Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt Foto: imago images/ imagebroker
Der Spezialist für Pferderecht, Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, gibt auch in dieser Ausgabe die besten rechtlichen Tipps rund ums Thema Pferd
Das Equine Herpesvirus ist nicht ohne Grund eine der gefürchtetsten Pferdeerkrankungen in der Pferdewelt.
Das Herpesvirus kann bei Pferden zu schweren Krankheitsverläufen und sogar bis zum Tod des erkrankten Pferdes führen. In jüngster Vergangenheit brach die hoch ansteckende und aggressive Form des EHV-I immer wieder auf Turnieren aus und forderte dabei vielen Pferden das Leben. Als Konsequenz der verheerenden Herpesausbrüche bei dem internationalen Turnier CES in Valencia hat die reiterliche Vereinigung FN nun eine Impfpflicht für Turnierpferde beschlossen. Ab dem 1. Januar 2023 dürfen nur noch die Pferde am Turniergeschehen teilnehmen, die ordnungsgemäß gegen das Equine Herpesvirus sowie Influenza geimpft sind. Aber gibt auch es eine Herpesimpfpflicht für Freizeitpferde? Kann ein Stallbetreiber eine Herpesimpfpflicht für seine Pensionspferde verlangen, um seinen Stall vor einem Herpesausbruch zu schützen?
Warum ist das Equine Herpesvirus für Pferde so gefährlich?
Bei Stallbetreibern und Pferdebesitzern ist das Equine Herpesvirus auch aufgrund seiner leichten Übertragbarkeit gefürchtet. Eine Infektion mit diesem Virus verbreitet sich unter den Pferden entweder durch den direkten Kontakt der Pferde untereinander oder auch durch sich in der Luft befindliche „Tröpfcheninfektionen“. Es reicht daher für dessen Weitergabe schon aus, wenn sich ein infiziertes Pferd zusammen in einem Stalltrakt mit den anderen Pferden befindet. Eine Infektion mit dem Herpesvirus kann zudem auch indirekt über Gegenstände wie z.B die Stallkleidung, Decken oder Putzzeug weiterverbreitet werden. Schon das Streicheln eines Pferdes genügt bereits, um die Viren weiterzugeben. Daher ist auf strengste Hygiene bei einer Herpesinfektion zu achten.
Neue Impfpflicht für Turnierpferde
Ab dem 01.01.2023 gilt nun eine Herpesimpflicht für alle Turnierpferde. Mithilfe dieser neu eingeführten Impfpflicht erhofft sich die Reiterliche Vereinigung (FN) die Menge an momentan zirkulierenden Herpesviren einzudämmen und eine Ausbreitung des Virus zu erschweren.
Eine generelle Impfpflicht für alle Pferde ist derzeit noch nicht absehbar. Die Bestimmungen hierüber würden jedoch außerhalb des Kompetenzbereichs der FN liegen. Diese kann nur über die LPO (Leistungsprüfungsordnung) Impfbestimmungen erlassen. Diese greifen allerdings nur im Rahmen des Turniersports und sind daher auch nur für Turnierpferde verpflichtend. Wer auf Turnieren starten möchte muss einen Impfnachweis vorweisen. Zu beachten ist hierbei, dass für die Grundimmunisierung des Pferdes etwas Zeit eingeplant werden muss, sodass es sich als Turnierreiter empfiehlt, sich bereits jetzt mit der Thematik und den Impfintervallen auseinanderzusetzen. Die Grundimmunisierung umfasst ihrerseits drei Impfungen, die je nach Impfstoffart (Inaktivimpfstoff oder Lebendimpfstoff) entweder in einem Abstand von mindestens 28, maximal 42 Tagen oder von mindestens drei bis maximal vier Monaten durchgeführt werden muss. Hierbei ist zu beachten, dass die ersten beiden Impfungen mit jeweils dem selben Impfstoff durchgeführt werden müssen. Erst ab der dritten Impfung ist ein Wechsel gemäß der LPO zwischen den Impfstoffen erlaubt. Auffrischungsimpfungen haben wie gewohnt im Abstand von maximal 6 Monaten plus 21 Tagen stattzufinden. Nach der dritten Impfung der Grundimmunisierung und den weiteren Auffrischungsimpfungen sind Turnierstarts erlaubt, wenn sieben Tage vergangen sind.
