Futter gut, alles gut? Leider eben nicht, denn bei der Fütterung von Pferden kann es durch die Haltungsbedingungen zu oft ungeahnten Stressfaktoren kommen
Selbst wenn die Haltung in der Gruppe letztendlich als in höchstem Maße artgerecht eingestuft wird, kann es insbesondere beim Fressen für rangniedere Tiere zu Stresssituationen kommen. Nicht so offensichtlich sind dagegen Stressfaktoren wie eine falsche Fresshaltung, der Zeitpunkt oder der Inhalt der Mahlzeiten. Wir werfen einen Blick auf das, was für das Pferd in Stress ausarten und in der Folge die Verdauung belasten kann. Dabei standen uns die FN-Tierärztin Dr. med. vet. Enrica Zumnorde-Mertens, telVet-Gründerin Dr. med. vet. Theresa Sommerfeld sowie der Fütterungsexperte und Buchautor Professor Dr. Man- fred Coenen mit ihren Anmerkungen und Ratschlägen zur Seite.
Stressfrei fressen mit Raufutter
Raufutter bildet mit 70 bis 80 Prozent der Futtermenge stets die Grundlage jeglicher Fütterung. Daran gibt es nichts zu rütteln. Professor Dr. Manfred Coenen, bis 2016 Dekan der Veterinärmedizinischen Fakultät der Uni Leipzig, erklärt: „Raufutter hat den Vorteil, dass es zusätzlich als Beschäftigung dient, das Kaubedürfnis befriedigt, gewissen Verhaltensauffälligkeiten vorbeugen kann und in jedem Fall Stress abbaut. Die Magen- und Darmgesundheit wird dadurch in einem hohen Maße unterstützt.“
Hinsichtlich des Fütterungsmanagements rät Coenen zu beachten, dass möglichst keine Fresspausen von mehr als vier Stunden entstehen. „Dazu ist die Ration so raufutterlastig wie möglich zu gestalten, da dies neben weiteren Vorteilen für die Magengesundheit die Fressdauer verlängert, den Speichelfluss, der die überschüssige Magensäure neutralisiert, anregt, beruhigend und stressdämpfend wirkt und das Kaubedürfnis befriedigt.“
Der Bedarf an Kraftfutter sollte in kleinen, über den Tag verteilten Dosierungen erfol- gen. Es sollte hoch aufgeschlossen und hygienisch einwandfrei sein. Immens wichtig ist zudem, dass insbesondere auch zu Stress neigende Sportpferde so stressfrei wie möglich gehalten werden. Dies spielt auch bei der Fütterung eine wichtige Rolle. Das Pferd sollte so viele Stunden wie möglich am Tag in Ruhe mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt sein. Moderne Fütterungsautomatik bietet hierfür alle Möglichkeiten. Auch bei Sportpferden sollte – sofern stressfrei möglich – Gruppenhaltung in Erwägung gezogen werden. Hierbei sollte jedoch immer im Mit- telpunkt stehen, dass diese ohne Stressfaktoren erfolgt und etwa die Fütterung ungestört von ranghöheren Pferden stattfindet.
Natürliches Fressverhalten im Fokus
Der Blick auf die Vorfahren der heutigen Pferde nutzt heutigen Pferdehaltern ebenso, erklären die Experten einhellig. Auch bei Wildpferden schaut man sich mittlerweile gerade im Zuge von Bewegungsställen mit kontinuierlichem Heuzugang viel Positives ab. Dem natürlichen Fressverhalten des Pferdes würde eine kontinuierliche Futteraufnahme über täglich etwa 16 bis 18 Stunden entsprechen. Um diesem möglichst nahe zu kommen und dadurch nicht nur Verhaltensstörungen, sondern auch Verdauungsstörungen oder Magengeschwüre möglichst zu vermeiden, ist ein ganztägiger Zugang zu Raufutter anzustreben. Mindestens zwölf Stunden pro Tag sollte das Pferd in jedem Fall Zugang besitzen. Die Fresspausen zwischen den einzelnen Rationen sollten nicht länger als vier Stunden andauern.
Auch Stroh kann zur Ergänzung und weiteren Unterstützung der Kautätigkeit zur Verfügung gestellt werden. Gerade da der Verdauungstrakt des Pferdes hochempfindlich ist, sollte mit diesem Wissen nicht aus Gründen der Arbeitseffizienz auf das dauerhafte Zurverfügungstellen verzichtet werden. Moderne digitale Fütterungstechnik erlaubt dies ohne zusätzlichen Aufwand. Sie ist eine Investition, die sich schnell lohnt. Denn gerade der gesundheitliche Aspekt ist nicht von der Hand zu weisen und wird von zahlreichen Pferdehaltern bestätigt, die durch eine kontinuierliche Fütterung auch deutlich niedrigere Tierarztrechnungen zu begleichen haben.
Text: Alexandra Koch Foto: www.Slawik.com