Der Spezialist für Pferderecht, Rechtsanwalt Andreas Ackenheil gibt auch in dieser Ausgabe die besten rechtlichen Tipps rund um das Thema Pferd
Ein plötzlicher Lahmheitszustand, ein auffälliger Husten oder unerklärliches Unwohlsein – die Anzeichen einer Erkrankung bei seinem Pferd können einen Pferdebesitzer in große Sorgen stürzen. In solchen Momenten, wenn das Wohl des vierbeinigen Partners auf dem Spiel steht, ist die Konsultation eines Tierarztes unumgänglich. Die tierärztliche Behandlung des Pferds steht zwar an erster Stelle, jedoch umfasst die tierärztliche Tätigkeit auch weitere wichtige Verpflichtungen.
Der Tierarzt ist verpflichtet, seine Behandlung zu dokumentieren
In Deutschland ist die Dokumentationspflicht von Tierärzten durch verschiedene gesetzliche Regelungen verankert. Dazu gehören insbesondere das Tierschutzgesetz (TierSchG), die Berufsordnung der einzelnen Landestierärztekammern und die Verordnung über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV). Diese Vorschriften verpflichten Tierärzte dazu, alle wesentlichen Maßnahmen und Beobachtungen zu dokumentieren, um Transparenz und Nachvollziehbarkeit sicherzustellen. Zudem sehen auch die Gerichte für den Tierarzt die Dokumentationspflicht als eine Nebenpflicht aus dem zwischen Tierarzt und Tierhalter geschlossenen Vertrag. Hieraus ergibt sich, dass die Dokumentation auch im Interesse des Tierhalters zu führen ist.
Diese Pflicht des Tierarztes zur Dokumentation ist ein essenzieller Bestandteil der tierärztlichen Praxis und bildet die Grundlage für eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung von Tieren. Diese Pflicht umfasst die systematische und detaillierte Aufzeichnung aller relevanten Informationen über den Gesundheitszustand des Tieres, die durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sowie die gegebenen Empfehlungen und Verordnungen. Neben ihrer ethischen Bedeutung ist die Dokumentationspflicht auch gesetzlich geregelt und erfüllt mehrere wichtige Funktionen.
Eine präzise Dokumentation ermöglicht es, bei Überweisungen oder Wechsel des be-handelnden Tierarztes eine nahtlose Fortführung der Behandlung sicherzustellen. Dies ist besonders wichtig bei chronischen Erkrankungen oder langfristigen Behandlungsplänen.
Was sollte in der Patientenakte stehen?
Eine umfassende tierärztliche Dokumentation kann mitunter Folgendes beinhalten:
- Patientendaten: Angaben zum Tier wie Art, Rasse, Alter, Geschlecht, Identifikations-nummer oder Mikrochipnummer
- Anamnesedaten: detaillierte Informationen zur Vorgeschichte des Tieres, einschließlich früherer Krankheiten, Operationen, Behandlungen und Impfungen
- Diagnostische Maßnahmen: Ergebnisse aller durchgeführten Untersuchungen und Tests, Diagnosen und Differenzialdiagnosen, einschließlich Laborbefunde, Röntgenbilder und Ultraschallergebnisse
- Therapeutische Maßnahmen: Beschreibungen der verabreichten Behandlungen, verschriebenen Medikamente (mit Dosierung, Verabreichungsweg und -häufigkeit), durchgeführten Operationen und anderen therapeutischen Eingriffen
- Alternative Behandlungsmethoden: Aufklärung über alternative Behandlungsmethoden und deren Vor- und Nachteile
- Nachbehandlung und Empfehlungen: Informationen über die weitere Pflege und Nachsorge inklusive Empfehlungen für den Tierhalter
- Kommunikation/Aufklärungspflicht: Aufzeichnungen über Gespräche mit dem Tierhalter, insbesondere hinsichtlich der Aufklärung über Diagnose, Behandlungsoptionen, Risiken und Prognosen, aber auch über die Kosten der Behandlungen
Liegt ein Behandlungsfehler vor? Hat der Tierarzt einen Fehler gemacht?
Die Beziehung zwischen Tierbesitzer und Tierarzt basiert auf Vertrauen und Professionalität. Dennoch können verschiedene Umstände zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen. Diese Konflikte entstehen oft aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die Behandlung, die Kosten oder die Kommunikation. Um die genauen Umstände einer Behandlung nachvollziehbar darlegen zu können und in diesem Zusammenhang Fehler wie Falschbehandlung aufdecken zu können, sollte jede Behandlung und Diagnose, aber auch jedes Beratungsgespräch in den Patientenakten aufgeführt werden.
