieren
Wie bewertet Reha-Expertin Sandra Löcke- ner die Studie? „Sie ist auf jeden Fall sehr re- levant. Da sie nur an Warmblütern durch- geführt wurde, wäre es interessant, weitere Forschungen auch auf verschiedene Pferde- typen auszuweiten, da diese rassebedingt ganz andere körperliche Voraussetzungen haben. Auch wurden nur sehr wenige Pferde beobachtet. Wenn dies aber ein eindeutiges Ergebnis erbracht hat, kann auch eine klei- ne Studie sehr aussagekräftig sein.“
Ein eindeutiges Ergebnis der Studie war, dass sich die höchste der drei untersuchten Positionen negativ auf den Pferdekörper ausgewirkt hat. Tatsächlich hat Sandra Löckener die drei Heunetzhöhen nachgestellt. „Die Fressposition, bei der das Pferd den Kopf 15 Grad über dem Widerrist trägt, ist so hoch, dass ich das in meiner gesamten Praxiserfahrung noch nie gesehen habe.“ Bisher wurden nur drei konkrete Höhen untersucht. „Möglicherweise ist eine Fressposition mit Kopf auf Widerristhöhe kein Problem“, so Sandra Löckener. Des- halb wäre es auch interessant, noch weitere Positionen zu untersuchen. Dabei ist auch entscheidend, wie das einzelne Pferd mit seiner Fresshaltung umgeht. „Öffnet es den Genickwinkel dauerhaft stark, ist das sicher nicht förderlich. Nimmt es sich aber das Heu mit geöffnetem Genickwinkel und senkt es den Kopf zum Fressen wieder, ist das gar kein Problem.“
Sandra Löckener bleibt dabei: Die Fressposition sollte individuell betrachtet werden. „Zuerst muss ich mir überlegen, was ich er- reichen möchte, dann muss ich gut beobachten, ob das Pferd auch die gewünschte Position einnimmt und diese dann eventuell anpassen.“ Sie kombiniert oft verschiedene Fresspositionen. Ein Problem bei Heunetzen ist, dass viele Pferde beim Fressen den Kopf schiefhalten. „Dann hänge ich mehrere Heu- netze in verschiedenen Positionen auf, damit das Pferd unterschiedliche Fresshaltungen einnehmen muss.“ Auch ganz allgemein ist es sinnvoll, eine gewisse Zeit des Tages eine tiefe Fressposition zu schaffen, zum Beispiel durch Weide oder eine Heubox, und die restliche Zeit eine etwas höhere, z.B. durch ein Heunetz. Manchmal greift Sandra Löckener auch in die Trickkiste: „Wenn ein Pferd einerseits die Länge im Rücken braucht, aber andererseits die Vorhand nicht belasten soll, baue ich eine kleiner Erhöhung für die Vorderbeine.“ Da lässt sich also einiges bewegen.
Sicherheit und Staubentwicklung
Und wie sieht es mit der Sicherheit aus? Gibt es eine Ober- oder Untergrenze für Heunetze? „Wenn ein paar Sicherheitsregeln beachtet werden, stellen Heunetze in der Regel keine große Gefahr dar“, sagt Sandra Löcke- ner. „Sie dürfen nicht so tief hängen, dass ein Pferd mit Eisen einfädeln kann. Sie dürfen keine Löcher bzw. zu großen Maschen haben, und das Pferd sollte nicht zum Steigen neigen, damit es sich nicht in den Schnüren verfängt.“ Für Pferde, die sehr aktiv mit den Vorderbeinen sind, kann ein Heutoy aufgrund der glatten Oberfläche besser geeignet sein. Für manche Pferde sind Heutoys aber wiederum für den Nacken zu anstrengend. „Da muss man das Für und Wider für das eigene Pferd abwägen“, rät die Expertin. Es gibt auch Pferde, die ihr Heunetz regelrecht malträtieren. „Dann muss man sich fragen, warum das Tier dies tut, und die Ursache, z.B. schlechte Haltungsbedingungen, abstellen.“
Es muss nicht immer ein Heunetz sein. Heuboxen sind zum Beispiel eine gute Slow- Feeder-Alternative. „Die sind eigentlich super, ich habe aber schon Pferde erlebt, die mit den Vorderbeinen hineinsteigen“, sagt Löckener. „Es gibt auch Kandidaten, bei denen überhaupt kein System funktioniert, zum Beispiel weil sie Atemwegsprobleme haben. Beim Zupfen aus dem Heunetz oder dem Heutoy findet eine zu große Staubentwicklung statt, und in der Heubox wühlen Pferde gerne mit der Nase herum, weswegen sie ebenfalls zu viel Staub aufwirbeln und ein- atmen“, so Löckener. „Dann ist es sinnvoller, das Heu einfach vom Boden zu füttern.“
Haben Sie eine gute Fressposition für Ihr Pferd gefunden? Super. Aber jetzt sollten Sie unbedingt beobachten, ob das Pferd auch tatsächlich so dasteht wie geplant. Und: Die Fresshaltung und das Fütterungssystem müssen im Laufe des Pferdelebens immer mal wieder angepasst werden.
Viel Spaß beim Tüfteln! Sie können Ihrem Pferd damit viel Gutes tun.