Für die Rubrik „Nachgefragt“ in der Märzausgabe (Mein Pferd 03/2016) stand uns der Meister der Akademischen Reitkunst – Marius Schneider – Rede und Antwort: Wann saßen Sie zum ersten Mal auf einem Pferd und wie kam es dazu? Soweit ich mich erinnern kann, saß ich bereits „bevor ich das Licht der Welt erblickte“ auf dem Pferd. Ich hatte also das Glück, dass bereits meine Mutter, mein Großvater und mein Urgroßvater vom Pferdevirus infiziert waren und dass die Liebe zum Pferd direkt auf mich überging. Ich bin mit Pferden aufgewachsen und hatte somit von Beginn an auch ein eigenes Reitpony. Ich musste nicht reiten, aber hatte die Möglichkeit dazu. Sicherlich ein Grund, warum ich – auch ohne größere Pausen – bis zum heutigen Tag dem Pferdesport treu geblieben bin. Allerdings war meine Mutter der Ansicht, dass man mehr lernen und mehr Nähe zum Pferd aufbauen würde, wenn man keine fertig ausgebildeten Pferde, die problemlos liefen, zur Verfügung hat. Diese Einstellung kam nicht von ungefähr, sondern beruhte auf der Tatsache, dass sie nur hervorragend ausgebildete Pferde für den Turniersport von ihrem Vater bekam, aber nie das Gefühl hatte, dass es „ihre“ Pferde waren. Natürlich haben mich von Anfang an gute Ausbilder bei der Arbeit mit meinen Ponys/Pferden begleitet, aber ausgebildet habe ich sie ab meinem zwölften Lebensjahr selber. Heute empfinde ich es als klaren Vorteil, denn somit konnte ich früh viele unterschiedliche Erfahrungen im Bereich der Pferdeausbildung sammeln und lernte dabei Wege zu finden, um die kleinen und großen Probleme, die auftraten, zu lösen.
Wie sehen Sie Ihr Verhältnis zu Pferden? All diejenigen, die sich den Pferden verschrieben haben, kennen diese ganz besonderen Momente zwischen den Partnern Mensch und Pferd. Zum einen ist es die Magie der emotionalen Berührung, welche durch ein harmonisches Miteinander und Zusammenwachsen entstehen kann. Zum anderen auch das Entstehen einer freundschaftlichen Verbindung und dieses wortlose Verstehen, welches über die Jahre wächst. Was fasziniert Sie an Pferden besonders? Natürlich faszinieren auch mich die Schlagworte wie Anmut, Kraft, Schnelligkeit. Allen Voran ist es aber auch die geistige Auseinandersetzung mit dem Pferde, die mich immer wieder aufs Neue fasziniert. Denn, um die Anmut eines Pferdes auch beim Reiten oder in der Bodenarbeit zu bewahren, muss sich mit den verschiedenen Rassen und deren individuellen Charaktereigenschaften auseinandergesetzt werden. So fordern Sie uns als Partner Mensch immer wieder aufs Neue heraus. Als Trainer ist es aber auch die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Mensch-Pferd-Partnerschaften und den individuellen Bedürfnissen, die sich daraus für den Ausbildungsweg ergeben. Sie betreiben das Gestüt Moorhof: Züchten Sie dort auch Pferde? Das Gestüt Moorhof züchtet selbst keine Pferde mehr in Lüdinghausen. Wir haben jedoch viele Zuchthengste unterschiedlicher Barockpferderassen wie zum Beispiel Lusitanos, PRE oder auch Knabstrupper, die regelmäßig Ihren Zuchteinsatz bringen. Neben den Zuchthengsten findet auf dem Gestüt Moorhof auch eine Jungpferdeaufzucht bis hin zur Jungpferdeausbildung statt. Sie leben auf der Burg Kakesbeck in Lüdinghausen. Haben Sie diese absichtlich als Wohnort gewählt, weil dieser zu akademischen Reitkunst und zur Ritterschaft passt oder war es Zufall? Ja, die Entscheidung sich in Lüdinghausen auf der Burg Kakesbeck niederzulassen, war durchaus beabsichtigt. Der Ursprung der Burg geht auf die Zeit um 800 n. Chr. zurück. Somit ist die Reitkunst durchaus älter, aber dennoch schafft die Burg Kakesbeck mit ihrem historischen Marstallgebäude eine passende Atmosphäre, um die Reitkunst als Kulturgut zu vermitteln und zu bewahren. Und auch die angewandte Reitkunst in Form der Falknerei zu Pferde und der Waffengänge macht in solch einer Kulisse doch gleich doppelt Spaß. Wie kamen Sie zur Akademischen Reitkunst und der Ritterschaft? Was fasziniert Sie daran und was macht beides für Sie aus? Bereits im elterlichen Betrieb hatte ich eine besondere Einstellung zur Arbeit mit Pferden bekommen. Dennoch wurde Wert darauf gelegt, dass auch früh das „Handwerk“ Reiten erlernt wurde. So hatte ich also alle Reitabzeichen erworben, mein Abi gemacht, war ein Jahr später Pferdewirt Reiten und Trainer A Reiten und konnte mir somit sehr früh eine Meinung darüber bilden, was sich für mich gut oder weniger gut anfühlte. Hilfreich war auch die Lehrzeit in international anerkannten Ausbildungsbetrieben, die mir Einblicke in unterschiedliche Ausbildungsphilosphien ermöglichte. Diese Zeit und insbesondere die Unterstützung von hervorragenden Ausbildern möchte ich trotz meiner eingeschlagenen Richtung niemals