Altersbedingte Krankheiten wie Krebs, Herz- und Gefäßkrankheiten und neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer – diesen Erkrankungen sind alte Menschen leider immer wieder ausgesetzt. Aber wie sieht es bei Pferden aus? Dieser Frage widmeten sich zwei US-Wissenschaftlerinnen nun in einer Studie, die erstaunliche Ergebnisse brachte.
Wieso werden Pferde von vielen gesundheitlichen Problemen, wie Menschen sie haben, im Alter verschont? Eine naheliegende Erklärung wäre, dass ein Mangel an negativen Lebensgewohnheiten, Unterschiede in Ernährung, Bewegung, Genetik und Physiologie in Summe zu einer insgesamt verbesserten Gesundheit älterer Pferde beitragen könnte. Die Forscherinnen Sally DeNotta und Dianne McFarlane vom College of Veterinary Medicine an der University of Florida konnten in ihrer Studie nun aber erarbeiten, dass das nicht so einfach zu erklären sei. Sie beschäftigten sich mit Ähnlichkeiten und Unterschieden des Alterungsprozesses zwischen Menschen und Pferd. Insbesondere das Immunsystem und seine altersbedingten Veränderungen spielen eine zentrale Rolle.
Mehr alte Pferde als je zuvor
Einleitend teilten die Forscherinnen mit, dass es in den Vereinigten Staaten, aber auch weltweit zurzeit mehr alte Pferde gibt als jemals zuvor. Die Zahl der über 15-jährigen Pferde wird auf 22 bis 34 % geschätzt. In den USA hat sich die Zahl der älteren Pferde – also Tiere, die über 20 Jahre alt sind – seit 1998 mehr als verdoppelt und ist allein in den letzten zehn Jahren um 50 % gestiegen. „Dieser Trend ist wahrscheinlich auf Verbesserungen in der Gesundheitsvorsorge sowie auf eine zunehmende gesellschaftliche Sichtweise von Pferden als Partnern und Gefährten des Menschen – im Gegensatz zu Nutztieren – zurückzuführen. Da Methoden zur Behandlung und zum Management älterer Equiden entwickelt und verfeinert werden, wird diese alternde Population wahrscheinlich weiter wachsen“, so die Autorinnen. Routinemäßige Impfungen, Zahnkontrollen und Parasitenbekämpfungen gehören laut den Wissenschaftlerinnen zu den wichtigsten Beiträgen einer verbesserten Gesundheit und tragen zu einer höheren Lebenserwartung der Tiere bei.
Mildere Veränderungen der Immunfunktion
Die beiden Forscherinnen untersuchten in der Studie den aktuellen Wissensstand zu den Auswirkungen des Alterns auf die Immunität, das Ansprechen auf Impfstoffe und das Krankheitsrisiko bei alten Pferden – und glich die Ergebnisse auf Ähnlichkeiten und Unterschiede zu dem hervor, was bei älteren Menschen beobachtet wird. Das Ergebnis: Pferde haben ähnliche, aber mildere altersbedingte Veränderungen der Immunfunktion als Menschen. Bei älteren Pferden wurde eine Abnahme der Lymphozyten- und Antikörperproduktion – diese sind beide entscheidend für die Funktion des Immunsystems – und eine verminderte Reaktion auf Impfungen dokumentiert. Auch wenn alte Pferde vermehrt entzündungsfördernde Botenstoffe ausschütten („Entzündungsaltern“), die das Risiko chronischer Erkrankungen erhöhen, sterben sie weniger an Krebs, Herzerkrankungen, Erkrankungen der Blutgefäße, Schlaganfällen, chronischen Erkrankungen der unteren Atemwege und Alzheimer, die alle mit Entzündungen in Verbindung gebracht werden.
Das „Entzündungsaltern“ kann allerdings zu Krankheiten wie degenerativen Gelenkserkrankungen oder reaktiven Atemwegserkrankungen beitragen.
Spezielle Infektionskrankheiten
Auch wenn alte Pferde nicht allgemein anfälliger sind für Infektionskrankheiten, haben spezifische Krankheitserreger eine Vorliebe für ältere Pferde. Eine Infektion mit dem West-Nil-Virus kann bei alten Pferden im Vergleich zu Erwachsenen zu schwereren Erkrankungen führen, da bei älteren Pferden eine höhere Sterblichkeitsrate gemeldet wurde.
In ähnlicher Weise scheinen ältere Stuten, die experimentell mit einem Stamm des Equinen Herpesvirus-1 (der bekanntermaßen neurologische Erkrankungen verursacht) infiziert wurden, anfälliger für die Entwicklung neurologischer Symptome zu sein. Auch wurden verminderte Reaktionen älterer Pferde auf die Influenza-Impfung bestätigt. Die Wissenschaftlerinnen sagen aber auch, dass, auch wenn ältere Pferde eine verringerte Wirksamkeit des Influenza-Impfstoffes nachweisen, keine erhöhte Inzidenz natürlich vorkommender Influenza-Infektionen bei älteren Pferden nachgewiesen werden konnten. Bei Menschen hingegen, so stellten die US-Forscherinnen klar, wird „ein Versagen, schützende Immunglobulinkonzentrationen gegen Influenza zu erhöhen“, beobachtet. Dies trage zu der hohen Morbidität und Mortalität aufgrund von Influenza-Infektionen bei älteren Menschen bei.
Rückgang des Immunsystems
Der altersbedingte Rückgang des Immunsystems kann auch eine wichtige Rolle für die Fähigkeit alter Pferde spielen, sich von entzündlichen Erkrankungen zu erholen. Eine Studie mit Pferden mit natürlich auftretender Colitis (Dickdarmentzündung) ergab, dass die Wahrscheinlichkeit des Nichtüberlebens mit jedem Lebensjahr um 11,8 % zunahm. Im Gegensatz dazu fand eine Studie, die die postoperative Genesung nach Kolikoperationen bei alten und erwachsenen Pferden untersuchte, keine Unterschiede in der Schwere des postoperativen Refluxes oder der Überlebenswahrscheinlichkeit.
Das Resümee der Forscherinnen: „In Bezug auf die Auswirkungen des Alters auf Krankheiten bei Pferden bleibt noch viel zu klären. Ein besseres Verständnis der altersbedingten Immundysfunktion ist erforderlich, um die Entwicklung wirksamer vorbeugender Strategien zur Minimierung chronisch entzündlicher Erkrankungen bei alten Pferden zu erleichtern. Ähnlich wie bei der alternden Bevölkerung besteht großes Interesse daran, eine optimale Gesundheit und Funktion bis weit ins hohe Alter zu erhalten, und es werden Strategien benötigt, um ein vitales, jugendliches Immunsystem in der alten Pferdepopulation zu erhalten.“
Text: Nora Dickmann Foto: www.Slawik.com