Wir senden ständig nonverbale Botschaften aus – ob wir wollen oder nicht. Unsere Pferde sind Meister der stillen, schnellen Signale. Missverständnisse kommen in der Herde selten vor. Das sollten wir uns zum Vorbild nehmen und uns näher mit dem Thema nonverbale Kommunikation auseinandersetzen
Man kann nicht nicht kommunizieren“ – dieser Satz hat Paul Watzlawick berühmt gemacht. Der Philosoph und Psychoanalytiker hat unser Verständnis über Kommunikation radikal und nachhaltig verändert, denn auch ohne Worte stehen wir jederzeit im Austausch mit unserer Umwelt, ob wir wollen oder nicht. Bleiben wir zunächst zum besseren Verständnis auf der zwischenmenschlichen Ebene. Stellen Sie sich vor, Sie wollen mit Ihrem Pferd zum Training in die Reithalle gehen. Sie rufen „Tür frei“ und erhalten von einer Stallkollegin die Antwort „Ist frei!“. Diese grüßt Sie anschließend freundlich durch ein Nicken und Lächeln. Sie grüßen zurück. Während des Schrittreitens kreuzt eine andere Reiterin Ihren Weg und schaut demonstrativ weg, ohne Sie eines Blickes zu würdigen. Ihr Lächeln auf den Lippen verschwindet, und Sie denken sich Ihren Teil dazu. In beiden Fällen hat eine zwischenmenschliche Kommunikation stattgefunden, auf die Sie intuitiv reagiert haben.
Kommunikation: Komplexer Austausch
Kommunikation ist immer ein Austausch von Informationen und findet auf verschiedenen Ebenen statt. Es gibt zwei grundlegende Formen der menschlichen Kommunikation: Verbal, also über Lautbildungen beziehungsweise Worte, und nonverbal, also ohne Worte. Zur nonverbalen Kommunikation gehören Gestik und Mimik, also Kopfbewegungen und andere Körperbewegungen, Körperhaltung, Gesichtsausdruck, Blickrichtung, aber auch räumliche Nähe, Körperkontakt und andere nonverbale Aspekte, zum Beispiel in Sprache, Kleidung oder Schmuck. Sie ist die älteste Form der zwischenmenschlichen Verständigung. Auf diese Weise klären wir untereinander, ob wir uns sympathisch sind und ob wir uns vertrauen können. Über die nonverbale Ebene werden verschiedene Botschaften übermittelt. So verrät die Körperhaltung unter anderem viel über den emotionalen Zustand, Gestik oder Mimik signalisieren die Einstellung zu anderen Menschen. Der Körper ist also niemals stumm. Er verrät unsere wahren Gefühle, wer wir sind und was wir eigentlich wollen. Dabei können nonverbale Signale sowohl bewusst als auch unbewusst gesendet werden.
Mimik und Gestik
Ein Blick sagt mehr als tausend Worte. Kein Wunder, denn ein Blick kann einen intensiven Eindruck hinterlassen und viel über uns selbst oder unser Gegenüber verraten. An der Mimik lassen sich seelische Vorgänge in einem Menschen am besten ablesen, denn es besteht eine Verbindung zwischen den Bewegungen der Gesichtsmuskeln und den zugrunde liegenden Gefühlen. Wenn eine andere Person uns freundlich anschaut, können wir die Zuneigung und Aufmerksamkeit deutlich spüren. Ein Meiden des Blickkontakts hingegen signalisiert Desinteresse, Gleichgültigkeit aber auch Scham. Ein zu langes Anstarren wird meist als aufdringlich und aggressiv empfunden. Über die Gestik werden weitere Informationen gesendet. Beispielsweise sind Körperhaltung und Handzeichen ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation, wobei bewusste Gesten nur einen Teil der Gestik ausmachen. Die Körperhaltung spiegelt den körperlichen und seelischen Zustand eines Menschen, aber auch seine Wesenszüge. Wenn wir traurig sind, lassen wir die Schultern hängen und wirken kraftlos oder gar verschlossen. Hingegen signalisiert eine offene Haltung im Brust- und Halsbereich Selbstbewusstsein und Mut. Ähnliches gilt für Bewegungen: Wer im Gespräch unruhig ist und ständig seine Kleidung zurechtrückt, wirkt unsicher, während jemand, der sich dem Gesprächspartner offen zuwendet, Aufmerksamkeit zeigt.
Widersprüchliche Kommunikation
Wir können uns durchaus bemühen, durch Mimik und Gestik etwas Bestimmtes auszudrücken, zum Beispiel, indem wir uns betont selbstbewusst geben. Doch diese Art des Überspielens eines eigentlichen (emotionalen) Zustands kann durchaus genau über die nonverbalen Signale entlarvt werden. Denken Sie an ein Vorstellungsgespräch: Sie versuchen eine aufrechte Körperhaltung einzunehmen und freundlich die an Sie gestellten Fragen zu beantworten. Wenn Sie innerlich allerdings unsicher sind, könnte sich dies in einer sehr angespannten Haltung und einem aufgesetzten Lächeln äußern. Ihr Gegenüber gibt sich verbal ebenso freundlich, verschränkt allerdings die Arme und schaut immer wieder auf seinen Bildschirm, während Sie reden.