So dient die Dokumentation auch als Beweismittel in rechtlichen Auseinandersetzungen oder bei Haftungsfragen. Eine vollständige und genaue Aufzeichnung kann den Tierarzt vor unberechtigten Ansprüchen schützen und zur Klärung von Streitigkeiten beitragen. Eine sorgfältige Dokumentation aller Behandlungsschritte und eine transparente Kostenaufstellung sind essenziell, um im Streitfall klare Nachweise zu haben. Dies schützt sowohl den Tierarzt als auch den Tierbesitzer. Eine der häufigsten Ursachen für Konflikte ist die Behauptung, dass der Tierarzt eine Fehlbehandlung vorgenommen oder einen Kunstfehler begangen hat. Dies kann beispielsweise durch eine falsche Diagnose, die unsachgemäße Durchführung von Operationen oder unzureichende Nachsorge geschehen sein. Der Tierbesitzer könnte Schadensersatz oder Schmerzensgeld für das Leiden seines Tieres verlangen.
Urteil bei fehlerhafter Dokumentation
So wurde die mangelhafte Dokumentation einem Tierarzt in einem zu entscheidenden Fall vor der dem Landgericht Koblenz zum Verhängnis. Dort verklagte ein Pferdehalter den Tierarzt auf Schadensersatz in Höhe von mehreren Tausend Euro aufgrund eines Behandlungsfehlers. Der Pferdehalter warf dem Tierarzt vor, dass sein Pferd aufgrund einer unzureichenden Diagnose und Therapie gesundheitliche Schäden erlitten habe. Kernpunkt des Verfahrens war die Frage, ob der Tierarzt seiner Dokumentationspflicht ausreichend nachgekommen war und ob aus der lückenhaften Dokumentation ein Behandlungsfehler abgeleitet werden konnte.
Der Sachverhalt
Das Pferd des Klägers litt an einer Reihe von gesundheitlichen Problemen, die eine um-fassende tierärztliche Untersuchung und Behandlung erforderten. Der Tierarzt führte mehrere diagnostische und therapeutische Maßnahmen durch. Allerdings wurde im Verlauf der Behandlung weder eine detaillierte Anamnese des Pferdes aufgezeichnet, noch wurden die einzelnen therapeutischen Schritte ausreichend dokumentiert. Der Kläger argumentierte, dass diese lückenhafte Dokumentation zur Folge hatte, dass die getroffenen Maßnahmen nicht nachvollziehbar waren und dadurch die medizinische Behandlung des Pferdes fehlerhaft gewesen sei.
Beweislastumkehr: Wer muss beweisen, dass dem Tierarzt ein Fehler unterlaufen ist?
Ein entscheidender Aspekt in diesem Verfahren war die Beweislastumkehr. Normalerweise muss der Kläger, in diesem Fall der Pferdehalter, nachweisen, dass der Tierarzt einen Behandlungsfehler begangen hat. Aufgrund der unzureichenden Dokumentation des Tierarztes entschied das Gericht jedoch, dass der Tierarzt nachzuweisen hat, dass er alle notwendigen und angemessenen Maßnahmen ergriffen hatte. Da der Tierarzt aufgrund seiner lückenhaften Dokumentation diesen Nachweis nicht erbringen konnte, wurde er für die entstandenen Schäden am Pferd verantwortlich gemacht. Der Tierarzt musste dem Pferdebesitzer Schadensersatz zahlen.
Entscheidung des Landgerichts
Das Landgericht Koblenz stellte im Ergebnis fest, dass der Tierarzt gegen seine Dokumentationspflicht verstoßen habe. Die Richter betonten, dass eine vollständige und genaue Dokumentation ein wesentlicher Bestandteil der tierärztlichen Sorgfaltspflicht sei. Die Dokumentation müsse so geführt werden, dass sie jederzeit eine nachvollziehbare Rekonstruktion der durchgeführten Diagnosen und Behandlungen ermöglicht.
In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass die lückenhafte Dokumentation des Tierarztes die ordnungsgemäße Nachvollziehbarkeit der Behandlung erheblich erschwert habe. Aufgrund der fehlenden Aufzeichnungen konnten weder der genaue Krankheitsverlauf noch die Angemessenheit der durchgeführten therapeutischen Maßnahmen überprüft werden. Dies führte dazu, dass der Tierarzt den Nachweis einer korrekten und fachgerechten Behandlung nicht erbringen konnte. So verurteilte das Gericht den Tierarzt zur Zahlung von Schadensersatz an den Pferdehalter. Die Höhe des Schadensersatzes wurde auf Grundlage der Behandlungskosten sowie der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Pferdes festgelegt.
