Text: Alexandra Koch Foto: www.Slawik.com
Ungewöhnlich, aber keine Seltenheit mehr: Algen und Muscheln finden in der Pferdefütterung immer größeren Anklang, doch wie sinnvoll ist die Fütterung, und welchen Nutzen hat sie für unser Pferd? Experten geben Tipps, wie Ihr Pferd am besten von diesen Zusätzen profitiert
Spirulina ist eine Gattung der Cyanobakterien, die gemeinhin auch unter dem Namen „Blaualgen“ bekannt sind. Spirulina-Biomasse wird in offenen und geschlossenen Aquakulturen bei einer Wassertemperatur von bis zu 37 Grad Celsius hergestellt. Es handelt sich dabei nicht um eine Alge im eigentlichen Sinne, sondern wie bereits erwähnt um ein Bakterium. Der Name ist daher irreführend. Das Wachstum von Spirulina hängt wesentlich ab von der Menge an Kohlenstoffdioxid, das sie umgibt. Für den Menschen wird Spirulina bereits seit den 70er Jahren als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. „Spirulina stammt nicht aus dem Meer, sondern aus subtropischen und tropischen alkalischen Salzseen, wächst aber auch in Süßwasser“, erzählt Dr. Dorothe Meyer. „Insofern ist die Belastung mit Schwermetallen deutlich geringer bzw. erst gar nicht vorhanden.“
Spirulina unterstützt vor allem den Stoffwechsel und den Muskelaufbau. „Sinnvoll ist die Beifütterung aufgrund des hochwertigen Eiweißes bei Pferden, die von der Grundfütterung her nicht übermäßig viel Protein erhalten dürfen“, erklärt Dr. Dorothe Meyer. „In Bezug auf Spirulina zeigten Studien vor allem bei Pferden mit EMS (Equine Metabolic Syndrom), dass die Insulinresistenz sich verringerte und Gewicht reduziert werden konnte.“ Eine konkrete Studie dazu gab es an der Universität in Breslau, Polen, im Jahr 2017. „Das Studienergebnis zeigt deutlich, wie wertvoll diese Alge für den Organismus und seine Stoffwechselfunktion ist. Allerdings darf man sich bei aller Freude über so ein Studienergebnis aber natürlich nicht dazu hinreißen lassen, Diät und Bewegung bei betroffenen Pferden zu vernachlässigen“, betont Dr. Meyer. Eine pferdegerechte Haltung mit viel Licht, Luft und Bewegung muss immer an erster Stelle stehen. Nur wenn das gegeben ist, kann die Beifütterung von bestimmten Zusatzfuttermitteln sinnvoll erfolgen.
Omega-3-Fettsäuren
Pferde nehmen über ihre natürliche Nahrung in der warmen Jahreszeit – Gras – sehr viel Omega-3-Fettsäuren auf. „Wir können deshalb davon ausgehen, dass sie auf eine ausreichende Aufnahme über die Fütterung angewiesen sind“, berichtet Dr. Dorothe Meyer. „Insbesondere die Stallhaltung im Winter bringt hier aber Probleme mit sich: Omega-3-Fettsäuren sind nicht gut haltbar, und Heu weist dadurch natürlich ein anderes Fettsäuremuster auf als frisches Gras. Deshalb ist es gerade bei Stallhaltung sinnvoll, Omega-3-fettsäurehaltige Futter zu ergänzen“. Dr. Dorothe Meyer gibt allerdings zu bedenken, dass Algen, da sie nur in kleinen Mengen gegeben werden können, entgegen mancher Erwartungen nicht die ideale Quelle für Omega-3-Fettsäuren sind. „Hier bieten sich Öle mit einem hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren an: Leinöl und Fischöl weisen zum Beispiel sehr gute Fettsäureverhältnisse auf, sind dadurch aber ebenfalls nur relativ kurz haltbar.“
Dr. Frank Reimann, Auktionstierarzt des Hannoveraner Verbandes, ergänzt, dass „der entzündungshemmende Faktor, der durch die ausreichende Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren entsteht, nicht unterschätzt werden sollte. Allerdings muss man zuvor genau abklären, auf welche Art und Weise man diese Beifütterung gestaltet. Es ist sinnvoll, mit einem Tierarzt darüber zu sprechen, was für das jeweilige Pferd am besten ist. Auch Muscheln enthalten diese Fettsäuren und können in bestimmten Fällen sinnvoll eingesetzt werden.“
Tiere im Pferdefutter?
