Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt Foto: imago stock&people
Fast jeder Pferdehalter war mit seinem Tier bereits einmal beim Tierarzt zur Behandlung. Ob reiner Gesundheitscheck oder Vorsorgebehandlung, Ankaufsuntersuchung oder akute Notbehandlung, der Tierarzt schuldet über den mit dem Patientenbesitzer geschlossenen Behandlungsvertrag eine fachgerechte Behandlung des Pferdes und haftet im Zweifelsfalle für aufgetretene Behandlungs-, Diagnose- sowie Aufklärungsfehler. Ihn treffen insbesondere Aufklärungs- und Beratungspflichten.
Das Oberlandesgericht Hamm entschied im Jahr 2014 in einem Fall, dass Tierärzte gerade bei risikoreichen Behandlungen eines Pferdes und einhergehendem erheblichen finanziellen Interesse des Pferdehalters über die Risiken einer tierärztlichen Behandlung und über mögliche Behandlungsalternativen aufklären müssen. Verstößt der Tierarzt gegen diese Pflicht, ist er dem Pferdehalter gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet.
Der Fall
Pferdehalter aus dem dänischen Herningen besaßen ein im Jahr 1999 geborenes wertvolles Dressurpferd. Dieses hatten sie im Jahre 2006 für ca. 300.000 Euro gekauft. Während eines Turnieres in den Niederlanden fiel das Pferd im Mai 2008 durch fehlenden Schwung und Elastizität auf. Sie konsultierten daraufhin einen Tierarzt aus Bochum, der nach einer eingehenden Röntgenuntersuchung eine Ataxie (Störung der Bewegungskoordination und der Körperhaltung) vermutete. Er empfahl eine chiropraktische Behandlung, welcher die Pferdehalter telefonisch auch zustimmten. Das Pferd wurde daraufhin in der Praxis des beklagten Tierarztes in Kurznarkose versetzt. Nach Durchführung der Behandlung konnte das Pferd nicht mehr selbstständig aufstehen und verstarb einen Tag später. Die Pferdehalter verklagten nun den Tierarzt und waren der Meinung, er habe ihr Pferd unzureichend untersucht und falsch behandelt. Zudem habe er sie nicht über Behandlungsrisiken und -alternativen aufgeklärt, weshalb sie für den Verlust des Dressurpferdes Schadensersatz in Höhe von 500.000 Euro verlangten.
Das Urteil
Der 26. Zivilsenat des OLG Hamm entschied, dass den Klägern Schadensersatz zustehe, und hat damit das Grundurteil des Landgerichts Bochum bestätigt, so dass nunmehr die konkrete Schadenshöhe in dem vor dem Landgericht Bochum fortzusetzenden Zivilprozess zu klären sein wird. Die Richter sind der Auffassung, der Tierarzt hafte aufgrund eines Aufklärungsfehlers. Zwar bestehen für einen Tierarzt nicht dieselben Aufklärungs- und Beratungspflichten wie für einen Humanmediziner. Der Tierarzt müsse die Patientenbesitzer jedoch über die Art der Behandlung, über mögliche Risiken und über die Erfolgsaussichten aufklären. Kommt er diesen Pflichten nicht nach, macht er sich schadensersatzpflichtig. Diese Aufklärungspflicht gelte immer bei besonders risikoreichen Behandlungen oder auch bei einem erheblichen finanziellen Interesse der Tierhalter. Der Tierarzt hat es nach Ansicht der Richter versäumt, die Pferdehalter über die Risiken bei einer Vollnarkose aufzuklären und alternative Behandlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Nach der Darstellung des tiermedizinischen Sachverständigen sei eine Vollnarkose bei einem ataktischen Pferd mit besonderen Risiken verbunden, weil die Tiere beim Aufstehen besondere Koordinierungsschwierigkeiten hätten. Darüber hinaus habe es andere Behandlungsmöglichkeiten in Form einer operativen, medikamentösen oder chiropraktischen Behandlung am stehenden Pferd gegeben, auf die die Pferdehalter hätten hingewiesen werden müssen. Es sei Sache der Eigentümer gewesen, sich zwischen einer schnelleren, risikobehafteten Behandlung mittels eines unter Narkose ausgeführten chiropraktischen Eingriffs und einer länger dauernden, dafür aber risikoloseren Behandlung, z. B. mittels Medikamenten, zu entscheiden. Es sei auch nicht festzustellen, dass die Pferdehalter bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die vom Tierarzt durchgeführte Behandlung eingewilligt hätten, zumal sie angaben, sie hätten in diesem Fall zunächst einen Tierarzt ihres Vertrauens in Dänemark konsultiert und seien vor der Behandlung durch den Bochumer Tierarzt von einer eher kleineren gesundheitlichen Beeinträchtigung bei dem Pferd ausgegangen. Das Landgericht Bochum muss über die Höhe des Schadensersatzes entscheiden.
UNSER EXPERTE: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Onlineportalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht. www.tierrecht-anwalt.de