Text: Gloria Alter     Foto: www.Slawik.com

Der Reiter formt das Pferd, sagt man. Wer bei einem ängstlichen Pferd Gelassenheit ausstrahlt und eine klare und gute Körpersprache hat, der verhilft auch seinem Vierbeiner zu mehr Ruhe. Bis zu welchem Punkt aber passen sich Pferde an ihren Menschen an? Expertinnen aus der Verhaltensforschung und Fallbeispiele von Pferdeausbildern bringen Licht ins Dunkle

Im Dezember erlebte das Publikum in der Frankfurter Festhalle eine wahrhaft magische Vorstellung. Ein Pferd- Reiter-Paar in völliger Harmonie strahlt von innen heraus, als es eine Kür mit den schwierigsten Lektionen absolviert, die der Dressursport zu bieten hat: Dorothee Schneider und Showtime FRH. Die Reitmeistern verabschiedet ihren Hannoveraner Wallach in der lila geschmückten Festhalle aus dem Sport. Eine besondere Partnerschaft endet – wenn auch nur auf der sportlichen Bühne. Die Partnerschaft ist ein Paradebeispiel dafür, was aus einem Pferd werden kann, wenn es ideal gefordert und gefördert wird, und zwar nicht nur körperlich, sondern vor allem was die Persönlichkeit angeht. Dorothee Schneider schreibt über ihren “Showi” in den sozialen Medien: „Lange Zeit war er der schmale, unscheinbare Showtime, der sein Licht anfangs oft unter den Scheffel stellte.” Doch mit viel Gefühl und der nötigen Konsequenz schaffte es die Reitmeisterin, das zu ändern. Von da an regnete es Medaillen für das Paar. Mannschaftsgold bei den Olympischen Spielen in Rio und Tokio, Gold mit dem Team auch bei der Euro in Rotterdam 2019. Dazu dort Silber in Grand Prix Special und in der Kür – mit über 90 Prozent. Und schließlich wurden sie auch noch Deutscher Meister 2022.

„Etwas schüchtern und introvertiert versteckte er sich oft hinter mir, obwohl ich ja auch selbst eher mit diesen Charakterzügen ausgestattet bin. (…) Showtime ist heute nicht mehr schüchtern, sondern ein strahlender Prinz, dessen Vertrauen und Selbstbewusstsein im Viereck und auch Zuhause beeindruckend gewachsen sind”, berichtet die Dressurausbilderin. Showtime ist vom schüchternen Bub zum selbstbewussten Tänzer geworden – können sich Pferde in ihrem Verhalten durch den Umgang mit dem Menschen derart wandeln?

Zunächst scheinen Pferde, wie auch Menschen, ein bestimmtes Temperament zu haben, das gefestigt ist. Von Geburt an spielen hierfür viele Faktoren eine Rolle: der Rang der Mutterstute in der Herde, die Erfahrung mit Rangeleien unter Gleichaltrigen, in denen sich das Jungpferd beweisen muss, die körperliche Konstitution, die durch Haltung und Fütterung bedingt ist, Hormone usw. „Das Temperament ist abhängig von hormonellen Bedingungen sowie Umweltfaktoren. Wenn wir uns Hengste und Wallache angucken, sind erstere grundsätzlich schneller zu erregen als Wallache”, erklärt Dr. Willa Bohnet, die als Verhaltensforscherin und akademische Rätin an der Tierärztlichen Hochschule Hannover tätig ist. Darüber hinaus existieren bereits erste Forschungsansätze zu genetisch bedingten Charaktereigenschaften von domestizierten Hauspferden. Eine 2023 veröffentlichte Studie mit Jungpferden, die sich vor Regenschirmen, Planen und dergleichen stark erschrecken und sogar durchgehen im Gegensatz zu solchen Tieren, die neugierig auf unbekannte Objekte zusteuern und an ihnen schnuppern, lässt Wissenschaftler für Pferdegenetik von der Universität von Florida vermuten, dass es durchaus genetisch angelegte Persönlichkeitseigenschaften bei Pferden geben könnte.

74 Jungpferde nahmen an der Studie teil. Im Durchschnitt waren sie 256 Tage alt. Jedes Pferd wurde mit einem Herzfrequenzmesser ausgestattet und sollte sich einzeln und frei in einem Roundpen bewegen. Eine Person außerhalb des Roundpens spannte dann im Sichtfeld des Tieres einen Regenschirm auf. Anhand der Herzfrequenzdaten konnten die Forscher mit der Untersuchung die Pferde in zwei Gruppen aufteilen. Während die einen erschraken und lange Zeit in diesem angespannten Zustand blieben, den Regenschirm anstarrten und vor ihm flüchteten, sah es bei den anderen Pferden ganz anders aus. Zwar erschraken sich diese Pferde ebenfalls. Allerdings fanden sie auch schnell wieder zur Ruhe und machten mit dem Programm weiter, was sie vor dem Entdecken des Regenschirms absolviert hatten. Ein nächster Schritt in diesem Forschungsbereich soll nun sein, zu untersuchen, welche genetischen Komponenten es sein könnten, die Einfluss auf diese Reaktionen haben.

Den kompletten Artikel finden Sie in der neuen Mein Pferd- Ausgabe.

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