Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt Foto: IMAGO/Frank Sorge
Klar, ein krankes Pferd wird man sicherlich dem Pferdeverkäufer zurückgeben können. Aber welche Verhaltensauffälligkeiten muss ein Käufer als charakterliche Eigenschaften des Pferdes hinnehmen? Einer der wichtigsten Anhaltspunkte stellt dabei die beim Kauf zwischen Verkäufer und Käufer getroffenen Vereinbarungen dar. Diese sollten unbedingt schriftlich festgehalten werden. Welche besonderen, für den Käufer oder Verkäufer wichtigen Eigenschaften das Pferd aufweisen sollte, wird im Kaufvertrag meist unter einem gesonderten Punkt „Beschaffenheitsvereinbarung“ festgehalten.
Die Beschaffenheit des Pferdes ist der zentrale Begriff für Sachmängel, welche die Grundlage der subjektiven Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien darstellt. Eine vom Gesetzgeber verfasste Definition gibt es dafür nicht. Für das Vorliegen eines Sachmangels kommt es deshalb allein darauf an, welche bestimmte Beschaffenheit des Pferdes von den Vertragsparteien vereinbart wurde. Vereinbart ist die Beschaffenheit, wenn der Inhalt des geschlossenen Kaufvertrags die Pflicht des Verkäufers bestimmt, die gekaufte Sache in einem bestimmten Zustand, mit einer bestimmten Eigenschaft zu übereignen. Beim Vorliegen eines Sachmangels ist der Käufer des Pferdes berechtigt, Gewährleistungsrechte wie Nacherfüllung, Rücktritt oder Minderung in Anspruch zu nehmen.
Ein aktueller Fall: Verhaltensstörung eines bockigen Pferdes – ein Rücktritt vom Kaufvertrag ist aufgrund der Beschaffenheitsvereinbarung möglich. Eine vereinbarte Beschaffenheit kann für den Verkäufer eines Pferdes weitreichende Folgen haben. Warum, zeigt der nachfolgende Streitfall, der vor dem Oberlandesgericht Oldenburg verhandelt worden ist.
Die Schilderung des Sachverhalts:
Es handelte sich bei der Klägerin um eine Dame, die im Alter von 58 Jahren anfing zu reiten. Aus Freude daran wollte sie sich ein eigenes Pferd zulegen. Sie schaute sich einige Pferde an und entschloss sich schließlich, dass das Pferd Comingo ihr Reitpferd werden sollte. Jedoch betonte sie ausdrücklich beim Verkäufer, dem hiesigen Beklagten, dass das Pferd für sie als Anfängerin geeignet sein solle, denn sie habe noch nicht viel Erfahrung. Es sollte ein umgängliches, leichtrittiges und lektionssicheres Lehrpferd sein. Nach drei Proberitten entschied sich die Käuferin für Comingo und erwarb ihn für 55.000 Euro.
Nach abgeschlossenem Pferdekauf traten bei Comingo eine Reihe von Problemen auf. Er ließ sich kaum handhaben, Longieren war ebenfalls schwer möglich, und wenn man auf ihn aufsteigen wollte, mussten andere Personen ihn festhalten. Daraufhin erklärte die Käuferin den Rücktritt vom Kaufvertrag beim Verkäufer, denn Comingo sei ihrer Ansicht nach von Mängeln behaftet. Sie habe mit dem Verkäufer ausgemacht, welche Eigenschaften das Pferd haben solle. Ihm sei klar gewesen, dass das Pferd ruhig und anfängersicher hätte sein müssen, und das sei vorliegend nicht der Fall. Der Verkäufer hingegen behauptete weiter, dass Comingo ein braves und überdies leicht zu handhabendes Pferd sei.
Wie entschied das Oberlandesgericht Oldenburg?
Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied zugunsten der Käuferin, sie könne vom Kaufvertrag zurücktreten, das Pferd Comingo zurückgeben und dafür den gezahlten Kaufpreis wieder erlangen. Das OLG Oldenburg kam zu diesem Entschluss, da unter anderem Zeugen bestätigen konnten, dass das Pferd äußerst misstrauisch war und sich in der Box nicht angreifen lassen hatte. Es sei unberechenbar und nervös gewesen. Zudem hat ein hinzugezogener Pferdesachverständiger bestätigt, dass Comingo Verhaltensauffälligkeiten zeige. Das Pferd ließe sich bei der Begutachtung, wenn überhaupt, nur unter großer Vorsicht longieren, es sei zudem ein sehr sensibles Pferd, für dessen Handhabung besondere Erfahrung wichtig und notwendig sei. Eine Geeignetheit für Anfänger konnte der Gutachter dabei mit Sicherheit ausschließen. Rückgabe des Pferdes trotz Proberitt?
