Öle In der Pferdefütterung haben Öle längst ihren Platz gefunden. Aber sind alle Öle gleich gut? Und welche Rolle spielt der Anteil an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren? Wann welche Öle sinnvoll sind und was es zu beachten gilt.
Eine Plastikflasche Sonnenblumenöl aus dem Discounter, ein Kanister Leinöl aus dem Fachhandel oder Rapsöl aus dem Reformhaus: Der Blick in die Futterkammern unserer Ställe offenbart ein Potpourri unterschiedlichster Öle, die zusätzlich zur Kraftfutter-Ration im Trog landen. Aber sind diese Öle alle gleich gut für unsere Pferde und wozu sollte man Öle überhaupt füttern? Wir haben Experten gefragt und einen Blick in verschiedenste wissenschaftliche Studien geworfen.
Doppelt so viel Energie wie Stärke
„Es gibt unterschiedliche Ansätze für den Einsatz von Ölen in der Pferdefütterung“, erklärt Prof. Dirk Winter von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. „Ein Aspekt ist die Energiezufuhr. Ein Gramm Öl hat doppelt so viel Energie wie ein Gramm Stärke. Besonders bei Pferden, die Stoffwechselprobleme haben und wenig Kohlenhydrate aufnehmen sollen, lässt sich die Stärke durch Öl ersetzen.“ Aber auch gesunde Pferde profitieren von Ölen, wenn sich dadurch das Füttern großer Getreidemengen vermeiden lässt. Rennpferde zum Beispiel benötigen viel Energie. Der Einsatz von Kraftfutter ist jedoch limitiert, denn Pferde sollten maximal 1 g Stärke pro kg Lebendmasse und Mahlzeit bekommen, um Verdauungsprobleme zu vermeiden. Durch Öle lassen sich große Futtermengen reduzieren und der Verdauungsapparat wird nicht überlastet, weiß der Experte. Obwohl Pferde keine Gallenblase besitzen, ist die Ölfütterung bei Einhaltung der Höchstmenge (s. Kasten S. 80) kein Problem. Gibt es aber Öle, die besonders gut verdaulich sind? „Die Öle, die wir unseren Pferden füttern, haben alle eine Verdaulichkeit von mehr als 80 Prozent“, weiß Prof. Winter und nennt einen weiteren Vorteil von Ölen in der Pferdefütterung: Sie binden Staub. Ein Schuss Öl über Hafer & Co. ist bei Pferden mit Equinem Asthma hilfreich. Zusätzlich können Omega-3-Fettsäuren bei chronischem Husten die Symptome lindern.
Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren
Bei der Frage nach einem guten Öl kommt in der menschlichen Ernährung immer wieder der Hinweis, auf die enthaltenen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren zu achten. Der Mensch benötigt sowohl Omega-3- als auch Omega-6-Fettsäuren. Doch die Omega-6-Fettsäuren haben einen schlechten Ruf, da sie nicht nur entzündungslindernde Prozesse in Gang setzen, sondern auch entzündungsfördernde. In unserer Ernährung wird daher gerne davon gesprochen, dass ein Verhältnis der Omega-6-Fettsäuren zu Omega-3-Fettsäuren unter 5:1 als optimal gilt – in der Regel nimmt man mit seinem Essen aber eher 10- bis 20-mal so viel Omega-6 wie Omega-3 zu sich. Und bei Pferden? „Die Nachteile, die Omega-6-Fettsäuren in großen Mengen haben, sehe ich in der Pferdefütterung nicht als problematisch an“, erklärt Prof. Dirk Winter. Auch Tierärztin und Ernährungsexpertin Dr. Franziska Bockisch weist zunächst darauf hin, dass Omega-6-Fettsäuren per se nicht schlecht, sondern auch nötig sind: „Von dem Schwarz-Weiß-Sehen, dass Omega-3-Fettsäuren gut und Omega-6-Fettsäuren schlecht sind, ist man abgekommen. Man spricht auch bei Pferden von dem Verhältnis der beiden Fettsäuren zueinander, ja, aber man weiß, dass beide Fettsäuren essenziell sind, also über die Nahrung zugeführt werden müssen. Auch ein Mangel an Omega-6-Fettsäuren macht sich bemerkbar, das Pferd bekommt zum Beispiel schuppige, trockene Haut. Wie die Fettsäuren im Körper funktionieren bzw. wirken, richtet sich danach, was dem Pferd bereits über die Grundration gefüttert wird. Fette werden zum Beispiel über Gras aufgenommen, das Omega-6-Fettsäuren und einen hohen Anteil Omega-3-Fettsäuren (65 %) enthält. Diese Menge reicht für einen gesunden Stoffwechsel. Über die Ölfütterung holen wir eigentlich die Vorteile der Weide in den Stall.“
Wird ein Pferd hauptsächlich mit Heu und Getreide ernährt, entsteht ein „kleines Missverhältnis“ von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren, wie die Fütterungsexpertin es nennt. „Beide Fettsäuren sind zwar essenziell und beteiligt an der Bildung von Entzündungshemmern, aber dass man Omega-3-Fettsäuren eine positivere Wirkung zuschreibt, hat auch seine Berechtigung, wie verschiedene Studien zeigen. Die Immunreaktion auf bestimmte chronische Erkrankungen wird verbessert.“ So haben Wissenschaftler beispielsweise die Wirkung von Omega-3-Fettsäuren bei chronischem Husten, Gelenkproblemen, beim Equinen Metabolischen Syndrom (EMS) oder beim Sommerekzem untersucht – immer mit dem Ziel herauszufinden, wie Omega-3-Fettsäuren Entzündungsprozesse beeinflussen und die Leistung verbessern. In einer Studie hat man sich zudem damit beschäftigt, ob sich die Spermaqualität durch Omega-3-Fettsäuren verbessern lässt (siehe Kästen).
