Text: Inga Dora Schwarzer Foto: www.Slawik.com
Endlich ist es da! Die ersten Tage mit einem neuen Pferd sind voller Überraschungen und Herausforderungen. Der Vierbeiner muss sich an eine neue Umgebung und eine neue Bezugsperson gewöhnen. Wie Sie dem Neuling helfen, sich schneller zu Hause zu fühlen, erklärt unsere Expertin Daniela Kämmerer
Unruhe, Herzklopfen, Schwitzen, Zittern, eine gesteigerte Atmung und Muskelanspannung sind typische Merkmale, wenn wir aufgeregt sind. Nervosität und eine innere Anspannung vor wichtigen oder unerwarteten Ereignissen und Aufgaben gehören zum Leben dazu und sind ganz normal. Der Körper schüttet vermehrt Adrenalin aus. Das Stresshormon versetzt uns in Alarmbereitschaft und hilft, sich ohne Ablenkung auf das Wesentliche zu konzentrieren. Oft macht gerade die Aufregung das Besondere eines Moments aus.
Umzug löst Stress aus
Aufregung mit all ihren körperlichen und psychischen Symptomen besteht nicht nur bei uns Menschen, sondern auch bei den Tieren. „Je mehr Neues um ein Pferd herum passiert, desto größer ist das Stresspotenzial. Wenn die Menschen und die Pferde neu sind und die Umgebung selbst auch, ist das erst mal ein maximal unsicherer Zustand. Das Pferd weiß nicht, was es erwartet, und seine Natur rät ihm, eher mit dem Schlimmsten zu rechnen. Und je nach Typ trägt sich das auch mehr oder weniger nach außen“, erklärt Daniela Kämmerer, Pferde-Menschen-Coach und Ausbilderin aus Hamburg.
Dieser große Einschnitt in ihrem Leben zeigt sich z.B. durch eine starke Anspannung und Schreckhaftigkeit, abrupte Reaktionen, Unruhe oder Abwehrreaktionen (z.B. Kopfschlagen oder -hochreißen, Treten mit einzelnen Beinen und erhöhte Berührungsempfindlichkeit). Ein sehr aktives Ohrenspiel, weit aufgerissene Augen und Nüstern, ein hoher Muskeltonus, vermehrtes Schwitzen bis hin zu erhöhtem oder vermindertem Durst und Appetitlosigkeit können weitere Anzeichen sein, zählt die Expertin auf. „In manchen Fällen schlägt die Stressreaktion sogar in Lethargie und Teilnahmslosigkeit um“, weiß sie. „Die ‚Freeze‘-Reaktion kann entstehen, wenn das Pferd schon länger in einem hohen Maß an Anspannung gelebt hat oder der Stress in der Situation selbst so groß wird, dass es als Selbstschutzmaßnahme keinen anderen Ausweg mehr sieht, als sich zu verschließen“, so die Trainerin weiter.
Das Pferd muss sich aber nicht nur an neue Eindrücke, Abläufe, Gerüche und Geräusche gewöhnen, sondern auch die Abwesenheit der früheren Herde und den Verlust von langjährigen Freundschaften verkraften. „Wenn Pferde aus ihrer gewohnten Gruppe genommen werden, sind sie oft sehr unruhig und angespannt. Sie wiehern nach anderen Pferden und versuchen, zu ihnen zu gelangen oder sich zumindest in ihre Richtung zu orientieren. Ist die alte Herde nicht erreichbar, wird – wenn möglich – Kontakt zu neuen Pferden aufgenommen. Nicht immer wird daraus sofort ein enger Kontakt, aber irgendein Pferd ist meist besser als gar keines“, erläutert die Ausbilderin. Viele Vierbeiner trauern richtig und leiden sogar über den Moment hinaus unter einer Trennung. „Das zeigt sich nicht immer offensichtlich. Doch sind unterschiedliche Veränderungen im Verhalten des Pferdes möglich“, meint Kämmerer. So könne ein sehr lebendiges Pferd plötzlich zurückhaltender werden, ein sehr ruhiges hingegen unruhig. Zudem könnten Pferde ihrer Meinung nach durchaus traurig aussehen und seien es dann auch. Als Herdentiere, die in sozialen Strukturen leben, bräuchten sie stets ein Gefühl der Sicherheit, um sich entspannen zu können. Sicherheit entsteht aber nur dann, wenn sie wissen und antizipieren können, was in ihrer Umgebung passiert, und diese keine Bedrohung für sie darstellt.
Mehr Tipps finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.