Text: Dominique Wehrmann & Nora Dickmann Foto: www.Slawik.com
Erst gejagt, dann domestiziert und schließlich geliebt – die Geschichte von Pferd und Mensch war in ihren Anfängen nicht gerade einfach. Doch das ist lange her. Heute sind Pferde Sportpartner, Freunde und Begleiter in der Freizeit, die einen hohen emotionalen Wert für uns haben
Hyracotherium – klingt wie ein besonders ausgefallener Name für beispielsweise einen Hickstead-White-Nachkommen, ist aber die wissenschaftliche Bezeichnung für den Urahn unserer Pferde. Bekannter ist dieses damals nur etwa fuchsgroße Wesen jedoch unter dem Namen Eohippus: „Pferd der Morgenröte“. Wobei „Pferd“ hier deutlich vorgreift. Das Tierchen von etwa 35 Zentimeter Schulterhöhe mit nach oben gekrümmter Wirbelsäule streifte vor ca. 60 Millionen Jahren durch die Urwälder Asiens, Europas und Nordamerikas. Es hatte noch keine Hufe, sondern Zehen; vorne vier, hinten drei. Damit konnte es sich besonders gut auf weichem Waldboden bewegen. Auch sein Gebiss war anders als das der heutiger Pferde. Denn statt Gras kaute Hyracotherium alias Eohippus vor allem Blätter.
Im Laufe der Jahrmillionen veränderte sich die Umwelt und ihre Bewohner mit ihr. Die Wälder wichen ausgedehnten Steppenlandschaften. Die Pferdevorfahren wurden größer, ihre Gliedmaßen länger, ihre Gebissstruktur veränderte sich, und vor allem bildeten sich die seitlichen Zehen zurück. Übrig blieb sozusagen der Mittelfinger mit dem Huf als Zehennagel. Aus dem scheuen Waldbewohner wurde ein zwar nicht minder scheuer, aber ungleich schnellerer Steppenläufer, der in etwa die Größe eines kleineren Ponys gehabt haben dürfte: Pliohippus, die letzte Vorstufe in der Entwicklung hin zu Equus, dem Pferd, wie wir es heute kennen. Pliohippus lebte vor 16 bis ca. fünf Millionen Jahren auf dem nordamerikanischen Kontinent. Dank seiner Hufe konnte er sich auf trockenem Boden bereits rasch fortbewegen, und dank seines Gebisses war er nicht mehr auf Blätter angewiesen, sondern fraß Gras.
Die Pferdevorfahren in Nordamerika starben aus ungeklärter Ursache aus, doch in Eurasien entwickelten sie sich weiter. Die These, dass es die spanischen und portugiesischen Eroberer waren, die das Pferd zurück auf den amerikanischen Kontinent brachten, ist allerdings umstritten. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse legen nahe, dass die einheimische Bevölkerung bereits vor Ankunft der Europäer Pferde nicht nur kannte, sondern auch eine besonders enge Bindung zu ihnen hatte.
Der historische Augenblick der Menschheitsgeschichte
Doch zunächst einmal bedeuteten Pferde Nahrung für Menschen. Das belegen die Malereien an den Wänden der berühmten Höhlen von Lascaux in der Dordogne, Frankreich. Sie werden auf die Zeit um 17000 v. Chr. datiert. Zu sehen sind Szenen, wie Menschen Pferde jagen, die auffällige Ähnlichkeit mit Przewalski-Pferden haben.
Lange war unklar, wann die ersten Pferde gezähmt wurden. Doch Ende der 2000er machte ein Forscherteam um Alan Outram von der Universität Exeter eine bahnbrechende Entdeckung im Norden Kasachstans. Hier lebte in der Kupferzeit im vierten Jahrtausend v. Chr. das Volk der Botai. Neben menschlichen Überresten fanden die Wissenschaftler aus England Knochen, die zu mehr als 360.000 Pferdeskeletten gehörten. Das allein war noch kein Beweis, dass die Pferde hier nicht nur aufgegessen, sondern auch gehalten, gezüchtet und genutzt wurden. Aber das Team konnte auf den Zähnen der Pferde auch Spuren identifizieren, die auf den Einsatz von Geschirren hindeuten. Ebenso entdeckten sie in Scherben von Gefäßen Rückstände von Stutenmilch. Das war für sie ein klarer Beweis – kein Tier, das man nicht kontrollieren kann, wäre bereit, sich melken zu lassen. Und wo Stutenmilch ist, da müssen auch Fohlen sein.
Aber haben die Botai ihre Pferde auch geritten? Beweisen ließ sich das jedenfalls nicht, und die Botai starben letztlich aus. Anders die Jamnaja-Kultur im heutigen Osteuropa. 2023 veröffentlichten Dr. Martin Trautmann von der Universität Helsinki und seine Kollegen Forschungsergebnisse, die zeigen, dass das Volk der Jamnaja tatsächlich geritten ist.
Weitere Informationen über die Geschichte von Mensch und Pferd finden Sie in der neuen Mein Pferd- Ausgabe.