Text: Andreas Ackenheil     Foto: imago stock&people

Nicht nur viele kleine Mädchen träumen vom eigenen Pferd, auch Erwachsene teilen den Traum und können ihn sich trotz der hohen Kosten für die Pferdehaltung vielleicht auch erfüllen. Ein Pferd kostet viele Tausend Euro in der Anschaffung und im Unterhalt. Die Deutschen sind bekannt für ihre große Tierliebe. Die Schar der „Pferdeverrückten“ wächst stetig – hierzulande werden über eine Million Pferde gehalten. Der Wirtschaftssektor Rund um das Pferd, mit einem Gewinn von mehreren Milliarden Euro pro Jahr, bietet umfangreiche und maßgeschneiderte Dienstleistungen und Beratung. Rund um das Pferd und die Pferdehaltung haben sich gänzlich neue Berufsgruppen entwickelt. So kommt es nicht von ungefähr, dass sich im Hinblick auf Pferd und Reiter auch ein erhöhter Bedarf an rechtlicher Beratung gebildet hat. Über die letzten Jahrzehnte hinweg hat sich nun ein allgemein gebräuchlicher Begriff des Rechtsgebietes rund um das Pferd entwickelt: das Pferderecht.

Pferderecht – was ist das eigentlich?

Das Pferderecht ist kein eigenständiges Rechtsgebiet und wird auch nicht an Universitäten gelehrt. Das Pferderecht umfasst sämtliche Angelegenheiten, die Berührungspunkte mit dem Lebewesen Pferd haben. Beim Pferderecht handelt es sich daher nicht um ein klassisches juristisches Rechtsgebiet, sondern vielmehr um ein vielseitiges und breit gefächertes Spezialrechtsgebiet. Bei über einer Million Pferden in Deutschland hat das Pferderecht an Bedeutung gewonnen und es werden entsprechende Experten benötigt, die sowohl das nötige Fachwissen, als auch die juristischen Fähigkeiten besitzen. Das Pferderecht erstreckt sich über die verschiedensten Rechtsgebiete wie Zivilrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht, Verkehrsrecht, Tierschutzrecht etc. Der Begriff des „Rosstäuschers“ (ein betrügerischer Händler)  findet seinen Ursprung im Pferderecht, und zwar in Bezug auf Betrugsfälle beim Pferdekauf. Zudem finden beim Kauf eines Pferdes dieselben Vorschriften wie beim Gebrauchtwagenkauf Anwendung. Es fallen jedoch auch andere Streitigkeiten unter das Rechtsgebiet des Pferderechtsanwalt, zum Beispiel Mängel beim Kauf, Schadensersatzforderungen bei Unfällen mit Pferden oder Einstellerverträgen und Tierarzthaftung sowie vereinsrechtliche Fragen. Der Pferderechtsanwalt vertritt daher neben dem einfachen Pferdehalter und Reiter alle Unternehmen und Berufe der Pferdebranche, vom Pensionsstallbetreiber, Reitlehrer über den Pferdehändler bis zum Hufschmied oder Tierarzt. Auch im Bereich der Produktentwicklung für Pferde werden Anwälte benötigt, die Unternehmen beraten und vertreten.

Was ist so besonders am Pferderecht?

Bis 2002 richteten sich die Rechtsproblematiken rund um das Pferd nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches und der Kaiserlichen Viehordnung aus dem Jahr 1899. Nachdem das Viehkaufrecht mit der Schuldrechtsmodernisierung aus dem Jahr 2002 ersatzlos gestrichen wurde,  finden die Vorschriften über Kaufverträge bei beweglichen Sachen Anwendung. Zwar sind gemäß § 90 a BGB Tiere keine Sachen, jedoch werden für Tiere dieselben Vorschriften angewendet. Es ist offensichtlich, dass durch diese rechtliche Gleichstellung Probleme entstehen müssen. Ein Auto verändert nicht plötzlich seine technischen Eigenschaften, jedoch kann sich der Zustand eines Lebewesens von einem auf den anderen Tag ohne ersichtlichen Grund verschlechtern. Daher erscheint es auch für juristische Laien kurios, wenn der Pferdekauf mit dem Gebrauchtwagenkauf verglichen wird. Gerade im Bereich des Gewährleistungsrechts führt dies zu teilweise unverständlichen rechtlichen Konsequenzen, weil die Rechtsprechung vor absurden Problemen steht. Für den Pferderechtsanwalt ist es daher von Bedeutung, mit allen Gebieten rund um das Pferd betraut zu sein. Neben tiermedizinischen Fragen kommen auch Probleme im Bereich der Pferdeausbildung, der Haltung, der Zucht oder des Turniersports auf. Hinzu kommt, dass der Kauf eines Pferdes immer auch mit Emotionen des Reiters zum Tier verbunden ist, weshalb nicht jede Gerichtsentscheidung auf jeden beliebigen Fall übertragbar ist, sodass oftmals für den Einzelfall entschieden werden muss.

