Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt     Foto: Imago images/ Westend

Der Spezialist für 
Pferderecht, 
Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, gibt auch in dieser Ausgabe 
die besten rechtlichen Tipps rund ums Thema Pferd

Nicht immer hat das widersetzliche Verhalten eines Pferdes mit einer Charakterschwäche zu tun. Viele Erkrankungen, insbesondere wenn sie einen muskulären Ursprung haben, wirken sich unmittelbar auf die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Pferdes aus. Eine der häufigsten Muskelerkrankungen bei Warmblütern ist die PSSM (Polysaccharide Storage Myopathy). Doch was bedeutet diese Erkrankung, und was ist der Auslöser? Welche Auswirkungen hat die Erkrankung auf die Reitbarkeit? Und begründet die PSSM-Erkrankung die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen beim Pferdekauf?

Bei PSSM handelt es sich um eine Erbkrankheit, bei der es zu einer Anhäufung anormaler Polysaccharide und normalen Zuckers im Blut kommt. Die Pferde zeigen Symptome eines Kreuzverschlags, Steifheit und Lahmheiten bis hin zur Bewegungsunfähigkeit.

Muskelzittern, Schwitzen sowie extreme Steifheit an und nach Ruhephasen sind weitere typische Anzeichen. Doch auch bei PSSM zeigen die betroffenen Pferde möglicherweise unterschiedlich starke Symptome. Betroffene Pferde nehmen häufig die Harnabsetzstellung ein, ohne jedoch Harn abzusetzen. Der Urin ist auffällig dunkel. Koliksymptome sind ebenfalls keine Seltenheit.

Im Gegensatz zum Kreuzverschlag, bei dem das Pferd aufgrund von falscher Fütterung in Stehphasen, zu warmem Eindecken oder zu eiweißreicher Ernährung und zu wenig Bewegung Muskelbeschwerden erleidet, ist PSSM nicht heilbar. PSSM-Pferde sind nur schwer durchlässig zu bekommen, und die Hinterhand ist steif. Sie haben sehr große Schwierigkeiten, sich zu versammeln und Last aufzunehmen. Zudem benötigen sie sehr lange Aufwärmphasen. Bei dieser Stoffwechselerkrankung ist der Kohlenhydrat-Stoffwechsel gestört. Die betroffenen Pferde müssen nahezu kohlenhydratarm ernährt werden. Insbesondere Sportpferde, die naturgemäß sehr viel Energie benötigen, um leistungsfähig zu sein, benötigen spezielles Futter. Das Zufüttern von Ölen kann zusätzlich Energie liefern.

Die Erkrankung wird autosomal-dominant vererbt. Das bedeutet, dass bereits eine Kopie des betroffenen Gens ausreichen kann, um zu erkranken.

Welche Pferderassen erkranken an PSSM?

Dies sind die Pferderassen, die häufig von PSSM betroffen sind :

  1. Quarter Horses und verwandte Rassen

Quarter Horses sind die am häufigsten betroffene Rasse. Dies liegt an der weit 
verbreiteten GYS1-Mutation innerhalb 
dieser Rasse.

Appaloosas und Paint Horses sind ebenfalls häufig betroffen, da sie eng mit 
Quarter Horses verwandt sind.

  1. Kaltblüter: Belgische Kaltblüter, Percherons und Clydesdales zeigen eine hohe Prävalenz 
von PSSM, insbesondere PSSM1.

Shire Horses und andere Kaltblutrassen sind ebenfalls betroffen.

  1. Warmblüter und Sportpferde

Einige Warmblutrassen wie Hannoveraner, Trakehner und Holsteiner können ebenfalls PSSM entwickeln, obwohl sie seltener betroffen sind als Quarter Horses und Kaltblüter.

Dressur- und Springpferde können auch Anzeichen von PSSM zeigen.

  1. Morgan Horses

Diese Rasse weist ebenfalls eine 
signifikante Prävalenz von PSSM1 auf.