Auch wenn es hier gerade noch um die zwischenmenschliche Kommunikation geht, sind all diese Punkte ebenso für die Kommunikation zwischen Mensch und Pferd von Bedeutung. Wenn Sie beispielsweise nach einem anstrengenden Bürotag in den Stall kommen und sich Ihr Pferd in der Box demonstrativ wegdreht, obwohl Sie ihm freundlich zureden, kann das an Ihrer womöglich noch angespannten Körperhaltung liegen. Als Reiter teilen wir unserem Pferd über unsere Körperhaltung häufig etwas mit, ohne es zu merken. Die Folge sind Missverständnisse. Ihr Vierbeiner wird nicht einfach nur auf Ihre Worte hören, sondern all Ihre Signale wahrnehmen. Würden Sie in diesem Moment erst einmal tief durchatmen und die Aufmerksamkeit auf Ihren eigenen Körper lenken, würden Sie auch die Spannung spüren, die Sie aussenden.
Körperspannung im Sattel
Sie gehen auf Ihr Pferd zu und holen es aus der Box, um es zu putzen. Dabei kreisen Ihre Gedanken immer noch um die Ereignisse des Tages. Plötzlich wird Ihr Vierbeiner immer unruhiger und fängt auf dem Weg zur Halle an zu tänzeln. Sie bringen sein Verhalten allerdings nicht mit Ihrer eigenen Stimmung in Verbindung. Nach dem Aufsteigen geht es weiter: Ihr Pferd scheint heute besonders schreckhaft zu sein, und Sie haben das Gefühl, dass einfach alles an diesem Tag schiefläuft. In solchen Momenten ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, dass im Kontakt zwischen Mensch und Pferd zwei Individuen aufeinandertreffen, die ständig miteinander kommunizieren. Wenn Sie den Stress des Alltags mit in den Sattel nehmen – was meist eher unbewusst geschieht – dann wird sich das automatisch auf ihre Körperhaltung und -spannung auswirken. Pferde sind sehr sensibel, und die Spannung des Reiters überträgt sich auf den Vierbeiner.
Wenn Probleme während des Trainings oder im Umgang auftreten, ist es wichtig, nach den möglichen Ursachen zu suchen und dabei auch einen Blick auf sich selbst zu werfen. Warum ist die eine Ecke in der Reithalle auf einmal ein Grund für das Pferd, sich zu erschrecken? Natürlich kann schreckhaftes Verhalten diverse Gründe haben, jedoch darf dabei der Mensch als entscheidender Einfluss nicht gleich ausgeschlossen werden. Warum verspringt ein Pferd auf einmal ständig die fliegenden Wechsel, kurz vor dem nächsten Turnier? Womöglich spielt auch hier die Anspannung des Reiters eine Rolle, die sich auf die Hilfengebung auswirkt.
Wie Pferde mit Menschen kommunizieren
Pferde sind meist still und senden dennoch ständig Signale aus. Sie nutzen dazu das komplette Repertoire der Pferdesprache, mit der sie sich auch untereinander verständigen. Doch unsere Vierbeiner sprechen nicht nur „Pferdisch“. Sie sind wahre Kommunikationskünstler und können sogar die menschliche Körpersprache interpretieren. Im Laufe der Zeit lernen sie unsere Gesten, unsere Mimik und unsere Stimmkommandos immer besser zu deuten und so auch unsere Sprache zu verstehen.
Dass Pferde so lern- und anpassungsfähig sind, liegt laut Verhaltensforschern an ihrem Sozialverhalten. Zudem zeigen neue Forschungen, dass unsere Vierbeiner ziemlich kluge und erfinderische Kommunikationspartner sind. Sie können beispielsweise einschätzen, ob wir Ihnen gerade zuhören oder nicht. Aus der Ausrichtung unseres Körpers sowie aus unserem Blick und unserer Kopfposition schließen sie, wie aufmerksam ihr Besitzer ist. Doch das ist nicht alles. Sie bemühen sich oft sogar richtig, mit uns ins Gespräch zu kommen. Das belegt folgendes
Zwischen Freud und Leid
Hätten Sie gedacht, dass Ihr Pferd an Ihrem Gesicht erkennen kann, ob Sie böse oder freundlich schauen? Es nimmt genau wahr, ob Sie es mit einem sanften Blick zu sich einladen oder es auf Distanz halten wollen. Zudem ist Augenkontakt für Pferde wichtig, um vertraute Personen wiederzuerkennen. Generell baut sich über eine klare Kommunikation eher Vertrauen auf, während unklare Signale schnell zu Missverständnissen und Misstrauen führen können.
Unseren Vierbeinern stehen aber nicht nur Wünsche regelrecht im Gesicht geschrieben, sondern auch Leid. Daher nutzen Tierärzte unter anderem auch die Mimik, um mögliche Schmerzen des Pferdes besser einzuschätzen. Es ist nicht immer einfach, das Verhalten von Pferden zu deuten. Auch unsere Vierbeiner haben verschiedene Persönlichkeiten, was sich auf die Kommunikation auswirkt. Die beste Basis für gegenseitiges Verständnis sind klare Signale. Dazu müssen wir nicht nur unser Pferd kennenlernen, sondern auch uns selbst. So können wir besser hinsehen, zuhören und so die Bindung zu unserem Partner Pferd stärken.
Text: Aline Müller Foto: www.Slawik.com