Frühling Kurzes Gras ist gut für Rehepferde, und Abäppeln ist auf Weiden nicht nötig? Falsch gedacht! Jedoch sind Sie mit Ihren Annahmen nicht alleine. Wir räumen mit den Mythen rund um das Thema Weide auf.
Pferde wissen, was giftig ist
Viele nehmen an, dass Pferde automatisch keine giftigen Pflanzen zu sich nehmen. Diese Annahme ist falsch! Pferde meiden Giftpflanzen nicht instinktiv, sondern müssen ein selektives Fressverhalten erst lernen. Generell erstreckt sich die Hauptprägungsphase von der Geburt bis zum neunten Lebensmonat. Alle Verhaltensweisen, die das junge Pferd bis dahin nicht von seiner Mutter oder von Artgenossen in der Herde gelernt hat, sind auch nicht vorhanden. Pferde lernen zwar ein Leben lang, jedoch ist die Aufzucht von entscheidender Bedeutung. Je artgerechter die Umgebung ist, in der ein Fohlen und seine Mutterstute aufwachsen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie besser zwischen gesunden und giftigen Pflanzen unterscheiden können. Die Fohlen gucken sich also genau ab, welche Pflanzen die Mutter frisst und welche nicht. Gerade importierte Pferde neigen dazu, Giftpflanzen zu fressen, denn in anderen Ländern gibt es auch andere giftige Sträucher, Büsche und Gräser. So kann es nicht wissen, welche unserer Pflanzen giftig sind, und muss diese Selektion erst von anderen Artgenossen erlernen.
Auf der Weide muss man nicht abäppeln
Dass eine große Weidefläche nicht abgeäppelt werden muss, stimmt nicht. Weidehygiene ist ein wichtiges Thema, da immer mehr Wurmarten Resistenzen entwickeln. Hinzu kommt, dass das Gras an Stellen, auf denen Kot lag, nicht mehr gefressen wird. Es entstehen Geilstellen, und es kommt zu einer starken Stickstoff-, Phosphat- und Kalianreicherung im Boden. Nicht zu empfehlen ist laut der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft das generelle Abschleppen der Wiesen zur Verteilung der Äppel, da der Geilstellenanteil dadurch unweigerlich erhöht wird und sich im Kot befindliche Weideparasiten verbreiten könnten. Das Abäppeln hingegen vermindert den möglichen Infektionsdruck durch Parasiteneier oder -larven.
Die Form der Weide ist egal
Pferde brauchen, abhängig von der Nutzungsintensität und der Anzahl der Tiere, natürlich ausreichend Weidefläche. Man könnte annehmen, dass die Form der Koppel keine Rolle spielt, jedoch ist sie sehr wichtig. Lange, rechteckige Koppeln eignen sich deutlich besser als quadratische Koppeln. Pferde beschleunigen, stoppen und wenden vor allem, wenn sie mit Artgenossen spielen. Dabei wird die Grasnarbe extrem belastet. Je kleiner die Weidefläche, desto größer die Belastung. Bei einer langen, rechteckigen Weide können sie laufen, ohne sofort wieder bremsen zu müssen. Eine größere Wiese ist natürlich auch einem geringeren Parasitendruck ausgesetzt.
Ein hoher Fruktangehalt ist gefährlich
Tückisch sind nicht nur das erste Gras im Jahr (etwa Mitte April bis Ende Mai) und das letzte im Herbst (etwa zwischen Oktober und November), denn der Fruktangehalt schwankt sogar abhängig von der Tageszeit. Ein sehr hoher Gehalt im Grasstängel ist besonders an sonnigen Nachmittagen oder Abenden und in den ersten Morgenstunden nach kalten Nächten zu finden. Steigende Temperaturen senken generell den Fruktangehalt im Gras, fallende hingegen führen zu einem Anstieg. Auch die Witterungsverhältnisse beeinflussen den Fruktangehalt. So ist er in Zeiten von Niederschlagsmangel erhöht, da dem Gras die Feuchtigkeit zum Wachsen fehlt und die Stängel „voll mit Energie“ sind, die nicht umgewandelt wird. Ähnlich ist es bei kalten Temperaturen wie bei Nachtfrost, wenn das Gras langsamer wächst und mehr Fruktan im Stängel einspeichert.