Warum erkranken diese Rassen an PSSM?

Die Hauptursache für PSSM, insbesondere PSSM1, ist genetisch bedingt. Die Mutation im GYS1-Gen führt zu einer übermäßigen Speicherung von Glykogen und abnormalen Polysacchariden in den Muskelzellen, was zu den typischen Symptomen führt.

  • Genetische Prädisposition: Die Mutation im GYS1-Gen wird autosomal dominant vererbt, was bedeutet, dass ein Pferd nur eine Kopie des mutierten Gens von einem Elternteil erben muss, um die Erkrankung zu entwickeln.
  • Zuchtpraktiken: In einigen Rassen, insbesondere bei den Quarter Horses, hat die selektive Zucht auf bestimmte körperliche Eigenschaften (wie Muskelmasse) zur Verbreitung der GYS1-Mutation beigetragen.
  • Verwandtschaft und genetische Linien: Enge genetische Linien innerhalb der Rassen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Pferde die Mutation erben.

Wie wird PSSM diagnostiziert?

Eine genetische Komponente mit einer oder mehreren Mutationen (Genveränderungen) wird bei beiden Varianten, PSSM Typ 1 und Typ 2, vermutet. Dabei ist wichtig zu wissen, dass genetische Tests im Gebiet der Veterinärmedizin keinen Kontrollen obliegen. Das bedeutet, dass ein Labor jederzeit einen genetischen Test anbieten kann, der eine gewisse Mutation nachweisen kann, ohne dass aber bewiesen werden muss, dass diese Mutation auch wirklich ein Krankheitsbild hervorruft.

Der Gentest für PSSM 1 hat sich seit vielen Jahren etabliert und wurde durch viele wissenschaftliche Studien validiert. Das Ergebnis kann daher als sicher und zuverlässig angesehen werden. Die Diagnose PSSM unterscheidet sich zwischen Typ 1 und 2. Das Ausmaß der Erkrankung wird bereits durch die Erhöhung der Muskelenzyme im Blut erkennbar, liefert jedoch keinen direkten Hinweis. PSSM wird erst mithilfe eines genetischen Nachweises durch eine Haar- oder Blutprobe zuverlässig diagnostiziert. 
Sollte das Pferd Typ 1 negativ sein, besteht die Möglichkeit, dass das Pferd an Typ 2 leidet. Für die Diagnose von Typ 2 kann auch eine Biopsie durchgeführt werden. Hierbei wird dem Pferd Muskelgewebe entnommen und untersucht. Durch eine spezielle Färbetechnik können abgelagerte Zellproteine erkennbar werden. Diese PSSM-typischen Ablagerungen von Polysacchariden werden meist lila. Für die Diagnose von Typ 2 existiert bislang kein aussagekräftiger Gentest. PSSM Typ 2 kommt in der Praxis deutlich seltener vor, da die Erkrankung nur schwer nachweisbar ist und die Symptome auch einen anderen Ursprung haben können.

Wie werden betroffene 
Pferde behandelt?

Pferde mit einem akuten PSSM-Schub werden wie Pferde mit einem Kreuzverschlag therapiert. Um etwaigen Schüben vorzubeugen, müssen betroffene Pferde ein Leben lang speziell gefüttert werden. Zudem benötigen sie ein der Erkrankung angepasstes Bewegungsprogramm. Eine Heilung gibt es bislang nicht. Auch Medikamente sind wenig wirksam, um akute Schübe zu vermeiden. Basierend auf den Befunden erstellt der Tierarzt in Absprache mit dem Pferdehalter einen individuellen Behandlungsplan für das erkrankte Pferd.

Wie gehen Zuchtverbände mit PSSM um?

