Text: Andreas Ackenheil Foto: imago stock&people
Nach langer Suche hat man sein Traumpferd gefunden, der Kauf und dessen Abwicklung verliefen ohne Probleme, aber nach kurzer Zeit stellt sich heraus, dass man das Pferd viel zu teuer erworben hat. Angebot und Nachfrage, Liebhaberpreis oder schon überteuert? Darf der Kaufpreis eines Pferdes den Wert des Pferdes übersteigen?
Ein Reitstallbesitzer und Händler von Pferdetransportern besaß sechs Pferde, von denen er ein sechs Jahre altes deutsches Reitpferd per Kaufvertrag verkaufte. Der Käufer erwarb dieses Pferd für seine Tochter, die mit diesem Pferd an Reitturnieren teilnehmen wollte. Als Kaufpreis wurde für das Sportpferd 60.000 Euro festgelegt, wovon 40.000 Euro als Anzahlung direkt am selben Tag bezahlt wurden. Das Reitpferd befand sich auch nach dem Kauf weiterhin im Stall des Verkäufers, wo es von der Tochter des Käufers geritten wurde. Nur acht Tage nach dem Kauf stellte eine Tierärztin bei dem gekauften Pferd eine Lahmheit fest. Es fand daraufhin eine Begutachtung von einem weiteren unabhängigen Tierarzt statt, der an beiden Hinterbeinen des Turnierpferdes sogenannte „Gelenkchips“, eine geringe Sehnenscheidengalle und einen geringen Befall von Mauke feststellte.
Erkrankungen des Pferdes: Ist das Pferd weniger wert?
Ein Gelenkchip ist eine verkalkte Knorpelschuppe. Diese entsteht im Laufe der Entwicklung des Pferdes im Bereich der Gelenke. Innerhalb der ersten circa 1,5 Jahre wächst der Knorpel an. Wenn die Nährstoffe zum Versorgen des Knorpelwachstums nicht ausreichen, kommt es infolge einer Entwicklungsstörung zu einer Ablösung von einzelnen Schuppen des Knorpels auf der Gelenkfläche. Diese können später durch eine Verkalkung im Zuge einer Röntgenuntersuchung als kleine Knochenstücke leicht erkennbar sein. Diese Gelenkchips kommen aber bei etwa 20 bis 30 Prozent aller Pferde vor und sind selten ein Grund für eine Lahmheit. Je nach Größe der Chips sind sie entweder als unbedenklich oder etwas kritischer zu beurteilen. Eine Entfernung der Chips stellt zwar einen Routineeingriff dar, allerdings natürlich behaftet mit einem normalen Operationsrisiko. Bei einer Ankaufsuntersuchung können Gelenkchips auch zu einem niedrigeren Kaufpreis führen.
Die sogenannte Sehnenscheidengalle ist bei einem Pferd im Grunde genommen eine Folgereaktion von permanent gereizten Gelenken, die zu einer chronischen Entzündung anwachsen. Es wird im Zuge dessen zu viel Flüssigkeit produziert, welche sich ablagert und sich nach außen sichtbar in Form von Beulen äußert. Auch ein Gelenkchip kann Ursache einer Galle sein. Häufige Überanstrengung ist bei jungen Tieren manchmal ein Auslöser, weil sie der ständigen Belastung noch nicht gewachsen sind. Bei älteren Pferden kann eine unregelmäßig starke Beanspruchung oder Arbeit auf hartem Boden ursächlich sein. Neben den Gelenkchips können auch Knochensplitter oder Knorpelteilchen die Gelenkschleimhaut reizen, sodass Flüssigkeit produziert wird, die sich zu Gallen ablagert. Häufig sieht man die Gallen deutlich, es kann aber auch passieren, dass sie unter dem Haarkleid verborgen sind. Oftmals ist eine Operation unvermeidbar.
Mauke hingegen ist eine Hautkrankheit, welche durch Bakterien hervorgerufen wird. Hohe Luftfeuchtigkeit, falsche Fütterung oder auch ein geschwächtes Immunsystem kann zu einer Mauke führen. Die Haut ist an der befallenen Stelle leicht gerötet, dicker und warm. Es bildet sich eine Kruste, an deren Stelle die Haare ausfallen. Unbehandelt breitet sich die Entzündung mitunter auch auf die Beine des Pferdes aus. Die Beine des Pferdes schwellen schmerzhaft an, und es entwickelt sich eine Lahmheit, mitunter sogar eine Vergiftung. Die diagnostizierten Krankheiten des Turnierpferdes lagen zwar nach Feststellung des Tierarztes nur in geringer Ausprägung vor, sie könnten insgesamt jedoch zukünftig zu einer Lahmheit des Pferdes führen.
