Kolik, Hufrehe und Co.–wenn Ihre Pferde betroffen sind, vergessen Sie die üblichen Verdächtigen! Haben Sie stattdessen schon einmal an die tödliche Herbstzeitlose mit den verführerischen lila Blüten gedacht?
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“, ist wahrscheinlich die bekannteste Frage aus der Märchenwelt. Vom äußeren Schein des wunderschönen roten, aber vergifteten Apfels geblendet, beißt Schneewittchen ein Stück ab und fällt tot zur Erde nieder. Prachtvoll wie der Apfel erscheint auch die lila schimmernde Herbstzeitlose. Doch die Pflanze birgt ein böses Geheimnis – allein der Kontakt mit ihr kann tödlich enden.
Der 13-jährige Wallach Rudy kam der Blume auch schon einmal zu nah. Er hatte im Frühjahr eine starke Kolik, überlebte diese zum Glück. Er bekam wie jeden Tag seine Portion Müsli und Heu, so dass der Tierarzt und die Besitzerin keinen offensichtlichen Auslöser für Rudys Kolik finden konnten. Deshalb schickten sie eine Futtermittelprobe zur Analyse ins Labor. „Meist werden mehrere Heuproben sowie das aktuell verwendete Kraftfutter zur Untersuchung eingesendet“, erklärt Dr. Petra Wolf, Leiterin des Dienstleistungsbereichs des Instituts für Tierernährung der Stiftung Tierärztliche Hochschule (TiHo) Hannover. „Zuerst wird eine mikrobiologische Untersuchung vorgenommen. Sind in den Proben keine Abweichungen von den üblichen Orientierungswerten, wird eine botanische Untersuchung durchgeführt. So erhält man dann oft die erschreckende Nachricht: Herbstzeitlose im Heu!“
Herbstzeitlose: Auch getrocknet noch giftig
Wie der Name der Herbstzeitlose schon sagt, bringt die Giftpflanze erst im Herbst, vom August bis November, ihre großen, rosafarbenen bis hell violetten Blüten hervor. Weniger bekannt ist jedoch, dass sich die dunkelgrünen Blätter zusammen mit den Früchten schon im Frühjahr im April entwickeln, also vor der Heuernte. Somit ist die Gefahr, die Giftpflanze im Heu wiederzufinden, sehr hoch. „Denn auch das Trocknen der Herbstzeitlose, wie etwa bei der Heugewinnung, hat keinen Einfluss auf den Giftgehalt. Die toxischen Inhaltsstoffe bleiben im Heu auch nach längerer Lagerung erhalten“, berichtet Dr. Wolf von der TiHo.
Die Herbstzeitlose wächst in der Regel auf feuchten, nährstoffreichen Wiesen. Verbreitet ist sie vor allem in Süd- und Mitteleuropa. Eine besondere Gefahr besteht zum Beispiel auf Triebwegen und auf Umtriebsweiden. Da die ausgefallenen Samen Klebdrüsen besitzen, heften sie sich an den Klauen oder Hufen der Tiere fest, werden bei Viehumtrieben leicht verschleppt und verbreiten sich sehr schnell.
Besonders gefährdet
Gerade für die geliebten Vierbeiner wie Pferde, Hunde und Katzen ist die Herbstzeitlose hochgiftig. Am gefährlichsten ist sie jedoch für das Pferd. Wie bei dem Wallach Rudy nehmen die Pferde den Giftstoff zumeist über das trockene Heu auf. Bei einer Vergiftung können Koliken auftreten. Doch wer denkt dabei an die Herbstzeitlose? Meist werden Tierärzte erst hellhörig, wenn mehrere Symptome auftreten. Dr. Petra Wolf hat mit ihren Kollegen zehn Fallbeispiele betrachtet und dadurch die klinischen Symptome bei Pferden nach der Aufnahme von Herbstzeitlosen ermittelt. „Bei geringer Aufnahme der Giftpflanze haben Pferde Durchfall, der zum Teil auch blutig ist. Bei höherem Giftstoffgehalt entstehen Koliken, Hufrehe, Ödeme und Atemwegsgeräusche. Fatal wird es dann, wenn man im Urin des Pferdes Blut vorfindet, es hustet, es eine starke Kolik oder Atemlähmung hat. Denn dies führt zu 90 Prozent zum Tod.“
Die Bekämpfung ist langwierig
Um die Herbstzeitlose wirkungsvoll von den Weiden fernzuhalten, müssen einige wichtige Punkte beachtet werden. „Bei einem späten ersten Schnitt der Wiesen zur Heugewinnung oder bei fehlender Nachmahd auf Weiden können die Samen ausreifen und sich auf den Flächen verbreiten“, erklärt Dr. Ulrich Thumm vom Institut für Kulturpflanzenwissenschaften der Universität Hohenheim. „Daher kann die Herbstzeitlose durch eine Intensivierung der Nutzung mit frühem erstem Schnitt zurückgedrängt werden.“ Denn dadurch wird die Pflanze geschwächt. Ein früher Nutzungszeitpunkt verändert die Bestandszusammensetzung. Allerdings ist dies für manche betroffene Flächen aufgrund von Auflagen zum Schutz artenreicher Grünlandflächen nicht machbar. Der Biologe empfiehlt deswegen als direkte Bekämpfung, die Pflanzen Anfang Mai auszureißen (Achtung: Handschuhe tragen und im Anschluss die Hände waschen). Bei größeren Flächen ist dies jedoch sehr arbeits- und zeitaufwendig. „Ebenso kaum praktikabel ist ein Aussortieren der Pflanzenteile aus dem Heu vor der Verfütterung zum Schutz der Tiere.“
Text: Redaktion Foto: imago images/ Blickwinkel