Am häufigsten kommt PSSM beim Quarter Horse vor. Die Erkrankung kommt jedoch auch bei anderen Warmblutrassen vor. Die Mutation wird autosomal dominant vererbt und kann entweder homozygot (von beiden Elternteilen vererbt) oder heterozygot (nur von einem Elternteil vererbt) vorliegen. Homozygot betroffene Pferde tragen das veränderte Gen zweimal und sind deshalb stärker von der Krankheit betroffen als heterozygot betroffene Pferde. Der genetische Test für diese Erkrankung wurde durch mehrere wissenschaftliche Studien validiert und ist zuverlässig. Homozygote Anlagenträger werden von der Körung ausgeschlossen.

Zuchtverbände forschen stetig an neuen Erkenntnissen über die Gesundheitsdatenbank der deutschen reiterlichen Vereinigung, in Kooperation mit den Zucht- und Tierärzteverbänden. Mithilfe dieser Datenbank sollen langfristig Erkenntnisse über bestimmte Krankheiten einer Rasse oder Anpaarung gewonnen werden. Hierfür ist die FN aber auf die ständigen Berichte der Züchter und Pferdehalter angewiesen.
Auftretende Erbkrankheiten können über die Datenbank gemeldet, eingelesen und ausgewertet werden. Über die Datenbank können alle Zuchtpferde und -ponys untersucht und sämtliche Befunde ausgewertet und entsprechend an die Zuchtverbände der Rassen übermittelt werden. In den Tierschutzbescheinigungen müssen die Ergebnisse veröffentlicht werden.

Welche Auswirkungen haben Erbkrankheiten wie PSSM auf 
den Pferdekauf?

Jedoch der Befund einer PSSM führt nicht allein dazu, dass das Pferd zwangsläufig mangelhaft ist. Das ist erst der Fall, wenn das Pferd klinische Symptome zeigt und aufgrund der Symptome nicht reitbar ist. Manche Erbkrankheiten werden allerdings rezessiv vererbt, sodass die Wahrscheinlichkeit eines erkrankten Nachkommens sehr gering ist und ohnehin keine Krankheitssymptome auftreten. Dies allein begründet noch keinen Sachmangel. Zudem bleibt die Erkrankung bei einem rezessiven Erbgang meist unerkannt, da gerade keine Symptome auftreten, die das Pferd oder seine Nachkommen beeinträchtigen. Auch können angepasste Haltungsbedingungen und eine angepasste Fütterung die Symptome von PSSM-Pferden lindern oder gar ganz aus dem Weg räumen.

Wird ein Zuchtpferd erworben, welches aufgrund des Befundes nicht hierfür eingesetzt werden kann, stellt dies in erster Linie einen Sachmangel dar. Bei rezessiv vererbbaren Erbkrankheiten kann das Pferd meist noch zum Decken und für den Sport eingesetzt werden, sodass der Defekt nicht erheblich ist.

Rechtliche Möglichkeiten beim Kauf oder Verkauf eines PSSM-Pferdes

Wenn ein PSSM-Pferd verkauft oder gekauft wurde, können verschiedene rechtliche Aspekte eine Rolle spielen, insbesondere im Hinblick auf die Mängelhaftung. Hier sind die wichtigsten Punkte und rechtlichen Schritte:

Sachmangelhaftung: Die PSSM als Sachmangel

Nach deutschem Recht kann PSSM als Sachmangel gelten, wenn das Pferd nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat und sich auch nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet. Entscheidend ist, ob das Pferd im Kaufvertrag als gesund oder ohne spezifische Mängel beschrieben wurde. Ein Sachmangel kann vorliegen, wenn:

– die Krankheit zum Zeitpunkt des Kaufs vorhanden war.

– der Verkäufer dem Käufer die Erkrankung nicht mitgeteilt hat.

PSSM ist eine Krankheit und stellt mithin eine Abweichung von der physiologischen Idealnorm dar. Aus diesem Grund stellt der Befund „PSSM-positiv“ mit Mangelerscheinungen grundsätzlich einen Sachmangel dar. Ist das Pferd mangelhaft im Sinne des §437 BGB, stehen dem Käufer des Pferdes die Gewährleistungsrechte zu.