Was sind die häufigsten Problemfelder eines auf Pferderecht spezialisierten Anwalts?

Die Schwierigkeiten im Pferderecht sind sehr vielschichtig, daher gibt es einige Probleme und rechtliche Fragen, mit denen sich die Betroffenen auseinandersetzen müssen. Züchter, Pensionsstallbetreiber, Trainer, Sport- oder Freizeitreiter bilden einen großen Wirtschaftszweig rund um das Pferd, sodass auch die Problemfelder weitreichend sein können. Auch Nichtreiter können mit dem Pferderecht in Berührung kommen. Nämlich dann, wenn ein Pferd einen Schaden anrichtet, sei es durch einen Verkaufsunfall oder den Tritt eines Besuchers im Reitstall. Um einen Einblick in die Problemfelder zu schaffen, haben wir die häufigsten Problemfälle für Sie herausgesucht.

Verträge

Der Pferderechtsanwalt beschäftigt sich mit vielen Verträgen rund um das Pferd und dessen Unterhalt. Der Anwalt erstellt und prüft unter anderem Pferdekaufverträge, Einstellerverträge oder Beritt- und Kommissionsverträge. Hierbei können Streitigkeiten auftreten, wenn beim Kauf Krankheiten verschwiegen wurden und das Pferd aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr reitbar ist oder nicht die Eigenschaften und Voraussetzungen mitbringt, die vorab vereinbart wurden. Auch fehlerhafte Ankaufsuntersuchungen stehen in Zusammenhang mit Pferdekäufen. Der Pferderechtsanwalt beschäftigt sich in diesen Fällen mit den Rechten, Pflichten und Ansprüchen des Käufers und des Verkäufers. Auch im Pensionsstall kann es zu Streitigkeiten kommen, wenn der Einsteller die Kündigung erhält oder Pflichtverletzungen begeht. Dies können Fälle sein, in denen ein Pferd falsch gefüttert wird und eine Kolik erleidet, ein Hengst mit Stuten auf die Koppel gebracht wird und es zu einem ungewollten Deckakt kommt oder das Pferd aufgrund einer Verletzung Boxenruhe hat und trotzdem auf die Weide gestellt wird und sich eine Verletzung verschlimmert.

Verstöße gegen das Tierschutzgesetz

Das Wohl des Pferdes hat oberste Priorität. Das Tierschutzrecht umfasst Tierschutzfragen und wurde erlassen, um Pferde und andere Tiere vor Missbrauch durch Menschen zu schützen. Wird das Veterinäramt aufmerksam auf Missstände in der Pferdehaltung oder auf qualvolle Trainingsmethoden, beschäftigt sich der Pferderechtsanwalt mit dem Tierschutzgesetz und den geltenden Leitlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Gerade bei Sperren im Spitzensport oder Dopingfällen wird das Tierschutzrecht relevant, aber auch bei der Pferdehaltung im Offenstall, wenn die Pferde auf verschlammten Untergründen stehen oder den Pferden kein Trinkwasser zur Verfügung steht. Haltungsmethoden gegen den natürlichen Instinkt des Pferdes, wie Einzelhaltung oder Haltung auf engstem Raum, gehören zu den Streitfällen, mit denen sich der Anwalt befasst.

