Text: Inga Dora Schwarzer    Foto: Adobe Stock/ valeriia

Ihr Pferd hat Angst, wenn der Doc kommt? Dann versuchen Sie, tierärztliche Routinen in den Stallalltag einzubauen oder gezielt auf eine notwendige medizinische Untersuchung hinzuarbeiten

Der Begriff „Medical Training“ steht für eine spezielle Art des Trainings. Es geht darum, ein Tier auf medizinische Untersuchungen und Behandlungen vorzubereiten – und zwar lange bevor der Tierarzt tatsächlich kommen muss. Das Konzept, das ursprünglich aus Zoologischen Gärten stammt, basiert auf positiver Verstärkung und Freiwilligkeit und gelingt mit den verschiedensten Tierarten. Auch Pferdehalter können einen entspannten Tierarztbesuch vorbereiten. „Kleine tierärztliche Maßnahmen lassen sich leicht in den Alltag integrieren“, meint Pferdetierärztin Carolin Jähn. Dazu zählen folgende Maßnahmen:

  • Untersuchungen: abhören mit dem Stethoskop, abtasten von Körperteilen, Kontrolle von Augen, Ohren und Zähnen, Fieber messen, Hufe geben und hochhalten
  • Umgang mit Spritzen: Impfungen, Blut abnehmen, Infusionen, Verabreichung von Medikamenten (Tabletten, Pasten, Augentropfen)
  • Wundversorgung: säubern von Körperteilen, scheren, Verbände anlegen, Mittel auftragen oder aufsprühen

Vertrauensvolle Kooperation

 Pferdetierärztin Carolin Jähn möchte, dass die Pferde einer Untersuchung und Behandlung zustimmen. Insbesondere bei skeptischen Patienten erreicht sie dieses Ziel durch den Aufbau von Vertrauen und ein individuelles Training

Fall 1: Spritzen? Nein, danke!

Pferdetierärztin Carolin Jähn berichtet von einer Tinkerstute, die beim Versuch, ihr Blut abzunehmen, stieg und nach der behandelnden Person trat. Rund drei Wochen lang trainierte die Expertin mit dem Pferd, ohne es zu behandeln, und richtete mehrere Kraulstellen ein. „Ich nutzte ihr vertraute Übungen aus dem Horsemanship-Bereich und ließ sie spielerisch einzeln ihre Beine bewegen und anhalten, wenn ich den Finger hob. Bei anderen Übungen musste die Stute aktiv ihre Kruppe einsetzen oder stärker mitdenken. Als sie etwas Neues gelernt hatte, war sie offener für die Spritze.“ Doch die Tinkerdame sah immer noch nicht ein, für einen Piks stehenzubleiben. „Sie war und ist immer noch unzufrieden mit einer Nadel im Hals. Also habe ich ihr beim Schrittgehen Blut abgenommen, ohne sie festzuhalten. Sie lief frei, nur mit einem Strick über dem Hals“, erzählt Jähn. Das war ein sehr emotionaler Moment, vor allem für die Besitzerin, die Tränen in den Augen hatte. Es stand nämlich die bange Frage im Raum: Was ist, wenn die Stute in Not gerät und sie keine Behandlung zulässt?

Fall 2: Schmerzen durch Hauterkrankung

Ein Reitpony-Welsh-Mix mit viel Behang litt unter starker Mauke. Das Problem: Der Wallach kam aus einem großen Reitschulbetrieb und ließ sich fast ausschließlich von der Besitzerin an die Hufe fassen. „Da die Hauterkrankung oft schmerzhaft ist, kommt man bei solch skeptischen Patienten nur selten ohne Sedierung aus“, weiß Jähn. Sie aber nutzte die behandlungsfreien Zyklen, um Vertrauen aufzubauen. „Wenn ich einen Impftermin im gleichen Reitstall hatte, ging ich zu ihm hin und hob die Hufe hoch, setzte kleine Reize an den sonst schmerzhaften Stellen, ohne dass ich diese behandelte. Danach gab es ein Leckerli als positive Verstärkung. Das machte ich quasi im Vorbeigehen“, berichtet sie. Ein Vorgehen mit positiven Folgen: „Die Behandlung der Mauke mag er zwar immer noch nicht gerne, er duldet aber jetzt meine Behandlungen“, erzählt sie. Das entgegengebrachte Vertrauen zahlte sich auch aus, als ein Ultraschall der Sehne anstand. Jähn konnte die Untersuchung ohne Sedierung vornehmen. Seine große Skepsis sei vor allem von seinem starken Charakter und seinen langjährigen Erfahrungen als Schulpferd geprägt, sagt sie. „Vielleicht ist er erst in ein paar Jahren völlig entspannt. Die Seele braucht Zeit, um zu heilen“, so die Expertin.

Mehr Informationen finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.

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