Nach Ansicht des Gerichts hätte es für die Verhaltensstörung des Tieres nicht unbedingt Anzeichen während der Proberitte geben müssen, die einen Rücktritt wegen Mangels ausschließen würden. Deswegen konnte die Käuferin das Pferd trotz dreimaligen Proberittes aufgrund des Sachmangels zurückgeben. Weiterhin sei auch das Setzen einer Frist zur ordnungsgemäßen Erfüllung an den Verkäufer nicht nötig gewesen, denn eine Nacherfüllung sei hier nicht in Betracht gekommen.
Zum Fall:
Problematisch sind bei diesem Fall drei verschiedene Punkte.
Das (dreimalige) Probereiten: Aufgrund der Tatsache, dass die Käuferin Comingo drei Mal Probe geritten hat, taucht die Frage auf, ob dieses „Testen“ einen Rücktritt wegen Verhaltensmängeln rechtfertigt. Denn wenn ein Pferd drei Mal begutachtet wird und dabei auch reiterlich getestet wird, hätte einem grundsätzlich auffallen müssen, wenn mit seinem Verhalten etwas nicht stimmt, wie in Comingos Fall, der steigt und bockt. Kann also durch einen Proberitt ein Haftungsausschluss dahingehend vereinbart gewesen sein, dass Mängel, die infolge der Begutachtung hätten auffallen müssen, nicht gerügt werden können? Ein Mangel entfällt beispielsweise bei einer Kenntnis des Mangels. Vorliegend aber war Camingo während des Probereitens stets brav und zeigte keine verstörte Haltung. Grundsätzlich kann ein Haftungsausschluss in einem reinen Privatverkauf vereinbart werden, bei einem Verbrauchsgüterkauf, sprich zwischen einem Verbraucher auf Käuferseite und einem Unternehmer auf Verkäuferseite, gelten dabei engere gesetzliche Regeln. Aber auch solch ein Haftungsausschluss ist unwirksam, sofern der Verkäufer von dem Mangel wusste und dies arglistig, das heißt bewusst, verschwiegen hat. In Comingos Fall ist dessen Verhalten sogar von einem Sachverständigen untersucht worden, der sein Verhalten genauestens untersucht hat. Ein solches Verhalten entsteht nicht in kürzester Zeit, warum genau das Pferd beim Probereiten nicht derart reagierte, weiß man nicht. Es kann natürlich auch sein, dass es für diese Zeit unter medikamentöse Behandlung zur Beruhigung gesetzt wurde. Daher ist es auch immer wichtig, eine Ankaufsuntersuchung durchzuführen und dabei vor allem auch einen Bluttest vorzunehmen, denn beruhigende Mittel oder Schmerzmittel können hierdurch nachgewiesen werden. Das dreimalige Probereiten stellte jedenfalls keinen Haftungsausschluss dar.
Beschaffenheitsvereinbarung: Im Rahmen der Prüfung, ob ein Rücktritt besteht, muss geprüft werden, ob ein Mangel vorliegt. Ein Mangel liegt einer Variante nach vor, wenn die Sache nicht die vereinbarte Beschaffenheit besitzt. Als Beschaffenheit können dabei seitens des Verkäufers und des Käufers allerhand Merkmale festgelegt werden. Aber dabei sollte zumindest dem Verkäufer klar sein, dass das Pferd in diesem Falle auch diese Beschaffenheit aufweisen sollte. Die Beschaffenheit als „Anfängerpferd“ wurde hier nicht ausdrücklich festgelegt. Jedoch umschrieb die Käuferin ihre Situation ganz genau und machte dem Verkäufer klar, was für eine Art Pferd sie suche. Auch der Verkäufer titulierte Comingo als brav und besonders leicht zu handhaben, demnach war ihm offensichtlich klar, auf was für Merkmale die Käuferin Wert legte. Mit pauschalen Vereinbarungen der Beschaffenheit, wie zum Beispiel „für Kinder reitbar“ oder „für Anfänger geeignet“ sollte aber auch von Seiten der Verkäufer sehr vorsichtig umgegangen werden. Denn Pferde sind Lebewesen und in diesem Zuge teilweise unberechenbar. Soweit das Pferd dann nicht ganz den Vorstellungen des Käufers entspricht, kann es unter Umständen zurückgegeben werden. Im Falle von Camingo war die Abweichung aber erheblich. Der Käuferin blieb keine andere Möglichkeit, als es zurückzugeben, denn wie der Sachverständige auch bestätigte, war es für einen Anfänger unmöglich, das Pferd zu händeln. Eine Beschaffenheitsvereinbarung kann sowohl im Vertrag als auch mündlich festgehalten werden. Zu empfehlen ist aber aufgrund der Beweisfunktion ein Festhalten der Beschaffenheitsvereinbarung im Vertrag. Wenn sie mündlich getroffen wird, ist es sinnvoll, Zeugen dabei zu haben. Ist eine solche Beschaffenheit vereinbart, kann vom Kaufvertrag, soweit sich diese Beschaffenheit als nicht vorhanden herausstellt, zurückgetreten werden, wenn eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt wurde, womit wir beim nächsten Problempunkt des Falles wären.