Sachmängelhaftung und Gewährleistungsansprüche

Der Pferdekauf ist ein Risikogeschäft, denn trotz Proberitten, Besichtigungen, Ankaufsuntersuchungen und Blutproben kann das Pferd nach dem Kauf krank und somit seine Tauglichkeit für den Sport oder die Zucht ausgeschlossen sein. Maßgebend sind Fälle, in denen das Pferd an Kissing Spines oder chronischen Entzündungen in den Gelenken leidet oder das Pferd einen Gendefekt aufweist, der das Aus für die Zucht bedeutet. Auch Täuschungen beim Pferdekauf kommen immer wieder vor. Nicht selten hört man von „gesund gespritzten“ oder ruhiggestellten Pferden. Da gerade im Turniersport die Pferde sehr hochpreisig sind, kann die Streitsumme schnell im Bereich eines Einfamilienhauses und weit darüber hinaus liegen, sodass die Streitigkeiten außergerichtlich kaum lösbar sind. Der Pferderechtsanwalt unterstützt Käufer oder Verkäufer bei der Durchsetzung der Ansprüche bzw. der Abwehr der gegen sie gerichteten Forderungen.

Schadensersatzansprüche und der Umgang mit Versicherungen

Da der Umgang mit Pferden nicht immer ungefährlich ist, kommt es hin und wieder auch zu Unfällen beim Reiten auf dem Turnier, beim Transport oder mit Dritten, die mit dem Pferd umgehen. Verunfallt die Reitbeteiligung mit dem Pferd im Gelände und verursacht das Pferd daraufhin in Panik einen Verkehrsunfall, kann der Schaden sehr hoch sein und es stellt sich die Frage, wer dafür aufkommen muss. Wenn sich z. B. eine Stallkollegin um das Pferd einer Bekannten kümmert, während diese im Urlaub ist, und das Pferd diese schwer verletzt, sodass sie bleibende Schäden erleidet und arbeitsunfähig wird, so kommen neben Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen auch verschiedene Versicherungen ins Spiel.

Haftung

Sehr relevant im Gebiet des Pferderechts ist die Tierarzthaftung bei Behandlungsfehlern und fehlerhaften Gutachten sowie die Tierhalterhaftung bei Reitunfällen der Reitbeteiligung durch Scheuen oder Steigen des Pferdes. Relevant werden hierbei Behandlungsfehler des Tierarztes, die zu Beeinträchtigungen des Pferdes als Reit- oder Zuchttier führen. Dies sind zum Beispiel Operationen, bei denen das Pferd aufgrund eines Behandlungsfehlers verstirbt oder bleibende Schäden davonträgt. Auch ein Hufschmied, der das Pferd „vernagelt“, kann für den Schaden haftbar gemacht werden und muss für die Tierarztkosten aufkommen. Problematisch sind auch Fälle der Tierhalterhaftung, beispielsweise wenn das Pferd einen Stallkollegen tritt, auf der Koppel andere Weidepartner verletzt oder auf der Stallgasse Schäden verursacht. Auch in Reitschulen oder Reitvereinen geschehen oft Unfälle. Sind Kinder involviert, wird schnell die Frage der Aufsichtspflicht bedeutsam. In Reitvereinen stehen Anwälte immer wieder vor Haftungsfragen, wenn beim Helfereinsatz auf dem Vereinsgelände Minderjährige verunfallen oder beim Vereinsturnier Zuschauer verletzt werden.

Fazit

Das Pferderecht ist durch sein breites Spektrum und seine vielfältigen und individuellen Fälle ein sehr bedeutendes Spezialgebiet geworden. Der Umgang, die Haltung eines Pferdes und der Reitsport sind mit sehr viel Verantwortung und Gefahren verbunden, weshalb es unerwartet zu Unfällen kommen kann. Da das Pferd als Fluchttier unberechenbar reagieren kann, können Schäden auch verhältnismäßig hoch ausfallen. Der Pferderechtsanwalt beschäftigt sich daher mit vielen Rechtsproblematiken aus den verschiedensten Teilbereichen des deutschen und internationalen Rechts, was seine Arbeit vielseitig und spannend macht.

 

Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Online-Portalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht. www.tierrecht-anwalt.de

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