Urteil bei einer gut geführten Patientenakte
In einem anderen Fall, der dem Oberlandesgericht in Hamm zur Entscheidung vorlag, verklagte ein Pferdehalter seinen Tierarzt wegen einer vermeintlichen Fehldiagnose. Aufgrund der ausführlichen und präzisen Dokumentation konnte der Tierarzt nachweisen, dass er alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt und die korrekte Diagnose gestellt hatte. Daraufhin entschied das Oberlandesgericht zugunsten des Tierarztes und lehnte die Schadensersatzforderungen des Pferdehalters ab.
Was nicht in der Patientenakte steht, wurde nicht gemacht!
Hat der behandelnde Tierarzt eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und deren Ergebnis nicht in der Patientenakte notiert oder aufgenommen oder sogar die Patientenakte nicht aufbewahrt, so gilt sogar die Vermutung, dass diese Behandlung, Aufklärung oder sonstige Maßnahme nicht vorgenommen wurde.
Die Beispielsfälle unterstreichen die Bedeutung einer sorgfältigen Dokumentation nicht nur zur Sicherstellung einer hochwertigen tierärztlichen Versorgung, sondern auch als Schutzmaßnahme für Tierärzte vor rechtlichen Konsequenzen.
Die Aufbewahrungspflicht des Tierarztes
Nicht nur der Umfang, was in einer Patientenakte vom Tierarzt zu dokumentieren ist, sondern auch der Zeitrahmen, wie lange diese Dokumentation aufzubewahren ist, findet seine Grundlage im Gesetz.
So beträgt der Zeitraum der Aufbewahrung von tierärztlichen Dokumentationen in Deutschland in der Regel mindestens fünf Jahre. In bestimmten Fällen, wie bei der Behandlung von Zoonosen (Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragbar sind), können sogar längere Aufbewahrungsfristen gelten. Diese Fristen gewährleisten, dass relevante Informationen auch bei später auftretenden Komplikationen oder Nachfragen verfügbar bleiben.
Urteil bei Verstoß gegen die Aufbewahrungspflicht
In einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Gießen wurde ein Tierarzt von den Richtern dafür gerügt, dass er die Unterlagen über die Behandlung eines Nutztieres nicht ausreichend lange aufbewahrt hatte. Das Gericht bestätigte im Laufe des Verfahrens die Bedeutung der gesetzlich vorgeschriebenen Aufbewahrungsfristen für die Nachvollziehbarkeit und die Transparenz tierärztlicher Maßnahmen. Pferderechtsexperte Anwalt Ackenheil: Die Fallbeispiele zeigen eindrucksvoll, welche Konsequenzen eine unzureichende Dokumentation für Tierärzte haben kann. Eine vollständige und sorgfältige Dokumentation von den gemachten Untersuchungen, deren Ergebnissen und den Aufklärungsgesprächen mit den Tierhaltern ist nicht nur ein Zeichen professioneller Sorgfalt, sondern dient auch dem rechtlichen Schutz des Tierarztes. Die Beispiele betonen insbesondere die zentrale Rolle der Dokumentationspflicht im tierärztlichen Berufsalltag. Gerade wenn es um die Frage einer Falschbehandlung geht, kann eine lückenhafte Dokumentation des Tierarztes als Beweis für mögliche Behandlungsfehler gewertet werden. Tierärzte und Tierkliniken sollten daher große Sorgfalt darauf verwenden, alle relevanten Informationen detailliert und nachvollziehbar zu dokumentieren.
Rechtliche Streitigkeiten zwischen Tierbesitzern und Tierärzten sind keineswegs ungewöhnlich und können die verschiedensten Ursachen haben – von Fehlbehandlungen über unzureichende Aufklärung bis hin zu hohen Kosten. Im Falle eines eskalierenden Konflikts ist es ratsam, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen. Anwälte, die auf Tierarzthaftung spezialisiert sind, können helfen, die Erfolgsaussichten einer Klage abzuschätzen und den besten Vorgeh ensweg zu finden.
Die Dokumentation muss jederzeit eine nachvollziehbare Rekonstruktion der durchgeführten Diagnosen und Behandlungen ermöglichen
Unser Experte Andreas Ackenheil
veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Online-Portalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.
Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt Foto: imago images/ Frank Sorge