Habe ich Ansprüche gegen den Stallbetreiber, wenn ein neues Turnierpferd den Virus einschleppt und mein Pferd ansteckt?
Sollte es doch einmal zu einer Herpesinfektion bei Ihrem Pferd kommen, weil z.B. ein Turnierpferd den Virus mit in den Stall zurückbringt oder ein anderer Pferdebesitzer der in mehreren Ställen Pferde eingestellt hat das Virus mit einschleppt, kann es schnell teuer werden. Es stellt sich nun die Frage, wer für den entstandenen Schaden aufzukommen hat.
Zunächst kann der Einsteller Ansprüche aus dem Pflichtenkatalog des Einstellervertrages geltend machen. Ein Einstellvertrag dient der Regelung der verschiedenen Haupt- und Nebenleistungspflichten zwischen Stallbetreiber und Einsteller. Die wesentlichen Hauptleistungspflichten beziehen sich auf die Einstellung des Pferdes und je nach Vereinbarung auch auf das Füttern, Misten und weiterer Angelegenheiten. Diese Pflichten des Stallbetreibers gegenüber dem Einsteller und dem Pferd nennt man Obhutspflichten. Diese Obhutspflichten ergeben sich auch aus § 688 BGB. Kann dem Stallbetreiber nachgewiesen werden, dass er diese Obhutspflicht verletzt hat, sei es dadurch, dass er die Erkrankung nicht erkannte obwohl er sie hätte erkennen müssen, oder dass er pflichtwidrig bzw. fahrlässig einen regen Pferdewechsel in seinem Stall zulässt, ohne die Tiere auf mögliche Krankheiten zu überprüfen, muss er als Stallbetreiber für die hieraus entstandenen Schäden die Haftung übernehmen. Eine leicht fahrlässige Verletzung der Obhutspflicht gem. § 276 II BGB genügt bereits für den Eintritt der Schadensersatzpflicht. Diese liegt dann vor, wenn er ein Pferd in den Stall einziehen lässt ohne sich zu versichern, dass es den nötigen Impfschutz mitbringt.
Kann ein Stallbetreiber eine Haftung für Herpesfälle im Stall ausschließen?
Der Stallbetreiber muss grundsätzlich nicht haften, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt einhält und es dennoch durch unvorhersehbare Gründe zu einer Herpesinfektion im Stall kommen sollte.
Allerdings versuchen die Stallbetreiber gerne durch sogenannte Haftungsbeschränkungen die als AGB im Einstellvertrag aufgeführt sind, ihre Haftung nur auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu beschränken. Für Einsteller sind solche Klauseln allerdings unbedenklich, da sie meist rechtswidrig sind und daher nicht Vertragsbestandteil werden. Sie benachteiligen den Einsteller und richten sich gegen den Sinn und Zweck des Vertrages der eigentlich auf die verantwortungsvolle Betreuung des untergestellten Pferdes abzielt.
Trägt der Stallbetreiber immer die Haftung für einen Herpesausbruch im Stall?
Sollte es zu dem Ausbruch einer Herpesinfektion in einem Stall kommen haftet der Stallbetreiber nicht nur alleine.
