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In nur 17 Monaten gewann der Fuchshengst Eclipse jedes Rennen mit so großem Abstand, dass keiner mehr gegen ihn antreten wollte und keine Wettgewinne mehr möglich waren. Er wurde in die Zucht verbannt – und zu einem der Stammväter der Englischen Vollblutrasse
Es sollte mehr als 200 Jahre dauern, bis das Geheimnis um das schnellste Rennpferd aller Zeiten gelüftet wurde. Erst 2004 fanden Wissenschaftler des Royal Veterinary College in London heraus, warum Eclipse in seiner kurzen Rennkarriere bereits bei seinem ersten Rennen mit mehr als 100 Metern Vorsprung gewann: Seine Beine waren absoluter Durchschnitt. Was verblüffend klingt, ist in der Pferdewelt anscheinend das Erfolgsrezept. Anhand eines Computermodells stellten die Forscher fest, dass seine Statur genau in der Mitte der normalen Bandbreite lag und seine Beine exakt der Durchschnittslänge entsprachen. Kann das tatsächlich sein?
Trotz dieses eher nüchternen Ergebnisses bleibt Eclipse ein Phänomen. Es gilt als gesichert, dass der Hengst am 1. April 1764 geboren wurde – am Tag einer totalen Sonnenfinsternis, die ihm seinen lateinisch- englischen Namen gab. Es war ein direkter Nachfahre von Godolphin Arabian, einem der drei Gründerväter der Englischen Vollblutrasse. Der Herzog von Cumberland, Sohn von König George II., züchtete das Ausnahmetalent. Nach dessen Tod im Jahr 1765 wurde Eclipse bei einer Auktion an William Wildman verkauft. Dieser hatte, wie es hieß, allerdings Schwierigkeiten mit dem Charakter des Tieres: Eclipse soll störrisch, reizbar und ungestüm gewesen sein und wäre deswegen beinahe kastriert worden. Er tat es nicht und trainierte ihn stattdessen für Pferderennen, da zu den positiven Eigenschaften von Eclipse Stärke, Schnelligkeit und Ehrgeiz zählten.
Am 3. Mai 1769 nahm der Hengst fünfjährig zum ersten Mal in Epsom an einem 6.400-Meter-Rennen teil. Er gewann so deutlich, dass die anderen Pferde wegen zu großem Abstand zum Sieger disqualifiziert wurden. Kurze Zeit später kaufte der irische Abenteurer Colonel Dennis O’Kelly das Pferd, und Wildman wurde ein reicher Mann. Es folgte eine nur 17 Monate dauernde Blitzkarriere mit insgesamt 18 Rennen, die Eclipse allesamt haushoch gewann. Er stellte unfassbare Rekorde auf, siegte bei sieben Rennen im Alleingang – sogenannte „walk overs“ –, sodass im Jahr 1771 niemand mehr gegen ihn antreten wollte.
Fast immer lautete der vernichtende Richterspruch: „Eclipse the first, the rest nowhere.“ Es hatte also noch kein Gegner den Distanzpfosten etwa 240 Yards vom Ziel entfernt erreicht, als Eclipse bereits über die Ziellinie gelaufen war.
Das führte dazu, dass alle anderen Pferde automatisch unter „ferner liefen“ rangierten; nicht einmal die Platzierung wurde festgehalten. Die Folgen für Pferdewetten waren katastrophal: Da Eclipse immer mit hundertprozentiger Sicherheit siegte, ließ sich mit ihm auch kein Wettgewinn erzielen – und mit den anderen Pferden erst recht nicht.
Das Ende vom Lied: Eclipse durfte nicht mehr starten und wurde fortan in der Zucht eingesetzt, wo er in den folgenden 19 Jahren eine der wichtigsten Hengstlinien der Englischen Vollblutrasse begründete. Fast 95 Prozent der heutigen Vollblüter können direkt auf ihn zurückgeführt werden, mehr als 300 Gewinner gehen auf sein Konto. Man sagt: „Ein Pferd mit Eclipse im Blut ist schon ein Champion.“ O’Kelly spielte allein über die Decktaxen eine Rekordsumme von 30.000 Pfund ein. Am 27. Februar 1789 starb Eclipse mit 25 Jahren an den Folgen einer Kolik. Bei seiner Obduktion wurde ein außergewöhnlich großes Herz mit 6,5 Kilogramm Gewicht entdeckt und mit seinen Siegen in Verbindung gebracht.