Anweiden ist nur bei empfindlichen Pferden nötig
Die Umstellung von struktur- und rohfaserreichem Heu auf wasser- und zuckerreiches Gras ist eine Herausforderung für die Dickdarmflora des Pferdes. Und zwar nicht nur zu Beginn der Weidezeit. Auch Pferde, die mitten in der Weidesaison eine Zeitlang kein Gras fressen, müssen wieder langsam an die neue Futtersituation gewöhnt werden. Bei jeder längeren Pause sollten Sie die empfindliche Verdauung des Pferdes berücksichtigen. Beginnen Sie am besten für 15–30 Minuten mit dem Anweiden an der Hand. Über zwei bis drei Wochen steigern Sie die Weidezeit, sodass sich der Darm an die zunehmende Eiweiß- und Zuckerkonzentration gewöhnen kann. Niemals sollten Sie das Pferd ganze Stunden auf die Wiese lassen, wenn es noch nicht angeweidet ist.
Weidelgras eignet sich nicht für die Weiden
Dieser Mythos hält sich hartnäckig, dabei ist diese hübsche Grasart gar nicht so verkehrt: Das Deutsche Weidelgras ist ein Untergras, welches gerade auf intensiv genutzten Pferdeweiden entscheidend für die hohe Belastbarkeit ist. Zudem sind diese Gräser auch noch schmackhaft fürs Pferd. Der Mythos besagt, dass diese Grasart einen sehr hohen Fruktangehalt hat, den die Pferde nicht vertragen können. Diese Annahme stimmt nicht. Tatsächlich ist der Gehalt nur geringfügig höher als bei anderen Grasarten. Viel gravierender für den Anteil an Fruktan ist die Jahres- und Tageszeit. Das Weidelgras wächst gut nach, setzt Düngemittel sehr gut um und ist auch für die Über- oder Nachsaat geeignet.
Neu säen nach der Saison
Nur wenn das Gras abgefressen ist, sollte nachgesät werden? Nein, die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft sagt, „bedingt durch die hohe Belastung von Pferdeweiden sind Über- und Nachsaat als feste, regelmäßige Maßnahmen im Flächenmanagement einzuplanen“. Je nach Bedingung ist eine Saat von März bis Ende September möglich. Gesät werden sollte, wenn der Boden feucht ist. In der nächsten Zeit sollte die Saat dann Ruhe und keine weitere Belastung haben.
Die Weide muss erst nach der Saison gepflegt werden
Um eine gute Weide zu erhalten, sollte sie gut gepflegt werden. Dazu gehört auch das Nachmähen und Mulchen, was während der Weidesaison sowie nach der Saison geschehen sollte. Auch wenn sich Unkraut und Geilstellen ausbreiten, muss gehandelt werden. Ein rechtzeitiger Schnitt kann das Aussamen von Unkraut verhindern. Beim Mulchen wird der Aufwuchs abgeschlagen und zerkleinert. Er verbleibt als Gründünger auf der Wiese. Das Abschleppen zum Einebnen von Maulwurfshügeln oder Trittschäden ist sinnvoll und kann mit der Nachsaat kombiniert werden. Aber denken Sie daran: Vorher abäppeln!
Hufrehe-Pferde auf kurze Wiesen stellen
Sie haben gehört, dass von Hufrehe betroffene Pferde nur auf abgefressenen Weiden stehen sollen? Das ist ein gefährlicher Irrglaube, denn abgefressenes Gras ist stark gestresst. Der Fruktangehalt ist in den kurzen Stängeln deutlich höher als in langen. Die Enzyme des Dünndarms des Pferdes können Fruktane nur unvollständig zerlegen, sodass die Reste im Dünndarm das ökologische Gleichgewicht der Mikroorganismen stören. Stellen Sie deshalb das Pferd für kurze Zeit auf langes Gras, eventuell mit einer Fressbremse. Das ist ungefährlicher für das Pferd.
Text: Lara Wassermann, Bild: slawik.com