Zu viele Pfunde und eine ungünstige Hufsituation können im Winter gefährlich werden. Das Risiko, an Hufrehe zu erkranken, steigt. Ob Ihr Pferd gefährdet ist und was Sie tun können, um einen effektiven Schutz vor der gefürchteten Krankheit auf­ zubauen, erklärt die Hufexpertin Dr. Konstan

Hufrehe tritt nur im Frühjahr und Sommer auf – so lautet die traditionelle Sichtweise. Doch Dr. Konstanze Rasch, Präsidentin der Deutschen Huforthopädischen Gesellschaft e.V., erhält das ganze Jahr über Anfragen von Pferdebesitzern, deren Tiere an Hufrehe erkranken, auch jetzt bei den aktuell vorherrschenden Minusgraden. „Der Winter stellt nicht unbedingt die typische Hochzeit für eine Hufrehe dar, dennoch bleibt das Thema brandaktuell“, sagt sie. Der Grund? Die Strukturelemente des Hufes sind aufgrund ihrer sehr hohen biomechanischen Belastung anfällig für Erkrankungen durch Gewebeschäden. Es gibt daher immer wieder Pferde, die aufgrund bestimmter Umstände daran leiden – Tendenz steigend.

Blick ins Hufinnere

Ein Reheschub geht mit einer Entzündung in der Wandlederhaut einher. So kommt es zu einer Erkrankung des Hufbeinträgers. Ein Blick ins Innere des Hufs hilft, den Vorgang und seine Auswirkungen zu veranschaulichen: Los geht’s beim Hufbein, dem letzten Finger- bzw. Zehenglied des Pferdes. „Es ist das Element der Gliedmaße, das die Körpermasse im Stand sowie in der Fortbewegung auf den Huf und über diesen auf den Untergrund überträgt“, erklärt die Expertin. Das Hufbein ist fest in der Hornkapsel verankert, wobei das Gewicht des Pferdes aber nur im Hornschuh aufgehängt ist. „Ermöglicht wird diese Aufhängung durch die innige Verbindung von Wandlederhaut, die das Hufbein umgibt, und Blättchenhorn, welches die Hornkapsel von innen auskleidet“, weiß Dr. Rasch. Damit das verbindende Gewebe (der Hufbeinträger) den extremen Zugbelastungen standhalten kann, greifen viele kleine Lamellen wie winzige Klettverschlüsse ineinander. Sie bieten Stabilität und eine elastische Verbindung zugleich.

Ab einem bestimmten Schweregrad der Hufrehe werden diese Lamellen jedoch regelrecht „auseinandergezogen“ und können ihre Funktion nicht mehr erfüllen. „Wurde es versäumt, einen eigentlich moderaten Reheschub sachgerecht zu behandeln, so kann es zu einer hochgradigen Auflösung der Verbindung im Hufbeinträger und in der Folge zu einem Absinken des Hufbeins in die Hornkapsel kommen“, erläutert Dr. Rasch. Das hohe Gewicht des Pferdes wird jetzt nicht mehr im Aufhängeapparat abgefangen, sondern lastet auf den geschädigten Strukturen und sorgt hier für weitere mechanische Schädigungen.

Hufrehe: Entgleister Stoffwechsel

Verantwortlich für die Entzündung in der Wandlederhaut sind bestimmte Enzyme, die normalerweise für ein kontrolliertes und systematisches Lösen von Zellverbindungen sorgen, um das Nachwachsen des Hufhorns zu gewährleisten. Bei einer Hufrehe werden sie übermäßig aktiviert. „Auslöser für diese enzymatische Entgleisung sind u.a. Endotoxine, aber auch körpereigene Botenstoffe, wie sie im Falle einer schweren Allgemeinerkrankung, einer Vergiftung oder infolge von Stress- oder Schockzuständen vom Körper ausgeschüttet werden. Letztlich kann jede außerordentliche Belastung des Stoffwechsels in eine Hufrehe münden. Die bekanntesten Ursachen sind Überfütterung, Nachgeburtsverhaltung, Kortisongabe, Pituitary Pars Intermedia Dysfunction (PPID, früher Cushing Disease; Anm. d. Red.), Insulinresistenz, das Equine Metabolische Syndrom (EMS) sowie eine Überbelastung der Hufe“, erklärt Dr. Konstanze Rasch.

Eine Überbeanspruchung eines Hufes nach der Ruhigstellung des gegenüberliegenden Beines oder bestimmte Hufsituationen, die den Hufbeinträger dauerhaft stark beanspruchen, können eine sogenannte Belastungsrehe auslösen. Der harte, vor allem buckelig gefrorene Boden im Winter mache besonders dünnsohligen und hebeligen Hufen zu schaffen. Auf diese Weise könne es zu einer Sohlenlederhautentzündung und Hufrehe kommen. „Früher wurde angenommen, dass ein aus der Wandlederhaut austretendes Entzündungsexsudat (Anm. d. Red.: Austritt von Blutbestandteilen aus dem Gefäßsystem ins umliegende Gewebe) für die heftigen Schmerzen und die Auflösung des Hufbeinträgers verantwortlich ist. Die Ödem- oder Exsudattheorie gilt mittlerweile als widerlegt, genauso wie die Annahme, dass die Hufrehe durch eine übermäßige Blutgerinnung ausgelöst wird, die zu Thrombosen in den Kapillargefäßen und hierdurch zu einer Minderdurchblutung der Wandlederhaut führt (Thrombose-Theorie). Auch eine durch verschiedene Botenstoffe veranlasste Verengung der Blutgefäße wird heute nicht mehr unbedingt als ursächlich für das Rehegeschehen angesehen (Vasokonstriktionstheorie)“. Zwar könnten alle Momente im Verlauf der Erkrankung hinzutreten, primär würden die zerstörerischen Vorgänge im Hufbeinträger jedoch – davon geht die Wissenschaft aktuell aus – durch die oben beschriebene enzymatische Fehlregulierung hervorgerufen.

Winterrehe: Pferde schützen

Ein Risiko besteht vor allem für Pferde, die vorbelastet sind, bereits einen Reheschub erlitten oder in der vergangenen Weidesaison zu viele überflüssige Pfunde angesammelt haben. Fettdepots an Hals, Schulter und Kruppe greifen aktiv in den Stoffwechsel ein und beeinträchtigen diesen. „Tragen Pferde ihre übermäßigen Pfunde über den Winter in den nächsten Sommer, so ist der Weg geöffnet zur Ausbildung des Equinen Metabolischen Syndroms. Der entgleiste Hormonstoffwechsel triggert wiederum den Insulinstoffwechsel negativ. Die sich aus dem Übergewicht entwickelnde Insulinresistenz führt neben anderen gesundheitlichen Problemen zu einer hohen Gefährdung. Schon ein kleiner Anlass genügt, und das insulindysregulierte, übergewichtige Pferd erleidet einen Reheschub“, gibt die Expertin zu bedenken.

Text: Inga Dora Schwarzer      Foto: www.Slawik.com

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