Text: Redaktion Foto: imago images/ Rau
Jeder kennt sie: die Irrtümer und Mythen, die seit Jahrzehnten durch die Reithallen geistern. Die Autorin Dagmar Ciolek hat in ihrem Buch „135 Mythen der Reitlehre“ viele von ihnen zusammengestellt. Und, kennen Sie schon die folgenden fünf?
Nach FN und englisch zu reiten ist nicht pferdefreundlich
Was heutzutage als Englisch Reiten oder FN-Reiten bezeichnet wird, entspricht meist einer schlechten Umsetzung der klassischen deutschen Reitlehre. Letztere basiert auf den Lehren und Erfahrungen der klassischen Reitmeister. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde sie in der Heeresdienstvorschrift 12 (H.Dv.12) und durch die Ausbilder der Kavallerieschule Hannover an modernere Verhältnisse angepasst. Heutzutage ist sie festgehalten in den „Richtlinien für Reiten und Fahren“ der FN, und sie ist nach wie vor die Grundlage der Reiterei weltweit und die meistverwendete Lehre überhaupt. Sie ist pferdefreundlich sowie praxisorientiert und führt, richtig angewandt, zu zufriedenen Pferden, die in Leichtigkeit geritten werden können und langfristig gesund bleiben. Leider versäumen viele, die angeblich nach dieser Lehre reiten und ausbilden, sie selbst gründlich zu erlernen und die entsprechenden Lehrwerke zu lesen und anzuwenden. Dies führt dann zu unzufriedenen Pferden und Reitschülern, die sich verständlicherweise nach Alternativen umsehen. Auch wird immer wieder nach Abkürzungen und vermeintlichen Verbesserungen und Vereinfachungen der Reitlehre gesucht. „Vorne ziehen und hinten stechen“ sowie die „Rollkur“ und/oder „Low, Deep, Round (LDR)“ sowie diverse Hilfszügelverschnallungen haben nichts, aber auch gar nichts mit dem Reiten nach der klassischen Lehre zu tun. Ebenso wenig ein falsch verstandenes Vorwärts, ein Zentrifugieren der Pferde in hoher Geschwindigkeit und eng verschnallt an der Longe oder in eine starre Sitzform gepresste Reiter.
Reiten lernt man nur durch Reiten!
An diesem Grundsatz ist nur ein Wörtchen falsch, nämlich das „nur“. Einfach „nur“ aufs Pferd setzen und losreiten, davon lernt man das Reiten leider auch nicht. Sonst wäre Reitenlernen ja einfach. Selbst ein ausbalancierter, losgelassener Sitz entwickelt sich nicht nur durch das Reiten. Oft ist auch eine Schulung am Boden sinnvoll und notwendig, besonders in der heutigen Zeit, in der es wenig Raum für Ausgleichssport gibt und viele Menschen überwiegend an Schreibtischen arbeiten. Man kann als Reiter und gerade wenn man noch jung oder nicht so erfahren ist auch unendlich viel durch Zuschauen lernen. Damit belastet man kein Pferd, schult aber den eigenen Blick, vor allem für die Zufriedenheit des Pferdes und die Harmonie zwischen Reiter und Pferd. Auch wenn nicht auf hohem oder gutem Niveau geritten wird, kann man daraus etwas lernen. Man kann sich überlegen, wie Lösungsmöglichkeiten aussehen könnten, was man vielleicht besser machen könnte. Was man nicht kultivieren sollte, ist „Fehlerguckerei“ an der Bande mit dem Winkelmesser und das ungefragte Erteilen von schlauen Ratschlägen; das entspricht nicht dem Reitertakt. Aber man kann sich auf die Suche nach Positivem machen. Und wenn man etwas nicht versteht, was man sieht, dann kann man den Reiter freundlich fragen, was er da genau macht. Auch das kann sehr aufschlussreich sein, genau wie das Schauen von Lehrvideos. Zum Reiten gehören im Idealfall (der nie erreicht wird) Gefühl, Einfühlungsvermögen in ein anderes Wesen, Talent, Wissen, Körperbeherrschung, Balance, Geduld, Musikalität und Taktgefühl, Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen, aber auch Nachsicht, Umsicht, Humor und Behutsamkeit sowie Konsequenz und Gelassenheit des Körpers und des Geistes.
Das Pferd muss an die Hand ziehen!
Das ist ein in Mode gekommener Ausdruck dafür, dass das Pferd die Anlehnung suchen sollte. Es geht beim Reiten aber ums Dehnen und nicht ums Ziehen! Als Fachausdruck gibt es das Ziehen aus gutem Grund nur in folgenden Zusammenhängen: Das Pferd zieht zum Sprung, es zieht den Sprung an oder es zeigt einen deutlichen Zug nach vorwärts…
Mehr Mythen finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.