Doch trotz ihrer entzündungshemmenden Eigenschaften sollte man Öle mit hohem Omega-3-Fettsäuren-Anteil nicht als das Allheilmittel sehen. „Die Gabe von essenziellen Fettsäuren hat ihren Effekt, aber das entbindet uns nicht davon, Pferden ein gesundes Leben zu ermöglichen. Ein Pferd, das acht Stunden auf der Weide steht, hat genug Bewegung und nimmt ausreichend Fettsäuren übers Gras auf. Eine Fütterung von Ölen wäre hier nur sinnvoll, wenn das Pferd mehr Energie benötigt, weil es sich um ein Hochleistungspferd handelt“, so Dr. Franziska Bockisch.
Welche Vitamine stecken drin?
In der Regel werden Öle vor allem als Energielieferant und wegen ihrer essenziellen Fettsäuren gefüttert. Vitamin A und D kommen nur in sehr geringen Mengen vor, bei einigen Ölen wird allerdings der hohe Vitamin E-Gehalt beworben. Vitamin E unterstützt Herz- und Skelettmuskulatur und das Immunsystem. Außerdem hemmt es die Bildung entzündungsfördernder Botenstoffe, hat also beispielsweie einen positiven Effekt auf entzündliche Prozesse in den Gelenken. Sonnenblumenöl zählt zu den Vitamin-E-reichen Ölen, 100 Gramm enthalten durchschnittlich etwa 60 mg Vitamin E. „Solche Mengen reichen aus, um die antioxidativen Prozesse abzufangen, die durch das Öl im Körper stattfinden“, erklärt Dr. Franziska Bockisch. Denn bei der Fütterung von Öl benötigt der Körper deutlich mehr Vitamin E. „Die Mengen im Öl reichen aber nicht aus, um einen weiteren Bedarf an Vitamin E, der auch über eine Heufütterung nicht abgedeckt ist, auszugleichen. Es kommt auf eine Ausgewogenheit in der Ration an.“ Auch hier gilt: Über Gras werden Pferde ausreichend mit Vitamin E versorgt. Da der Vitamin E-Gehalt im Heu geringer ist, ist ein Zufüttern im Winter angezeigt. Als direkter Vitaminlieferant können Öle daher nicht mit anderen Futtermitteln mithalten. Ein Aspekt, der aber auch sein Positives hat: „Da Öle keine weiteren Nährstoffe enthalten, muss man bei der Rationsberechnung nur den Energiewert des Öls berücksichtigen. Mineral- und Vitaminfutter können weiterhin in der üblichen Dosis eingesetzt werden“, so Prof. Dirk Winter.
Welches Öl ist gut?
Der Studiendekan ist der Ansicht, dass die Aspekte Energiezufuhr und Staubbindung die wesentlichen Vorteile einer Ölfütterung sind. Entsprechend hält er alle pflanzlichen Öle, die in der menschlichen Ernährung zum Einsatz kommen, auch für Pferde geeignet. „Kaltgepresste Öle haben eine höhere Wertigkeit. Die Frage ist nur, ob man dies in der Pferdefütterung wirklich braucht.“ Er würde auch ein Sonnenblumenöl aus dem Dis- counter verfüttern, wenn es um Energiezufuhr und Staubbindung geht.
Sind einem die essenziellen Fettsäuren besonders wichtig, greift man am besten zu einem Öl, in dem das Verhältnis von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren ähnlich dem des Grases ist, rät Dr. Bockisch. „Am besten wären hier Fischöle, die beim Pferd aber eher unterrepräsentiert sind. Dabei gibt es auch Fischöle, an die sich Pferde gewöhnen können, sowie Fischöle ohne Geschmack.“ Getreideöle, wie etwa Sonnenblumenöl, sind sehr häufig in der Pferdefütterung anzutreffen. Sie enthalten wesentlich mehr Omega-6- (über 50 %) als Omega-3-Fettsäuren (etwa 10 %) und erreichen daher nicht das vorteilhafte Verhältnis, das Gras vorzuweisen hat.
