Text: Nicole Audrit Foto: michelangeloop – stock.adobe.com
Durch den sehr heißen und trockenen Sommer im vorherigen Jahr herrscht bekannterweise vielerorts Heuknappheit. Stallbetreiber ziehen alternative Futtermittel in Betracht oder reduzieren die Menge des Heus drastisch. Pferdebesitzer sind nicht immer ganz glücklich mit den Alternativen und machen sich – möglicherweise zu Recht – Sorgen um die Gesundheit ihres Tieres. Unsere Experten klären, was problematisch und was akzeptabel ist.
Nach einem qualitativ guten ersten Schnitt fiel in vielen Regionen – insbesondere im Norden und Osten Deutschlands – der zweite Schnitt Heu fast komplett weg. Vielerorts, auch in den Nachbarländern Deutschlands, herrschte enorme Knappheit, außerdem stiegen dadurch natürlich auch die Preise. „In etlichen Bundesländern wurde daher die Nutzung von sogenannten Brachflächen zu Futterzwecken erlaubt. Die Nutzung von diesen Flächen birgt allerdings ein erhöhtes Risiko des Eintrags von Giftpflanzen in die Ration. Bei Verdacht sollte daher das geerntete Heu durch kompetente Untersucher bewertet werden“, warnt Dr. Anne Mößeler, Fachtierärztin für Tierernährung. Da die Weiden schon im letzten Spätsommer nicht mehr ausreichend Nahrung zur Verfügung stellten, musste schon früh mit Heu zugefüttert werden – dies reduzierte die ohnehin knappen Vorräte nochmals. Aufgrund der gestiegenen Preise und der limitierten Verfügbarkeit machten sich viele Stallbetreiber und Pferdebesitzer auf die Suche nach Alternativen zu Heu in der Pferdefütterung.
Evolutionsbedingte Anforderungen
Bevor es an die Suche nach Alternativen geht, muss man sich zunächst die Eigenschaften von Raufutter und insbesondere von Heu anschauen. Heu versorgt das Pferd nicht nur mit essenziellen Nährstoffen und Energie, sondern hat auch enorme Auswirkungen auf den Verdauungsprozess. Dr. Anne Mößeler erklärt, warum Raufutter einen so großen Stellenwert in der Pferdefütterung einnimmt: „Der Stoffwechsel vom Pferd ist evolutionsbedingt auf die kontinuierliche Nahrungsaufnahme ausgelegt: Der Magen ist relativ klein und besitzt keine Dehnungsrezeptoren, und der voluminöse Dickdarm ist mit der umfangreichen Mikroflora an die Verdauung faserreicher Futtermittel angepasst.“ Ein weiterer Punkt ist die Auswirkung von Raufutter auf das Verhalten, da die Futteraufnahme auch einen beschäftigenden Aspekt hat. Betrachtet man die Fressdauer bei unterschiedlichen Futtermitteln, sind deutliche Unterschiede erkennbar. „Um die gleiche Energiemenge aufzunehmen, benötigt ein Pferd bei ausschließlicher Fütterung von Hafer zehn Minuten, bei Heu etwa 60 Minuten und bei Stroh etwa 130 Minuten“, so Dr. Anne Mößeler.
Einschränkungen begrenzt möglich
Die Ressourcenknappheit macht Sparmaßnahmen verständlich, allerdings darf ein gewisses Mindestmaß an Raufutter nicht unterschritten werden, da ansonsten gesundheitliche Schäden drohen. Die Fütterung von Heu sollte optimiert werden, sodass Verschwendung reduziert wird. In diesem Zusammenhang bietet sich beispielsweise die Fütterung in Heuraufen, -netzen oder -toys an. „Eine Heumenge von 1,5 kg Heu pro 100 kg Körpermasse des Pferdes gilt als Mindestmenge. Diese Mindestmenge dient sowohl der Befriedigung des Kaubedürfnisses des Pferdes als auch einer ausreichenden Speichelproduktion und sichert die Versorgung der Dickdarmflora mit ausreichendem Substrat“, erklärt Dr. Anne Mößeler. „Idealerweise sollte ein Pferd keine längeren Phasen – über sechs Stunden – ohne Futteraufnahme verbringen. Dennoch ist auch die Ad-libitum-Fütterung nicht für jedes Pferd geeignet und kann – abhängig von der Leistung, der Rasse und den Haltungsbedingungen – mit einem hohen Risiko der Verfettung verbunden sein“, so die Tierärztin. Futterexpertin Constanze Röhm richtet die Mindestmenge an Raufutter nach der Bedarfsgrenze des einzelnen Pferdes: „Der Bedarf orientiert sich nicht zwangsläufig an der Faustformel, sondern an der individuellen Appetitgrenze des Pferdes. Kurzfristig kann die Fütterung 20 Prozent unter diesem Bedarf liegen. Langfristig hat ein Mangel negative Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit – Verhaltensauffälligkeiten, Koliken und Magenprobleme sind die Folge.“
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