An dieser Stelle ist auf die Tierhalterhaftung gem. § 833 BGB zu verweisen. Demnach haftet grundsätzlich der Halter des Tieres für diejenigen Schäden die durch sein Tier – hier Pferd – entstanden sind. Dementsprechend ist jeder Pferdehalter in erster Linie selbst dafür verantwortlich, dass von seinem Pferd keine Gefahr ausgeht. Hierzu gehört eben auch das Sicherstellen des nötigen Gesundheitsschutzes. Bei der Tierhalterhaftung handelt es sich um ein Rechtsinstitut das verschuldensunabhängig die Eintrittspflicht auslöst. Dies hat zur Folge, dass jedem Pferdehalter eine Gefährdungshaftung obliegt von der er sich nicht entlasten kann. Er hat für jeden Schaden den sein Pferd verursacht einzustehen. Dementsprechend trifft den Tierhalter auch eine Einstandspflicht, wenn durch sein Pferd das Virus in den Stall gelangt und weitere Pferde infiziert.
Kann der Stallbetreiber eine Herpesimpflicht für alle Pferde im Stall verlangen?
Wie bereits erwähnt ist eine Impfpflicht für Pferde die keine Turniere besuchen nicht absehbar. Daher lässt nicht jeder Pferdehalter sein Pferd gegen das Herpesvirus impfen. Aufgrund dessen stellt sich gerade auch im Hinblick auf potentielle Haftungsfragen des Stallbetreibers die Frage, ob er eine Impfpflicht für die bei ihm eingestellten Pferde erlassen kann. Aus tierärztlicher Sicht ist die Impfung des gesamten Pferdebestands für jeden Betrieb sinnvoll, um eine sogenannte „Herdenimmunisierung“ zu erreichen.
Ziel dieses Gedankens ist, dass die Verbreitung des Virus bestmöglich eingedämmt werden soll. Es wird davon ausgegangen, dass 90 % aller Pferde Träger des Virus sind. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass „Träger sein“ nicht gleich bedeutet, dass diese Pferde auch ansteckend sind. Sie tragen das Virus zwar in sich, allerdings ist dieses noch nicht ausgebrochen und daher „inaktiv“. Eine Impfung scheint daher erfolgsversprechend, weil geimpfte Pferde im Gegensatz zu ungeimpften Pferden nur etwa 10 % des Virus ausscheiden. Im Rahmen des Einstellvertrags hat der Stallbetreiber sich dazu verpflichtet eine Obhutspflicht gegenüber den bei ihm eingestellten Pferd zu übernehmen. Er verpflichtet sich also im Rahmen seiner Möglichkeiten Gefahren und Schäden von den Pferden fernzuhalten. Dies äußert sich u.a. in der Pflicht ordnungsgemäßer Weidenumzäunungen, bei denen das Verletzungspotenzial für die Pferde so gering wie möglich gehalten werden soll. Hierzu zählt aber neben dem Schutz vor physischen Gefahrenquellen eben auch der Schutz vor Krankheiten. Kommt es zu einem Herpesausbruch und dem Stallbetreiber kann ein Fehler bei der Betreuung der Tiere oder der Bekämpfung des Virus nachgewiesen werden, macht er sich unter Umständen schadensersatzpflichtig. Es empfiehlt sich daher für den Stallbetreiber, eine solche Impfpflicht einzuführen, um die Gefahr der Haftung zu minimieren und das Infektionsrisiko für seinen Stall gering zu halten.
Tipp vom Pferderecht Anwalt Ackenheil:
Als Betreiber eines Pferdepensionstalls sollte man immer ein besonderes Augenmerk auf den gesundheitlichen Zustand des neu einzustellenden Pferdes legen. Viele Einstellerverträge beinhalten sogenannte Haftungsbeschränkungen, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sind. In diesen Regelungen wird versucht, die Haftung des Stallbetreibers nur auf Vorsatz und grob fahrlässiges Verhalten zu beschränken. Derartige Klauseln sind oftmals rechtswidrig! Sie benachteiligen den Einsteller und richten sich gegen die Natur des Vertrages, weil sie den Vertragszweck gefährden. Wie im Einzelfall gehandelt werden muss, erfahren Sie bei einem Anwalt, der auf Pferderecht spezialisiert ist.
Ihr Anwalt für Pferderecht,
Rechtsanwalt Ackenheil
Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferde- recht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Onlineportalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.