Text: Andreas Ackenheil Foto: Getty Images/iStockphoto
Jetzt in den nasskalten Herbst- und Wintertagen, in denen es gerade morgens doch recht ungemütlich kalt im Stall ist, wird so manche Liebe zur Pferdehaltung auf die Probe gestellt. Doch wer sich ein Pferd hält und es artgerecht versorgen möchte, muss sich bewusst sein, dass auch in diesen Zeiten ein Pferd regelmäßige Pflege, Bewegung und vor allem Zuneigung benötigt.
Der Pensionsstall mit Boxenhaltung ist die am meisten verbreitete Pferdehaltung in Deutschland. Die Pferde stehen in Boxen nebeneinander und haben meistens ein Fenster nach draußen oder in die Stallgasse. In den meisten Pensionsställen muss ein Paddock-, Weide-, oder Führmaschinenservice gegen Aufpreis hinzugebucht werden, um die Pferde zu bewegen. Fensterboxen und Boxen mit angrenzendem Paddock sind meist teurer als Innenboxen.
Pferde leben in freier Wildbahn in der Steppe und bewegen sich circa 15–16 Stunden fresse im Schritt fort. Schnellere Gangarten sind eher selten. In der restlichen Zeit liegen sie oder pflegen soziale Kontakte. Das langsame mehrstündige Vorwärtsgehen des Pferdes ist ein Grundbedürfnis.
In Aktivställen stehen die Pferde im Herdenverband, und das Bedürfnis der ständigen Nahrungssuche wird nachgeahmt, indem sie von der Heuraufe zur Futterstelle und zur Wasserstelle laufen. Viele Aktivställe haben Baumstämme im Auslauf, um natürliche Hindernisse nachzuahmen, damit die Pferde auf ihre Schritte achten. Außerdem bieten die Rinden der Baumstämme Beschäftigung.
In den meisten Ställen ist dies leider nicht möglich. Gerade in den Wintermonaten fehlt es den Ställen an Winterweiden, sodass die Pferde meist nur auf weitaus kleinere Sandpaddocks kommen, auf denen sie sich nicht viel bewegen. Wirklich toben und spielen können die meisten Pferde darauf nicht, es sei denn, sie kommen in Gruppen auf größere Paddocks.
Das Reiten allein deckt den Bewegungsbedarf des Pferdes nicht ab, trägt jedoch dazu bei. Neben dem Reiten sollte das Pferd jeden Tag zusätzliche Bewegung bekommen. In vielen Ställen werden Führmaschinen- und Paddockservice angeboten. Auch ein ausgiebiger Schritt-Ausritt sollte hin und wieder unternommen werden, um das Pferd nicht nur in schnellen Gangarten zu bewegen, sondern auch dem Bedürfnis des langen Schrittlaufens nachzukommen. Der Pferdehalter sollte darauf achten, dass das Pferd täglich für mindestens zwei Stunden zusätzlich im Schritt bewegt wird. In den meisten Ställen laufen die Pferde eine Dreiviertelstunde in der Führmaschine und kommen dann noch für 1–2 Stunden auf das Paddock.
Gesetzliche Regelungen zur Pferdehaltung
Nach § 2 des Tierschutzgesetzes müssen Pferde neben dem Reiten täglich mehrstündig bewegt werden. Im Gesetz heißt es unter anderem, dass Pferde ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend ernährt und gehalten werden müssen und ihre artgemäße Bewegung nicht in der Weise eingeschränkt werden darf, dass ihnen Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten verfasst. Gemäß diesen Leitlinien heißt es, dass das tägliche Arbeiten mit dem Pferd nicht ausreichend ist und das Pferd sich zusätzlich frei bewegen können muss, um die Haltung an die natürlichen Bedürfnisse bestmöglich anzupassen. Insbesondere Jungpferden und Zuchtstuten soll so oft wie möglich ein Weidegang ermöglicht werden.
Im täglichen Training ist das ausgiebige Schrittreiten vor der Arbeit wichtig. Es bietet sich an, die Schrittrunde in das Gelände oder um den Hof zu legen, um für Abwechslung zu sorgen.
Der tägliche Bewegungsbedarf richtet sich außerdem nach dem Gesundheitszustand des Pferdes. Ist das Pferd krank, sollte es weniger belastet werden und je nach Erkrankung oder Verletzung sogar geschont werden.