missen. Mit 16 Jahren nahm ich das erste Mal an einem Seminar mit Bent Branderup teil und ich wurde ziemlich schnell davon überzeugt, dass die Akademische Reitkunst und somit die Lehren der alten Meister zwar keine Neuerfindung sind, aber durchaus ein Wissen darstellen, dass es zu bewahren gilt. Besonders hat mich die Leichtigkeit fasziniert, mit der verschiedenste Lektionen bis hin zur schweren Klasse ausgeführt wurden. Was sind die Grundsätze der Akademischen Reitkunst und der Ritterschaft? Einer der treffendsten Grundsätze der Akademischen Reitkunst ist, dass die Dressur für das Pferd da ist und nicht das Pferd für die Dressur. Somit ist das gesetzte Ziel, dass Pferd in seinen natürlichen Möglichkeiten durch strukturierte gymnastische Übungen und Aneinanderreihung von Abläufen zu fördern. Vorhandene Fähigkeiten sollen sich verbessern und dazu muss die Muskulatur und das Körperbewusstsein geschult werden, um ein leistungsfreudiges und dabei hochmotiviertes Pferd als Teampartner zu erhalten. Doch es geht nicht immer nur um die psychische und physische Komponente auf Seiten des Pferdes. Auch die Auseinandersetzung mit sich selbst und dem kritischen Reflektieren seiner eigenen Fähigkeiten als Ausbilder seines Pferdes spielen eine wichtige Rolle. Denn unser Pferd kann sich nur so gut präsentieren, wie es sein Besitzer moderiert. Bent Branderup formuliert es gerne mit dem Zitat „Zwei Geister müssen wollen, was zwei Körper können.“ Sie lehren die Akademische Reitkunst nach Bent Branderup. Wie lernten Sie ihn kennen und was unterscheidet seinen Ansatz von anderen? Ich lernte Bent Branderup bereits mit 16 Jahren kennen. Seine Art der Unterrichtsgestaltung, welche sich bis heute immer durch historische und aktuell moderne Erkenntnisse aus Biomechanik, Physiologie, Pädagogik und Veterinärmedizin auszeichnen, machen sicherlich den Unterschied aus. Er ist ein „Lehrender“ aber auch immer ein „Lernender“ geblieben, eine seiner bewunderswertesten Eigenschaften. Neben der Reitkunst lehren Sie auf Ihrem Gestüt ebenso mit Greifvögeln zu jagen oder die angewandte Reitkunst in Form von Waffengängen. Welche besonderen Fertigkeiten werden hierbei von Reiter und Pferd erfordert? Für die angewandte Reitkunst im Allgemeinen wird ein Pferd benötigt, welches auf den Sitz des Reiters reagiert und zügelunabhängig Richtung, Tempo, Gangart oder Übung ausführen kann. Nicht zu vergessen, dass ein Pferd für die Falknerei immer einhändig geführt wird, denn auf der anderen Hand (Faust) wartet der Greifvogel auf seinen Einsatz. Neben der reiterlichen Ausbildung spielt auch eine Gewöhnung zwischen dem Beizvogel und Pferd eine entscheidende Rolle. Nicht jeder Typ Pferd findet die „Luftwaffe“ Vogel, welcher zusätzlich mit kleinen Glöckchen an den Füßen ausgestattet ist, sehr vertrauenserweckend. Sie haben zudem viele Trainerlizenzen bei der FN erworben. Welche haben Sie und warum haben Sie sich für diese entschieden? Um das Handwerk „Reiten“ zu lernen gab es in Deutschland lange nur einen anerkannten Ausbildungsweg und das ist der Weg der FN. Somit folgte recht früh der Erwerb der angebotenen Reitabzeichen im Reiten und Fahren. Mit 15 Jahren erwarb ich meine erste Lizenz Betreuer im Reitsport Mit 18 Jahren die Lizenzen Trainer C Mit 19 Jahren legte ich meine Prüfung zum Pferdewirt Reiten /Bereiter ab und erwarb die Trainer B Lizenz Mit 21 Jahren folgte dann der Trainer A mit Sondergenehmigung Mit 23 Übungsleiter Sport in der Prävention Reiten Last not least bin ich Pferdephysiotherapeut und habe mich vor allem auf die Bewegungstherapie im Rahmen der Bodenarbeit spezialisiert. Zwischendurch folgten viele Weiterbildungsseminare, die mich auch heute weiterhin begeistern. Neben den üblichen Ausbildungen der FN habe ich auch Prüfungen im Bereich der Akademischen Reitkunst/Bent Branderup abgelegt und seit 2015 darf ich mich „Meister der Akademischen Reitkunst“ nennen. Welche Reitweise bevorzugen Sie und warum? Ich habe auf meinem Weg viele gute und hervorragende Ausbilder gefunden, aber eben auch Bilder gesehen, die nicht sehenswert waren und das in jeder Reitweise. Eine pferdegerechte Reitweise kann in jeder Denkungsart nur das einzig Richtige sein. Gibt es ein bestimmtes Pferd, das Sie einmal reiten möchten? Wenn ich ehrlich bin, dann freue ich mich jeden Tag auf’s Neue, wenn ich morgens meine Pferde gesund begrüßen kann und mit ihnen eine schöne Zeit verbringen darf. Ich bin mit meinen Pferden absolut zufrieden und möchte auch nicht tauschen. Wären Sie nicht Reiter und Trainer geworden… ? … dann würde ich heute auf mein Studium der Wirtschaftswissenschaft zurückgreifen und irgendwo auf einem Bürosessel sitzen, statt im Sattel! (Fotos: Privat)