Interviewt: Inga Dora Schwarzer         Foto: skumer – stock.adobe.com

Mit Richternoten wird bewertet, ob Reiter und Pferd auf dem richtigen Weg der Ausbildung sind, die in erster Linie pferdeschonend gestaltet werden soll. Subjektiv entsteht hier oft der Eindruck, dass die gleiche Lektion von dem einen Richter anders bewertet wird als von dem anderen. Wie das sein kann, erklärt Tanja Münch, Trainerin A und Richterin bis Klasse L in unserem Interview.

Mein Pferd: Ist Richten immer fair?

Tanja Münch: Richten ist immer ein Stück weit subjektiv. Jeder bewertet auf Basis seiner reiterlichen Erfahrungen (etwa in der Ausbildung von Pferd und Reiter sowie aus jahrelanger Richtertätigkeit). So kann es sein, dass Ritte unterschiedlich gesehen und bewertet werden.

Mein Pferd: Inwieweit beeinflussen Wertnoten die korrekte Ausbildung?

Tanja Münch: Mit den Noten beeinflussen wir die Ausbildung in eine bestimmte Richtung. Wenn strampelnde Pferde, die im Rücken festgehalten sind, im starken Trab kaum übertreten, hohe Noten bekommen, ist das für mich nicht der korrekte Weg. Wir können die Richtung als Sachverständige beeinflussen, können auch Ausbildungstipps geben, sind aber nicht in der Funktion als Reitlehrer am Richtertisch tätig. Ich schreibe recht ausführliche Protokolle, aber diese ersetzen ja nicht die Richtlinien oder guten Unterricht. Bei hundert Reitern sehe ich oft maximal zwei, bei denen die Hand aufrecht getragen wird und der Daumen dachförmig ist ( sodass das Handgelenk frei beweglich ist).

Mein Pferd: Traut man sich nicht, hohe oder niedrige Noten zu geben?

Tanja Münch: Beim gemeinsamen Richten beurteilen zwei Richter einen Ritt. Hier kann es zu unterschiedlichen Meinungen kommen. Dies wird besprochen, und man einigt sich auf eine Note, die beide vertreten können. Ich versuche immer, wertschätzend zu richten und bin dafür, sehr gute Leistungen auch mit einem „Sehr gut“ und schlechte Leistungen mit unter fünf Punkten zu bewerten werden.

Mein Pferd: Starten Reiter immer in den richtigen Klassen?

Tanja Münch: Teilweise starten Reiter in Klassen, in die sie noch gar nicht gehören. Ich würde mir wünschen, dass die Reiter beispielsweise zu Hause sicher L reiten, bevor sie aufs Turnier gehen, um A zu reiten. Früher war es gängige Praxis, zu Hause eine Klasse höher zu reiten als auf dem Turnier, weil unter Prüfungsstress und Aufregung nicht alles zu 100 Prozent abrufbar ist wie im Heimatstall. Zu Hause sollte mehr vorbereitet und geübt, mehr in eine wirklich gute Ausbildung investiert werden. Früher galt auch: ein Jahr, eine Klasse – das vermisse ich ein bisschen, denn gute Ausbildung braucht Zeit.

Mein Pferd: Gibt es zu viel Druck auf Turnieren?

Tanja Münch: In Deutschland herrscht oft die Mentalität vor, man dürfe keine Fehler machen, dadurch entsteht manchmal gröberes Reiten, weil man sich zu sehr unter Druck setzt. Ein Mädchen saß bei einer Prüfung mal auf einem ängstlichen Pferd, das sie immer mehr strafte, anstatt Ruhe zu bewahren und einfach zu sagen: „Okay, das war jetzt nicht die Prüfung, die ich gewinne. Ich mache daraus einen Trainingsritt oder sehe das als vertrauensbildende Maßnahme.“ Mit solch einem Verhalten macht man sich schnell das Vertrauen der Pferde kaputt.

Mein Pferd: Im gesamten Turniersport sind Schulpferde-Reiter deutlich in der Unterzahl. Woran liegt das?

Tanja Münch: In den USA gibt es Prüfungen wie den First-Level-Test, wo nur Schritt und Leichttraben geritten wird und die Pferde noch nicht am Zügel gehen müssen. Jeder, der reiten lernt, weiß, wie komplex eine Anlehnung ist. In der Ausbildungsskala folgt erst Takt, Losgelassenheit und dann die Anlehnung, die aber immer im Zusammenspiel gesehen werden müssen. Erst aus der Anlehnung ergibt sich ein An-die-Hilfen-Stellen des Pferdes und über die weitere Ausbildung die Beizäumung. Könnten nicht Dressurreiter-A-Prüfungen ausgeschrieben werden, in denen noch mit Hilfszügeln geritten werden darf? Damit hätten die Reiter länger Zeit, eine korrekte Anlehnung zu erarbeiten, könnten sich aber schon lektionsmäßig mit anderen auf dem Turnier messen. So gibt es auf Dauer vielleicht harmonischere Bilder bei der Anlehnung in den unteren Klassen.

Mein Pferd: Kann man bei einem kurzen Ritt alles Wesentliche erfassen?

Tanja Münch: Ja, man sieht oft bereits am Anfang, ob das Reiter-Pferd-Paar eine bessere Leistung zeigen wird oder nicht und wie sich die Aufgabe voraussichtlich entwickelt. Schon beim Einreiten erkennt man, wenn ein Pferd relativ stramm geritten wird. Fragen wie „Ist der Zirkel rund?“, „Werden die Ecken ausgeritten?“, „Schwingt das Pferd über den Rücken?“, „Kann es sich sauber stellen und biegen?“ lassen schnell ein Urteil zu.

Mein Pferd: Was halten Sie von dem Vorschlag, den Reitern Prüfungsaufgaben erst auf dem Turnier mitzuteilen?

Tanja Münch: Wenn Ausbildung so verstanden wird, dass Hufschlagfiguren und Lektionen dafür da sind, ein Pferd zu gymnastizieren, ist es für Fortgeschrittene überhaupt gar kein Problem, wenn sie die Aufgabe erst auf dem Turnier erhalten. Für junge oder nicht so versierte Pferde ist es aber ganz schön, wenn vorab eine Aufgabe eingeübt werden kann, um ihnen Sicherheit zu vermitteln. Auch jungen, unerfahrenen Reitern hilft eine feste Aufgabe, die sie vorbereiten können.

…das komplette Interview lesen Sie in der Mein Pferd-Ausgabe 10/2019.

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