Muscheln sind eine Klasse der Weichtiere, die in Salzwasser, in Süßwasser sowie in Brackwasser lebt. Für Menschen zählen sie seit vielen Jahrtausenden zu den natürlichen Nahrungsmitteln. Auch viele Tiere ernähren sich von Muscheln. Aber sollte man einem Pflanzenfresser, wie das Pferd es ist, Muscheln füttern?
Gerade die Grünlippmuschel findet sich immer wieder beim Blick auf den Inhalt von Ergänzungsfuttermitteln. Grünlippmuschelpräparate werden insbesondere zur Unterstützung des Bewegungsapparates eingesetzt. Bei Entzündungsvorgängen im Binde- und Stützgewebe wurden mit Muschelextrakt von verschiedenen Tierärzten immer wieder gute Erfahrungen gemeldet. Bei Pferden mit Arthrose, Spat oder auch Sehnenschäden kann daher die Grünlippmuschel unterstützend im Heilungsprozess oder zur Linderung der Beschwerden wirken. Dr. Dorothe Meyer erläutert: „Das Extrakt der grünlippigen Muschel Neuseelands enthält unzählige nutritiv wertvolle Inhaltsstoffe, darunter nicht nur Glykosaminoglykane, sondern auch das antioxidativ wirksame native Öl der Muschel. Jüngst fassten neuseeländische Wissenschaftler die bisher vorliegenden Daten zum Nutzwert dieses Schalentieres in der Tierernährung zusammen: Insbesondere einen positiven Effekt auf den Bindegewebsstoffwechsel konnte eine Vielzahl der zugrundeliegenden Studien beweisen. Die Publikation von Dörrzopf beweist die Wirkung insbesondere beim Pferd.“ Schon bei der Herstellung kommt es auf größte Sorgfalt an, verrät die Tierärztin. „Die Zucht der Muschel erfolgt an speziellen Seilen, nur vitale Muscheln bleiben an diesen Seilen, kranke und schwache fallen ab. Die werden aber auch aufgesammelt und eventuell mit anderen Muscheln zusammen aufgelesen und verarbeitet. Hier muss man vorsichtig sein und nur von Anbietern mit einem guten Ruf kaufen. Der Hersteller sollte ausschließlich das Muschelpulver, das auch in der Pharmazeutik eingesetzt wird, erwerben. Neben der chargenbezogenen Analyse der Muscheln selbst sollte auch der Fettgehalt (Lyprinol-Anteil) im Auge behalten werden. Außerdem muss der Hersteller den Gehalt an Arsen, Quecksilber, Fluor sowie Cadmium im Labor überprüfen lassen, damit er ein sicheres Produkt anbietet. Der Kunde kann diese Analysen anfragen.“ Aber wie sieht es mit dem tierischen Produkt in der Pferdefütterung aus? Dr. Dorothe Meyer hat diesbezüglich keine Einwände: „Pferde können tierische Eiweißquellen gut verwerten, und es spricht nichts dagegen, ihren Speiseplan damit in begrenzten Mengen aufzuwerten. Der Anteil an Muschelpulver in einer Gesamtration von beispielsweise zwölf Kilogramm am Tag beträgt aber meist unter 0,1 Prozent.“ Das von Dr. Frank Reimann bereits erwähnte Öl in den Muscheln, welches einen hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren enthält, erachtet auch Dr. Dorothe Meyer als besonders wichtig. Leider ist es aber bei Weitem nicht in allen Produkten enthalten. „Zu beachten ist bei der Auswahl muschelhaltiger Zusatzfutter, dass nach Möglichkeit die gesamte Muschel verwendet werden sollte, da alle Teile wertvoll sind. Viele Hersteller greifen aber auf entölte Muschelrückstände zurück, da diese natürlich sehr viel günstiger sind – leider ist aber gerade das Öl der Muschel besonders wertvoll. Es sollten nur bei der Ernte noch lebende Muscheln verarbeitet werden, und das Produkt sollte auch nicht durch andere Muschelarten verunreinigt sein, damit das Pferd davon wirklich profitieren kann.“
Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie in der Mein Pferd Februar- Ausgabe.