Im Großen und Ganzen war das Pferd zum Kaufzeitpunkt sporttauglich. Dem Käufer des Pferdes war diese ungewisse Zukunft jedoch zu risikoreich, sodass er aufgrund der entdeckten Krankheiten, die er als Mangel ansah, vom Verkäufer die Rückabwicklung des Pferdekaufs verlangte. Im Zuge dessen wollte er auch die Anzahlung in Höhe von 40.000 Euro zurück. Seiner Ansicht nach sei der vereinbarte Kaufpreis vollkommen überzogen gewesen. Aufgrund der festgestellten Erkrankungen sei das Pferd niemals so viel Geld wert gewesen. Im erstinstanzlichen Verfahren erklärte der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag und vorsorglich auch dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Die Tochter des Käufers und auch er selbst hatten dem Verkäufer deutlich gemacht, dass der Kauf von einer erfolgreichen Ankaufsuntersuchung abhängt, daher war zunächst auch nur eine Anzahlung geleistet worden. Im Zuge des Verfahrens stellte sich heraus, dass das Pferd am Hinterbein eine Narbe besaß. Die Tochter des Käufers kontaktierte hierauf die Erstverkäuferin des Pferdes. Diese teilte ihr u.a. mit, sie habe dem Verkäufer das Reitpferd für einen Kaufpreis von 4.700 Euro verkauft. Nach Ansicht der vorherigen Besitzerin des Pferdes habe das Pferd einen Verkehrswert von 5.000 bis 8.000 Euro. Das Pferd wurde damit wesentlich überteuert verkauft.
Was versteht man unter einem Verkehrswert?
Der Verkehrswert einer Sache wird durch den Preis bestimmt, der in diesem Zeitpunkt, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften gegeben ist. Bei einem Pferd sind dies beispielsweise das Alter, die Rasse, die Geeignetheit als Freizeit- oder Turnierpferd und die Erfolge. Der Verkäufer des Pferdes wurde seitens des Käufers mit dem überhöhten Kaufpreis konfrontiert. Er gab hierbei als Begründung für den höheren Preis an, sein Sohn habe das Pferd eingehend trainiert und einige Turniererfolge vorzuweisen, was zur Wertsteigerung des Pferdes beitrug.
Wie entschied das Landgericht?
Das Landgericht wies die Klage des Käufers ab. In seiner Begründung wies es darauf hin, dass der Kaufvertrag entgegen der vorgebrachten Argumente des Klägers nicht nach § 138 BGB als sittenwidriges Rechtsgeschäft anzusehen sei. Ein sittenwidriges Rechtsgeschäftist dann gegeben, wenn ein besonders grobes Missverhältnis zwischen der Leistung (hier dem Pferd) und der Gegenleistung (dem Kaufpreis) besteht. Hier sei die Behauptung des Pferdekäufers, dass das Pferd laut Vorbesitzerin lediglich 5.000 bis 8.000 Euro Wert sei, nicht belegbar. Dementsprechend läge auch keine arglistige Täuschung beim Kauf des Pferdes vor. Eine arglistige Täuschung hätte dann vorgelegen, wenn der Verkäufer vom Käufer im Wissen, dass das Pferd viel weniger Wert ist, einen derart überzogenen Kaufpreis verlangt hätte. Weiterhin konnte auch der Käufer nicht beweisen, dass der Kaufvertrag wirklich unter der Bedingung einer erfolgreichen Ankaufsuntersuchung geschlossen wurde. Zudem sei ein Rücktritt wegen Mängeln ausgeschlossen, da von den Parteien ein Gewährleistungsausschluss vereinbart worden sei. Das Gericht gab damit dem Verkäufer recht. Der Käufer des Pferdes konnte die Entscheidung des Landgerichts nicht akzeptieren und ging in die nächste Instanz vor das Oberlandesgericht. Er argumentierte, dass das Pferd zuvor für einen Kaufpreis von 4.700 Euro verkauft worden sei und die damalige Verkäuferin aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung auch fachlich in der Lage war, die wertbildenden Faktoren des Pferdes richtig zu werten. Der von ihr ehemals verlangte Kaufpreis stellte demnach einen angemessenen Kaufpreis dar, der dem realistischen Verkehrswert des Pferdes entsprach. Auch wenn der jetzige Verkäufer behaupte, er habe als Kaufpreis für das Pferd ehemals viel mehr bezahlt, nämlich 20.000 Euro, dann wäre dennoch der jetzige Kaufpreis von 60.000 Euro für das Pferd viel zu hoch angesetzt. Ein Kaufpreis, der den tatsächlichen Wert des Pferdes um ein Dreifaches übersteige, sei als sittenwidrig anzusehen, so die Meinung des Käufers. Dem hielt der Verkäufer entgegen, dass man auch beachten müsse, wie er das Pferd zwischenzeitlich trainiert habe, und damit auch das sogenannte Spekulationsinteresse von Bedeutung sei. Man müsse zudem berücksichtigen, dass er als Verkäufer das Pferd eigentlich überhaupt nicht habe verkaufen wollen. Da der Käufer aber nicht locker gelassen habe und unbedingt dieses Pferd habe kaufen wollen, habe er natürlich auch etwas mehr für das Pferd verlangt. Zudem verfüge er über keine Erfahrung bezüglich einer Kaufpreisbestimmung eines Pferdes. Er selbst sei schließlich kein Pferdehändler im eigentlichen Sinn.