Gut hingegen schneidet Leinöl bei der Fütterungsexpertin ab. „Der Klassiker Leinöl hat seine Berechtigung, da es einen Anteil von 54 Prozent Alpha-Linolensäure hat – einer Vorstufe zu EPA und DHA (siehe Kasten Seite 77). Auch Algenöle sind gut. Sie enthalten sowohl viel Linolen wie auch EPA und DHA“, weiß Dr. Franziska Bockisch. Der Ernährungsexpertin fällt auf, dass immer mehr Futterprodukte mit der Spirulina-Alge Einzug in der Futtermittelindustrie halten.
„Wenn die Rohstoffe dafür ordentlich kontrolliert werden, ist das auch geeignet. Die Akzeptanz bei den Pferden kann aber eine Herausforderung sein: Manche Pferde haben kein Problem mit Algen, andere mögen sie gar nicht.“
Achtung: Richtig lagern!
Empfindlich sind manche Pferde auch, wenn ein Öl ranzig wird – und das ist auch gut so, denn sonst drohen Verdauungsbeschwerden wie Durchfall. „Bei bestimmten Ölen wie Leinöl, das von sich aus schon etwas bitter ist, schmeckt und riecht man es leider erst, wenn das Öl schon stark ranzig ist“, erklärt Dr. Bockisch. Vor allem Öle mit einem hohen Anteil an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren oxidieren schneller. „Damit ein Öl lange haltbar ist, sollte man es wie auf der Verpackung angegeben lagern. Also möglichst kühl, nicht im Sonnenlicht und trocken“, rät Prof. Winter, der wie auch Dr. Bockisch darauf hinweist, dass Antioxidantien bei fettreichen Futtermitteln wichtig sind, um die Fette zu stabilisieren, also haltbarer zu machen.
Pflanzenöle vs. ätherische Öle
Sowohl Pflanzenöle wie auch ätherische Öle werden aus Pflanzen gewonnen und tragen den Namen „Öl“. Und dennoch: Ätherische Öle enthalten im Gegensatz zu den Pflanzenölen keine Fette. „Diese haben nur insofern etwas mit Fetten zu tun, als dass sie fettlöslich und hydrophob sind, also wasserabstoßend. Ätherische Öle sind eine ganz andere Kategorie und haben nichts mit den Fetten aus der Pferdefütterung zu tun“, so Prof. Winter. Es handelt sich vielmehr um leicht flüchtige, sekundäre Pflanzenstoffe. Diese haben eine spezielle Wirkung, die sich von Heilpflanze zu Heilpflanze unterscheidet. Sekundäre Pflanzenstoffe lassen sich auf verschiedenste Weise nutzen: in Form von ätherischen Ölen, als frische oder getrocknete Heilpflanze, als Sirup, Tinktur oder als Kräuteressig.
Ätherische Öle sind vor allem aus der Aromatherapie bekannt. Lavendelöl etwa soll Pferde während eines Transports oder bei extremem Lärm beruhigen, das wurde wissenschaftlich in Studien nachgewiesen.
Einigen Pferdebesitzern ist das frei verkäufliche Medikament Colosan ein Begriff, das bei Blähungen und Bauchschmerzen helfen soll. Es enthält verschiedene ätherische Öle wie Sternanisöl, Bitterfenchelöl, Kümmelöl, Kassiaöl sowie zusätzlich Schwefel und Leinsamenöl. Klassiker im Kampf gegen Husten sind Thymian, Schwarzkümmel, Anis, Fenchel, Süßholzwurzel, die zusammen Schleim lösen, Hustenreiz lindern und die Abwehr stärken sollen. Da ätherische Öle hochkonzentriert sind, dürfen sie innerlich nur vorsichtig dosiert angewandt werden. Uta Ochsenbauer, die das Buch „Heilkräuter für Pferde“ geschrieben hat, empfiehlt zur inneren Anwendung, einen Tropfen eines ätherischen Öls mit einem Glas Wasser zu mischen und diese Mischung übers Futter zu kippen. Wichtig: Das Pferd muss bei dieser Verabreichung das Öl mögen und gerne fressen. Vom Inhalieren mit ätherischen Ölen raten einige Tierärzte ab, da Pferde empfindliche Schleimhäute haben, die durch die ätherischen Öle gereizt werden können.
Ätherische Öle sind gemäß Anti-Doping- und Medikamentenkontroll-Regeln (ADMR) der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) bei äußerlicher Anwendung und in Futtermitteln bis zu einer Konzentration von 0,5 % erlaubt, darüber hinaus und bei innerlicher Anwendung gelten sie als verbotene Substanz. Wer sich mit ätherischen Ölen nicht auskennt, lässt sich am besten von einem Fachmann bzw. Tierarzt beraten.
Text: Kerstin Wackermann, Bild: