Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt            Foto: imago images/ Frank Sorge

Der Spezialist für Pferderecht, Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, gibt auch in dieser Ausgabe die besten rechtlichen Tipps rund ums Thema Pferd

Es kommt immer wieder vor, dass sich Pferde schwer verletzen, weil sie derart in Panik geraten, dass sie wild umherrennen und infolgedessen stürzen. Die Auslöser für diese Paniksituationen können vielfältig sein.

So können jagende bzw. freilaufende Hunde die Pferde erschrecken, Bewässerungsanlagen der Nachbargrundstücke Angst auslösen oder Drohnen und andere Flugobjekte zu Panikreaktionen führen.
Die panischen Pferde können bei ihren unkontrollierten Fluchtversuchen dann zum Beispiel in Zäunen hängen bleiben, mit Fahrzeugen kollidieren, schwer stürzen und sich dabei schwer verletzen.  Vor dem Oberlandesgericht in Celle lag jüngst ein solcher Fall zur Entscheidung, bei dem ein Kampfflugzeug (Tornado) einen Dressurhengst derartig erschreckte, dass dieser scheute, wild umherrannte und letztlich so schwer stürzte, dass er aufgrund der Schwere der Verletzungen eingeschläfert werden musste.
Fraglich ist, wer in derartigen Fällen für diese Unfallschäden aufkommen muss, die dem Pferd entstehen oder die das Pferd Dritten zufügt, und welche Mitschuld beispielsweise den Piloten einer Drohne oder eines Flugzeugs bei dieser Unfallsituation trifft.

Wer haftet, wenn ein Pferd bei einem Weideausbruch verletzt wird?

Die entstandenen Schäden müssen grundsätzlich die Tierhalter selbst tragen im Rahmen der Tierhalterhaftung nach § 833 BGB. Wird bei einem Weideausbruch die Umzäunung der Weide beschädigt oder zerstört, hat der Tierhalter diesen Schaden gemäß § 833 BGB zu ersetzen, wenn sich der Ausbruch aufgrund von spezifischem Tierverhalten des Pferdes ereignete. Das ist der Fall, wenn das Pferd scheut, aus Angst ausbricht oder seinem Sexualtrieb folgt.  Im Beispiel des Oberlandesgerichtes in Celle aus dem Juli 2022 hatte zwar das überfliegende Flugzeug das Pferd erschreckt, was unvermittelt auch zur Eigenverletzung des Pferdes führte, jedoch hatte sich anhand der panischen Reaktion des Pferdes gerade die spezifische Tiergefahr realisiert. Wäre das Pferd nicht in Panik wild umher gerannt, wäre es nicht gestürzt und hätte sich nicht dabei lebensgefährlich verletzt. So einfach ist es jedoch nicht, denn dennoch muss auch immer der Punkt des Mitverschuldens genauestens geprüft werden. Für die entsprechende Quotelung des Mitverschuldens nach § 254 BGB kommt es demnach auf die Abwägung der Verursachungsbeiträge des Tierhalters (§ 833 S.1 BGB) und des Fahrzeughalters (§ 33 I LuftVG) auf das konkrete Ereignis an.

Wer kommt für den Schaden auf, wenn ein Pferd mit einem Verkehrsteilnehmer zusammenstößt?

Kommt es zu einem Verkehrsunfall, bei dem ein Pferd beteiligt ist, stellt sich die Frage, wer nun für die entstandenen Schäden an Pferd, Reiter, Auto und Radfahrer oder sogar Dritte aufkommen muss und in welcher Höhe. Kommt es zu einer Kollision mit einem Verkehrsteilnehmer und einem Pferd, muss auch hier auf den Zurechnungszusammenhang abgestellt werden.

Kommt es zwischen Pferd und Kraftfahrzeug zu einem Unfall, treffen die zwei Gefahrenquellen aufeinander. Der Halter eines Kraftfahrzeuges muss für die Grundgefahr seines Fahrzeuges einstehen. Diese Grundgefahr nennt sich Betriebsgefahr und ist in § 7 StVG geregelt. Grundsätzlich trifft die Haftung beide Parteien, da sowohl der Fahrzeughalter ein gefährliches Kraftfahrzeug im Straßenverkehr betreibt als auch das Pferd eine gewisse Gefährlichkeit mit sich bringt, da es sich unberechenbar verhalten kann. Wird die Paniksituation des Pferdes durch ein provokantes Verhalten des Radfahrers oder Autofahrers ausgelöst, ist sein Verhalten kausal für die Reaktion des Pferdes. In derartigen Fällen muss regelmäßig der Fahrer als Verursacher für den Schaden aufkommen.  Scheut das Pferd allerdings grundlos und verursacht es durch sein plötzliches Scheuen oder sonstige Bewegungen eine Kollision mit dem Auto oder Fahrradfahrer, beruht der Unfall regelmäßig auf dem tierspezifischen Verhalten des Pferdes. Wenn der Fahrer den Seitenabstand beachtet hat und sich somit angemessen verhalten hat, haftet dann nur der Reiter für den Unfall. Letztlich hängt die Haftungsfrage immer vom individuellen Unfallhergang ab und ist je nach Einzelfall unterschiedlich zu beantworten.
Bricht das Pferd von der Koppel aus und galoppiert es auf die Autobahn oder eine nahegelegene Landstraße zu und kollidiert dort mit einem Auto, muss ebenfalls die spezifische Tiergefahr mit der spezifischen Betriebsgefahr des Autos abgewogen werden. 
§ 833 BGB und § 7 StVG stehen sich somit gegenüber. Denn von einem Auto geht genau wie von einem Tier eine „Grundgefahr“ aus. Regelmäßig überwiegt die spezifische Tiergefahr des Pferdes, da sich der Autofahrer auf der Fahrbahn befand und gar nicht anders reagieren konnte.