Wie entschied das Oberlandesgericht Frankfurt?
Zunächst zog das Gericht einen Sachverständigen hinzu. Dieser beschäftigte sich eingehend und vollkommen unabhängig mit dem Wert des Reitpferds. Der Sachverständige setzte nach den eingangs festgestellten Kriterien den objektiven Wert des Pferdes auf 8.800 Euro fest. Nach seiner Auffassung hätte der Verkäufer sicherlich den Kaufpreis des Pferdes etwas höher ansetzen können, aber ein Pferd im Wert von 8.800 Euro zu einem Preis von 60.000 Euro zu verkaufen sei indes sehr fragwürdig. Dies übersteigt mehr als das Sechsfache des tatsächlichen Wertes des Pferdes, dahingehend war bei dem Verkauf des Pferdes ein sogenanntes sittenwidriges, wucherähnliches Geschäft gegeben, so die Richter des OLG.
Wann ist ein Kauf sittenwidrig oder wucherähnlich?
Nach § 138 BGB ist ein Rechtsgeschäft (hier: Kauf), das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Insbesondere ist ein sogenanntes wucherähnliches Rechtsgeschäft nichtig. Das ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofes dann der Fall, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung und Gegenleistung und eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten als weiteres, subjektives Element festgestellt werden kann. Hier liegt die Leistung des Verkäufers im Wert des Pferdes und damit bei 8.800 Euro, hingegen die Gegenleistung des Käufers im Kaufpreis in Höhe von 60.000 Euro. Diese erhebliche Diskrepanz in Höhe des sechsfachen Wertes des Pferdes liege förmlich auf der Hand. Die Rechtsprechung nimmt regelmäßig sogar schon beim doppelten Wert ein auffälliges Missverhältnis an. Die Richter des Oberlandesgerichts Frankfurt sahen in dem Kaufvertrag einen wucherähnlichen, sittenwidrigen Vertrag, der damit nichtig ist. Auch die Behauptung des Verkäufers, ihm habe zu einer konkreten Bestimmung des Verkehrswertes des Pferdes die fachliche Erfahrung gefehlt, half ihm nicht weiter. Die Richter bewerteten hierbei insbesondere, dass der Verkäufer während des gesamten Rechtsstreites seine besondere Kompetenz rund um die Beurteilung, Haltung und Ausbildung von Pferden betont hatte. Außerdem sei er früher selbst Springreiter gewesen.
Das Pferd war zu teuer: Was bedeutet das für Käufer und Verkäufer?
Nachdem festgestellt wurde, dass das Pferd viel zu teuer verkauft wurde und somit der Kauf nichtig war, wurde der Verkäufer verurteilt die angezahlten 40.000 Euro nebst Zinsen zurück an den Käufer zu zahlen. Damit der Traum vom eigenen Pferd kein Albtraum wird, sollte man zu einem Pferdekauf bestenfalls einen Pferdekundigen mitnehmen. Um so gut wie möglich vor teuren Überraschungen geschützt zu sein, sollte man immer auf einer tierärztlichen Ankaufuntersuchung des Pferdes bestehen. Zu der Ankaufsuntersuchung ist jedem Pferdekäufer anzuraten, auch eine Blutuntersuchung zum Zeitpunkt des Kaufes nehmen zu lassen. Essenziell ist es, eine erfolgreiche Ankaufsuntersuchung als Bedingung mit in den Vertrag aufzunehmen. Bitte verwenden Sie nicht blind Vertragskopien aus dem Internet, da ein Vertrag immer auf Ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnitten sein muss. Häufig beinhalten Vertragskopien aus dem Internet sogar rechtsunwirksame Regelungen.
Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Online-Portalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht. www.tierrecht-anwalt.de