Text: Nicole Audrit Foto: Sylvia Ringeisen
Die Wurzeln des Murgesen reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück. Der damalige Herrscher über das Heilige Römische Reich, der Staufenkaiser Friedrich II., befand sich auf der Suche nach dem idealen Streitross, das sehr widerstandsfähig sein und kräftige Beine mit harten Hufen haben sollte. „Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ordnete der Staufenkaiser eine Pferdezucht unter harten Bedingungen in einer kleinen Region in Süditalien an“, erzählt Sylvia Ringeisen, die Leiterin des Lengelshofs und Begründerin des dort ansässigen Murgesen-Projektes. Das war der Ursprung der Murgesen-Zucht. Den Namen verdankt die Rasse ihrem Herkunftsgebiet – der Murge –, die in der Region Apulien im äußersten Süden Italiens liegt.
Die extreme Widerstandsfähigkeit, Trittsicherheit und Ausdauer der Murgesen sind nicht nur auf ihre Genetik, sondern vor allem auf die Art und Weise wie die Pferde aufwachsen, zurückzuführen. „Die felsige Landschaft, in der die Pferde halbwild im Herdenverband die ersten zweieinhalb Jahre aufwachsen, formt ihre Robustheit, die starken Beine und ihren mutigen Charakter. Würden die Murgesen auf saftigen, grünen Wiesen in Deutschland heranwachsen, würden wichtige Eigenschaften dieser Pferderasse verloren gehen“, so Sylvia Ringeisen. Zudem hat das Zuchtkonzept der Murgesen in Italien eine lange Tradition und die Fohlen erhalten nur Papiere, wenn sie dem italienischen Zuchtverband präsentiert wurden. Für die Leiterin des Lengelshofs ist es eine Sache des Respekts, „die Arbeit der Züchter, die sich ihr Leben lang intensiv mit dieser Rasse beschäftigen, zu würdigen, und den Murgesen als Produkt ihres Wissens und der Landschaft, in der er aufwächst, nach Deutschland zu importieren.“ Aus diesem Grund finden Interessierte auf den Wiesen des Lengelshofs nur waschechte Italiener – Murgesen direkt aus ihrer Heimat importiert.
Bewegte Vergangenheit
Als direkte Nachkommen der Neapolitaner, den legendären Streitrössern, kämpften die Murgesen in der Vergangenheit schon in Kriegen und trugen ihre Reiter weite Strecken über nahezu unpassierbare Wege. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Zucht jedoch an einem Tiefpunkt angelangt und die Rasse beinahe ausgestorben. Nur durch Bemühungen des italienischen Landwirtschaftsministeriums und gezielter Selektion auf die Reinheit der Linie konnte die traditionsreiche Rasse erhalten bleiben. Die heutigen bedeutendsten Hengststämme Granduca, Nerone und Araldo gehen noch auf die letzten vorhandenen Hengstlinien aus der Vergangenheit zurück.
Hervorragende Rittigkeit, liebenswerter Charakter, große Ausdauer, hohe Trittsicherheit, vielseitige Einsatzmöglichkeiten und bemerkenswerte Intelligenz – ein Murgese hat so viele tolle Eigenschaften, dass diese Rasse sechs Richtigen beim Lottospielen verdächtig nahe kommt. Zudem haben Murgesen eine ganz außergewöhnliche Ausstrahlung – stolz, etwas wild und liebenswürdig – und sind mit ihrem lackschwarzen Fell und ihrer langen Mähne bildhübsch. Unabhängig vom Typ haben die meisten Vertreter dieser Rasse einen eher großen Kopf, der häufig leicht geramst ist, mit großen und wachen Augen.
Unsere Expertin: Sylvia Ringeisen ist bereits seit 2004 Mitleiterin des Betriebs und führt seit 2014 den Lengelshof in Ratingen allein. Ursprünglich arbeitete sie als Innenarchitektin, seit 2006 ist sie außerdem noch Pferdewirtin für Zucht und Haltung. Neben den Murgesen hat sie außerdem eine besondere Vorliebe für iberische Pferde. www.lengelshof.de
… das komplette Rasseporträt lesen Sie in der Ausgabe 2/18.