Urteil zum Umfang des erforderlichen Auslaufs und des notwendigen Futters eines Pferdes
Im Jahr 2016 führte das Landratsamt Rottal-Inn in einem Reitstall eine Tierschutzkontrolle durch. Überprüft wurde hierbei die Haltung der Pferde C und A, die im Eigentum von Frau I standen. Während der Kontrolle gab der Pferdepensionsbetreiber an, dass er die Pferde zweimal täglich mit Kraftfutter und Heu füttere. Daneben wurde das Pferd C täglich eine Stunde geritten oder in der Halle frei laufen gelassen, und mit dem Pferd A wurde täglich eine Stunde gearbeitet. Die übrige Zeit des Tages würden die Pferde in ihren Boxen verbringen. Das Amt stellte bei dem Kontrollbesuch am frühen Nachmittag jedoch fest, dass sich kein Raufutter in den Pferdeboxen befand. Pferd A hatte zudem in der Box kein Fenster. Weidegang bekamen die Pferde nicht, da das Verletzungsrisiko zu hoch sei, so der Pferdepensionsbetreiber. Darau in gaben die Behördenvertreter dem Pferdepensionsbetreiber die Auflage die Pferde täglich mindestens drei Stunden in einem Freilauf zu bewegen (z. B. Weide). Dies sollte dokumentiert werden. Zudem sollten die Zeiträume, in denen den Pferden kein Futter zur Verfügung steht, vier Stunden nicht überschreiten. Das Gericht, das sich im Verlauf der Zeit mit der Sache zu beschäftigen hatte, orientierte sich bei der Frage, wie viel Auslauf und Bewegung ein Pferd benötige, an den Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), und sah die Auflagen der Behörde somit als rechtens an. Der Pferdepensionsbetreiber argumentierte indes, dass A und C Sportpferde seien, die aufgrund des Verletzungsrisikos nicht auf die Weide kommen sollten, und dass A aufgrund einer früheren Kolik nicht so viel Heu bekommen sollte.
Die Gerichtsentscheidung
Das Gericht erklärte die Auflagen zur Pferdehaltung, die die Behörde dem Pferdepensionsbetreiber auferlegten, für rechtmäßig und erkannte das erhöhte Verletzungsrisiko der Sportpferde nicht als Gegenargument an. Der Anordnung des mindestens dreistündigen Bewegungsauslaufs der Pferde auf der Weide müsse der Pferdepensionsbetreiber und Pferdehalter Folge leisten. Dies ergebe sich bereits aus § 2 TierSchG, wonach die artgemäße Bewegung eines Pferdes nicht eingeschränkt werden darf. Das Gericht erkannte zutreffend, dass das tägliche Arbeiten der Pferde nicht dem natürlichen Bewegungsverhalten der Tiere entspricht und dieses nicht ersetzt. Die langen Strecken im Schritt, die ein Pferd in freier Wildbahn zurücklegt, sind notwendig, um Verspannungen zu lösen, und können nicht durch tägliches Training ersetzt werden. Diese Anforderungen gelten auch für Sportpferde. Der Weidegang soll neben der Bewegung auch die Frischluftzufuhr gewährleisten, Sozialkontakte ermöglichen und der Entspannung dienen. Auslauf auf der Weide ist nicht durch Freilauf in der Halle zu ersetzen, da die Weide dem natürlichen Aufenthaltsort entspricht. Durch den mangelnden freien Auslauf von A und C kam es bei den Pferden zu Verhaltensstörungen, wie dem Annagen der Boxenwände oder dem „Explodieren“ auf der Weide. Die Aussage des Pensionsbetreibers und Pferdehalters, dass die Pferde im Winter aufgrund der vereisten und morastigen Böden nicht auf die Weide kämen, konnte sein Verhalten nicht rechtfertigen. Durch die Bewegung der Pferde würde der Boden wieder weich, zum anderen können Pferde durchaus auf Morast stehen, wenn sie den Rest der Zeit auf sauberen und trockenen Untergründen stehen. Zudem sei es dem Pferdepensionsbetreiber möglich, die Pferde in einem anderen Stall unterzubringen, der über feste Auslaufflächen verfügt, wenn ihm das Verletzungsrisiko zu hoch sei. Wenn ein Umstellen der Pferde mit höheren Kosten verbunden gewesen wäre, hätte dieser finanzielle Mehraufwand dennoch den tierschutzrechtlichen Schutz der Pferde nicht überwogen.
Tipp von Anwalt für Pferderecht: Trotz der Leitlinien des BMEL sind immer die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Sollten Sie von Ihrem Veterinäramt einen Besuch bzw. Auflagen zur Pferdehaltung erhalten haben, zögern Sie nicht, sich frühzeitig anwaltlichen Rat einzuholen. Ein auf Pferderecht in Verbindung mit Tierrecht spezialisierter Anwalt kann ihnen nicht nur vor Gericht, sondern auch schon im Vorfeld zu einer gütlichen Einigung verhelfen. Gerne stehe ich Ihnen mit meinem Beraterteam deutschlandweit zur Verfügung.
Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Online-Portalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht. www.tierrecht-anwalt.de