Wenn das Pferd einen Passanten oder auch einen Hund umrennt

Anderes gilt, wenn das Pferd Passanten wie zum Beispiel Spaziergänger oder andere Tiere überrennt. Im Rahmen der sogenannten Tierhalterhaftung kann der Geschädigte den durch das Pferd verursachten Schaden ersetzt bekommen.  So muss der Pferdehalter dann de Tierarztkosten, Arztkosten und Schmerzensgeld sowie alle sonstigen Schäden aufgrund des Unfalls ersetzen. Der Anspruch auf entsprechendes Schmerzensgeld kann gerade bei Unfällen mit Pferden schnell mehrere Tausende Euro betragen. Kosten für Polizei- und Feuerwehreinsätze kommen ebenfalls auf den Halter des ausgebrochenen Pferdes zu.

Wie sieht es mit der Haftung aus, wenn jemand anderes dafür verantwortlich ist, dass die Pferde scheuen und ausbrechen?

Das Oberlandesgericht in Celle entschied in der Vergangenheit im folgenden Fall: Nachdem ein Landwirt auf dem angrenzenden Grundstück der Pferdekoppel eine Bewässerungsanlage installiert hatte, die aber auch die benachbarte Pferdeweide beregnete, scheute ein Pferd, geriet in Panik und sprang über den Weidezaun.  Das Pferd verletzte sich dabei so schwer, dass es eingeschläfert werden musste.

Das Gericht kam zu dem Entschluss, dass der Landwirt hätte sicherstellen müssen, dass die Bewässerung nicht auf die angrenzende Pferdeweide reicht und dadurch die Pferde auf der Weide nicht verängstigt werden. Infolge der Fahrlässigkeit musste der Landwirt den Wert des Pferdes in Höhe von 40.000 Euro ersetzen. 
In einem weiteren Urteil zu diesem Thema urteilte das Gericht in einem Fall, bei dem der Lärm eines tieffliegenden Kampfflugzeugs ein Pferd derart in Panik versetzte, dass es schwer stürzte und in letzter Konsequenz von seinen Leiden erlöst werden musste. Zwar realisierte sich die Tiergefahr des Pferdes zu einem Mitverschuldensanteil von 20 Prozent, jedoch geriet das Pferd gerade erst durch den Lärm des Tieffluges in Panik, sodass der Pilot zu 80 Prozent haftet. 
Entgegen einer Vorschrift unterschritt er die angemeldete Flughöhe von 152 Metern mit 130 Metern deutlich, sodass sich auch die Betriebsgefahr des Flugzeugs realisiert hatte. Zu einem gänzlichen Ausschluss des Mitverschuldensanteils der Pferdehalterin führte dieser Umstand jedoch nicht. 
Ähnliches gilt häufig auch, wenn Hunde auf die Pferdeweide gelangen und dort Pferde aufscheuchen. Der Halter des hetzenden Hundes muss für den Schaden aufkommen, den das Pferd in Folge des Ausbruchs verursacht oder sich selbst zuzieht.

Trifft den Pensionsstallbetreiber ein Mitverschulden, wenn die Weide zum Zeitpunkt des Unfalls nicht intakt war?

Wenn der Weidezaun vor dem Ausbruch des Pferdes schon beschädigt war und den Ausbruch begünstigte oder überhaupt erst ermöglichte, trifft den Pensionsstallbetreiber ebenfalls ein Mitverschulden nach § 254 BGB. In der Praxis ist dies jedoch schwer nachweisbar, wenn die Zäune ohnehin bei dem Ausbruch beschädigt wurden. Einstaller sollte daher den Stallbetreiber umgehend informieren, wenn sie Beschädigungen an der Umzäunung bemerken.

Tipp vom Pferderecht Anwalt Ackenheil

Gerade bei Unfallschäden mit Pferden kann der entstandene Schaden schnell mehrere 10.000 Euro betragen und für so manchen Pferdebesitzer den finanziellen Ruin bedeuten. Es empfiehlt sich daher, den Umfang seines Versicherungsschutzes zu überprüfen und gegebenenfalls auf den aktuellen Stand zu bringen. Hat ein Pferd einen Schaden verursacht, ist dringend anzuraten, den Unfallhergang so genau wie möglich zu dokumentieren und Beweise zu sichern.

Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferde- recht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Onlineportalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.

www.pferderechtler.de

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