Setzen einer Frist zur Nacherfüllung: Soweit ein Sachmangel vorhanden ist und, wie vorliegend, die vereinbarte Beschaffenheit nicht existent ist, kann grundsätzlich nur vom Vertrag zurückgetreten oder gemindert werden, wenn eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden ist und diese Nacherfüllung verweigert wurde, unmöglich war oder fehlgeschlagen ist. Die Nacherfüllung ist ein Konstrukt, das es den Parteien eines Kaufes einfacher machen soll. Es ist das Recht zur zweiten Andienung für den Verkäufer. Sobald er eine mangelhafte Sache geliefert hat, soll er, bevor er alles rückabwickeln muss, ein Recht haben, noch mal richtig und mangelfrei zu erfüllen. Das kann im Rahmen der Nachbesserung erfolgen, das heißt, dass der Mangel behoben wird. Eine Nachbesserung ist aber nur möglich, wenn der Mangel auch irgendwie zu beheben ist. Nehmen wir an, das Pferd hat einen Gelenkchip, welcher operativ entfernt werden kann und es nicht weiter beeinträchtigt. Dann könnte der Käufer vom Verkäufer verlangen, dass er diese Operation auf seine Kosten noch durchführen lässt, soweit die Kosten nicht unzumutbar für den Verkäufer sind, weil sie den Wert des Pferdes übersteigen.
Fragen könnte man hier, ob es nicht möglich ist, Comingo zu „heilen“, indem man ihn einem Pferdetrainer übergibt und mit ihm arbeitet, sodass sein Verhalten sich beruhigt. Zu beachten ist dabei aber, dass diese Prozedur zum einen sehr lange dauern kann und es zum anderen auch in den Sternen steht, ob das Training erfolgreich ist und Comingo ein ruhiges Anfängerpferd wird. Bei einer so langen Wartezeit und vor allem vor dem Hintergrund, dass eine positive Wandlung nicht feststeht, ist es der Käuferin nicht zuzumuten, sich darauf einlassen zu müssen. Sie hat erst angefangen zu reiten und möchte sich ihren eigenen Traum vom Pferd jetzt verwirklichen. Das Recht zur zweiten Andienung soll dem Verkäufer zwar entgegenkommen, dem Käufer jedoch nicht den Rücktritt oder eine Minderung unendlich schwer machen oder ihn mit viel Aufwand belasten. Daher ist es bei einem Fall von schweren Verhaltensstörungen eher schwer, eine Nachbesserung vorzunehmen.
Die Nacherfüllung kann aber auch durch die Nachlieferung vollzogen werden. Eine Nachlieferung wäre dabei die Lieferung eines gleichwertigen Pferdes im Tausch zum mangelhaften Pferd. Allerdings handelt es sich, wie bereits gesagt, bei Pferden um Lebewesen. Die Käufer eines Tieres erwerben es wegen unterschiedlichster Faktoren. Der Kauf ist meist eine emotionale Entscheidung, und im Laufe der Zeit entwickelt sich eine emotionale Bindung. Daher ist es zumeist unmöglich, ein „vergleichbares“ Pferd zum Tausch zu finden. Deshalb wird eine Nachlieferung meist unmöglich sein. Es sei denn, die Käufer erwarben das Pferd nur anhand von objektiven Gesichtspunkten, etwa dass es bestimmte Fähigkeiten hat oder eine bestimmte Turnierklasse reiten kann.
Im Fall von Comingo war die Wahl auf dieses eine Pferd gefallen, die Käuferin wollte explizit ihn haben. Sie hat sich Comingo als ihr Pferd individualisiert ausgesucht, und daher ist eine Nachlieferung nicht möglich, da ihre Wahl auf genau ein Pferd gefallen ist und nicht nur anhand objektiver Gesichtspunkte rational von ihr ausgesucht wurde.
Deshalb wurde vom Oberlandesgericht Oldenburg auch angenommen, dass die Käuferin keine Frist zur Nacherfüllung setzen musste. Denn wenn die Nacherfüllung unmöglich ist, muss keine Frist gesetzt werden, es kann direkt zurückgetreten werden. Aufgrund der erläuterten Fakten bezüglich der Nacherfüllung handelte die Käuferin richtig und trat direkt vom Vertrag zurück.
UNSER EXPERTE: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferde-recht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Onlineportalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht. www.tierrecht-anwalt.de