2.Ansprüche des Pferdekäufers gegen den Verkäufer

Rücktritt vom Kaufvertrag, Minderung des Kaufpreises und Schadenersatz:

Wenn ein Sachmangel vorliegt oder der Verkäufer diesen arglistig verschwiegen hat oder wenn er wusste oder wissen musste, dass das Pferd erkrankt ist, kann der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten. Der Rücktritt ist möglich, wenn die Nacherfüllung (z.B. Austausch gegen ein gesundes Pferd) nicht möglich ist. Alternativ zum Rücktritt kann der Käufer eine Minderung des Kaufpreises verlangen, wenn das Pferd aufgrund der Erkrankung weniger wert ist. Schadenersatzansprüche können geltend gemacht werden, wenn dem Verkäufer ein Verschulden (Fahrlässigkeit oder Vorsatz) nachgewiesen werden kann. Dies ist der Fall, wenn der Verkäufer von der Krankheit wusste oder sie hätte erkennen müssen und diese Information dem Käufer verschwiegen hat.

Beweislastumkehr:

Innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Kauf gilt die Beweislastumkehr zugunsten des Käufers. Das bedeutet, dass vermutet wird, dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt des Kaufs vorhanden war, es sei denn, der Verkäufer kann das Gegenteil beweisen. Nach Ablauf dieser Frist muss der Käufer nachweisen, dass der Mangel bereits beim Kauf vorlag. Bei einer genetischen Erkrankung kann dies grundsätzlich angenommen werden.

Verschulden und Pflichten des Verkäufers:

Ein Verschulden trifft den Verkäufer, wenn:
- er die Erkrankung kannte oder sie hätte kennen müssen.
- er die Erkrankung arglistig verschwiegen hat.
- er keine ausreichenden Untersuchungen durchgeführt hat, um den Gesundheitszustand des Pferdes festzustellen, obwohl dies üblich und zumutbar gewesen wäre.

Verkäufer haben die Pflicht, dem Käufer alle bekannten Mängel und Erkrankungen mitzuteilen. Bei arglistigem Verschweigen oder fahrlässigem Verhalten kann der Verkäufer haftbar gemacht werden.

Sollten betroffene Pferde von der Zucht ausgeschlossen werden?

Nicht jedes Pferd zeigt starke Symptome. Würde jedes Pferd mit einer Mutation aus der Zucht ausgeschlossen werden, würden ganze Zuchtlinien aussterben, auch wenn die Pferde wenige bis keine Symptome zeigen, sodass dies andere Gendefekte begünstigt und gute Zuchtanlagen verlorengehen.

Anwalt Pferderecht Experte Ackenheil: Die PSSM kann als Sachmangel bei einem Pferdekauf gelten. Käufer haben rechtliche Möglichkeiten wie Rücktritt, Minderung oder Schadenersatz, wenn PSSM nach dem Kauf festgestellt wird. Voraussetzung ist, dass der Mangel zum Zeitpunkt des Kaufs vorhanden war und der Verkäufer den Mangel verschwiegen hat oder hätte kennen müssen. Die Beweislastumkehr innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Kauf begünstigt den Käufer. Den Verkäufer trifft ein Verschulden, wenn er die Erkrankung kannte oder fahrlässig gehandelt hat, indem er sie nicht erkannt oder mitgeteilt hat.

Möchte man mit seinem Pferd züchten, ist es im Rahmen des Pferdekaufs ratsam, einen Gentest durchzuführen. Es sollte selbstverständlich sein, bei jedem Pferd vor dem Zuchteinsatz dieses umfassend untersuchen zu lassen. Ob das Vorliegen einer genetischen Erkrankung bei einem verkauften Pferd zum Beispiel auch Schadensersatzansprüche begründet, muss daher immer anhand des Einzelfalles geprüft werden.

Die Diagnostik ist mittlerweile einfach durch den Tierarzt zu erzielen

Unser Experte: Andreas Ackenheil

veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Onlineportalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.

www.tierrecht-anwalt.de

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