Text: Nora Dickmann       Foto: www.Slawik.com

Pferde finden sich in der Dunkelheit gut zurecht und können auch nachts in Ruhe ihr Heu fressen. Denn die Vibrissen sind mit einer Vielzahl hochempfindlicher Nervenzellen verbunden und dienen als wichtige Informationsgeber für den Tastsinn des Pferdes

Was sind Tasthaare?

Tasthaare werden auch Vibrissen oder Sinushaare genannt und befinden sich hauptsächlich im Gesichtsbereich vieler Tiere – unter anderem findet man sie bei Pferden, Hunden und Katzen. Teilweise ähneln ihre Eigenschaften denen der normalen Haare, denn beide bestehen aus leblosem Material, wachsen nach und enthalten keine Nerven. Allerdings sind Tasthaare dicker, fester und länger als gewöhnliche Haare.

Vibrissen bilden ein äußerst sensibles Tastorgan: Sie sind von einer Blutkapsel (Sinus) umgeben (daher auch die Bezeichnung Sinushaar), in deren Umgebung viele sensible Nerven verlaufen. Bei Berührung der Vibrissen können durch Druckübertragung im Haarfollikel feine mechanische Reize wahrgenommen werden. Jede kleinste Berührung wird an das Gehirn weitergeleitet und die Informationen verarbeitet. Die Anzahl der Tasthaare unterscheidet sich bei wildlebenden und domestizierten Pferden. Die Wildpferde haben mehr Tasthaare. Domestizierte Pferde haben im Maulbereich etwa 50 und rund um die Augen zwischen fünf und 15 Vibrissen. Indem die Nervenenden die Berührung von Gegenständen an das Gehirn weiterleiten, wird dem Pferd signalisiert, wenn sich etwas in seinem Weg befindet.

Welche Aufgabe haben sie?

Tasthaare sind ein elementarer Teil der Sinneswahrnehmung von Pferden. Sie sind das eingebaute Navigationssystem des Tieres, das besonders bei schlechter Sicht oder eingeschränktem Sichtfeld notwendig ist. Das Pferd hat durch die seitlich angesetzten Augen nahezu eine Rundumsicht – dies ist übrigens der Veranlagung als Fluchttier geschuldet –, wodurch sich jedoch auch ein toter Winkel etwa 50 Zentimeter vor dem Pferdekopf ergibt. Dadurch kann das Tier die Nahrung nicht klar sehen. Die Vibrissen ermöglichen Pferden bei der Nahrungsaufnahme eine sehr feine Selektion – manchmal zum Leidwesen der Besitzer bei Medikamentengabe. Allerdings ist zu beachten, dass die Selektion von Futter äußerst wichtig ist, da Pferde besonders auf der Weide zwischen genießbaren und giftigen Bestandteilen unterscheiden müssen. Aber nicht nur zur Nahrungsaufnahme, sondern auch für die Fortbewegung in der Dunkelheit sind die Tasthaare essenziell. Die abstehenden Tasthaare im Maul- und im Augenbereich dienen sowohl der Selektion als auch zum Schutz vor Stoßverletzungen oder als Warnung vor möglichen schädlichen Fremdkörpern. Hierzu zählen unter anderem Insekten oder Strohhalme, die das Auge schädigen könnten. Ohne Tasthaare ist das Tier nicht in der Lage, den nötigen Abstand zum Trog oder zur Futterraufe einzuschätzen. Studien aus den USA ergaben, dass sich Pferde ohne Sinushaare deutlich öfter verletzen als Tiere, die diese noch besitzen. Die Ohrenbehaarung hingegen verhindert bzw. erschwert das Eindringen von Insekten, Schmutz oder Fremdkörpern in den Gehörgang.

rfen Tasthaare abgeschnitten oder gekürzt werden?

Das Kürzen des Langhaars für Turniere oder das Scheren in der kalten Jahreszeit ist selbstverständlich. Bei Tasthaaren ist dies aber seit 2021 durch die FEI verboten. In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist das sogenannte Clippen – die Entfernung der Tasthaare und der Behaarung in der Ohrinnenmuschel – laut § 6 des Tierschutzgesetzes verboten, da den Tieren ein elementarer Bestandteil ihrer Sinneswahrnehmung durch das Entfernen genommen wird. Dieses Vorgehen stellt eine „unzumutbare Qual“ der Pferde dar. Das Entfernen führt zu Verhaltensänderungen des Pferdes, da sie durch das Clippen verunsichert oder ängstlich werden. Auch wenn das Abschneiden der Tasthaare eine Straftat ist, gibt es unglücklicherweise immer noch einige Menschen, die dies praktizieren.

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