Durch das Konzept des Rückentrainings kann eine tragfähige Reitpferdemuskulatur aufgebaut werden. Dabei ist es wichtig, im Training die richtigen Schwerpunkte zu setzen.

 

Stufe 1:

Aktivierung des Rückens, durch Mobilisationsübungen für Genick und Becken sowie die Wahl des Arbeitstempos. Der Rücken wird zum Schwingen gebracht.

 

Eva Maria Sülzle teilt die Mobilisation des Pferderückens unter dem Reiter in zwei Stufen auf, die nacheinander erarbeitet werden müssen. In Stufe eins geht es darum, den Rücken zu aktivieren und so die Muskulatur zu dehnen.

Mit dem Rückentraining legen Sie die ­Basis für den weiteren Werdegang des Pferdes. „Wenn die Rückentätigkeit vorhanden ist, können Sie die spezifische Ausbildung in Springen oder Dressur fortführen“, erklärt Eva Maria Sülzle, deren Trainingskonzept sich an den physiologischen Gegebenheiten des Pferdekörpers orientiert. Wichtig sei hierbei die Berücksichtigung der Prozesse in den Muskeln. „Sie geben uns den Aufbau des Trainings vor“, so unsere Expertin. „Wir beginnen mit der Aktivierung des Rückens, indem wir die umliegende Muskulatur dehnen. So ­erzeugen wir mehr Bewegungsfreiheit.“

 

Die Erziehung zur Losgelassenheit

 

Pferde mögen Routine – jedoch ohne Langeweile. Ein gleichmäßig aufgebautes Training bietet einen Rahmen, in dem sich der Vierbeiner wohlfühlen kann. „Die Erziehung zur Losgelassenheit stellt die Basis des ­gesamten Pferderückentrainings dar“, erklärt Eva Maria Sülzle. „Gleichbleibende Vorgänge im Trainingsablauf und im Umgang mit dem Pferd erzeugen die notwendige Routine, die Klarheit schafft.“ Damit sich das Pferd in Ihrer Nähe sicher fühlt, müssen Sie klar kommunizieren. Das gilt nicht nur für die Hilfen beim Reiten, sondern auch für Kommandos, Gesten sowie Hilfen bei der ­Bodenarbeit. „Erziehung ­bedeutet, meinem Pferd einen Weg aufzuzeigen, um sich bei mir wohl zu fühlen. Ich bin in Sicherheit, in jedem Augenblick“, betont unsere Expertin. Die Lösungsphase dient dem Pferd zur physiologischen und mentalen Einstimmung auf die Arbeit. „Körper und Geist müssen sich zu Beginn des Trainings auf die bevorstehenden Belastungen des Reitens einstellen“, so Eva Maria Sülzle. Nicht umsonst sei die Losgelassenheit eines der primären Ziele der Pferdeausbildung.

 

Aufwärmen am Boden

 

In jeder Reiteinheit muss die Losgelassenheit hergestellt werden. Eva Maria Sülzle empfiehlt, das Pferd am Boden aufzuwärmen. Longiert wird im entspannten Wohlfühltempo. So kann sich der Vierbeiner bestmöglich auf das folgende Gerittenwerden einstellen. „Erlauben Sie Ihrem Pferd, sich vor dem Reiten an der Longe aufzuwärmen, wird es diese Phase des Trainings bald mögen und sich rasch entspannen“, weiß unsere erfahrene Expertin und ergänzt: „Wichtig ist, dass sich das Pferd in einer freien ­Körper- und Kopfhaltung bewegen darf. Dann schwingt es im Rücken, noch bevor wir auf ihm sitzen.“ Sehen Sie die Losgelassenheit am Boden als erstes Ziel.

 

Training unter dem Sattel

Anschließend können Sie aufsteigen und mithilfe einiger Übungen die ­Rückentätigkeit unter dem Sattel fördern. Entscheidend für das Training sind die folgenden Punkte:

 

Kopfhaltung

 

Eine korrekte Anlehnung lässt sich nicht durch ein mechanisches An-den-Zügel-Stellen erreichen. Vielmehr müssen Sie zuerst dafür sorgen, dass Ihr Pferd den Rücken unter Ihnen aufwölbt. Über die Beweglichkeit der Halswirbelsäule kann eine Beweglichkeit des Rückens hergestellt werden. Druck und Zwangshaltungen wirken sich immer negativ aus. „Die Stirn-Nasen-Linie sollte bei natürlicher Beugung des Genicks stets vor der Senkrechten (zum Boden) sein. Idealerweise zeigt das Pferd mit seiner Stirn-Nasen-Linie dorthin, wo es auffußen wird“, sagt Eva Maria Sülzle.

 

Stellungsarbeit

 

Mit den Zügeln können Sie Ihr Pferd dazu veranlassen, den Hals zu dehnen. Dabei dient die Stellungsarbeit der Beweglichkeit im Genick. „Durch das Reiten in Innen- und Außenstellung soll sich die Kiefermuskulatur entspannen. Das Genick muss nicht gebeugt sein, damit das Pferd die Übungen durchführen kann“, erklärt unsere Expertin. Vielmehr stelle sich bei zunehmender Entspannung die Beugung des Genicks von alleine ein. Eine gute Übung ist zum Beispiel, an der langen Seite in Außenstellung zu reiten und das Pferd vor der Ecke, etwa in Höhe des Zirkelpunktes, nach innen zu stellen. Als Steigerung können Sie auch auf gebogenen Linien mit der Stellung spielen.

 

Dehnungshaltung

 

Das korrekte Vorwärts-Abwärts wird durch die Dehnung der Hals- und Schultergürtelmuskulatur entwickelt. Dabei holen Sie den Hals sozusagen Wirbel für Wirbel aus der korrekten Stellung nach innen. Das geht so: Reiten Sie an der Bande entlang und verkürzen Sie vorsichtig den inneren Zügel. Um nicht rückwärts einzuwirken, führen Sie die Hand seitwärts vom Körper weg ins Bahninnere. Das Pferd soll daraufhin den Kopf ins Bahn­innere drehen. „Eine Dehnung der äußeren Muskulatur findet statt, wenn das Pferd im Rumpf gerade bleibt“, erklärt Eva Maria Sülzle. Seien Sie einfühlsam und verlangen Sie von Ihrem Vierbeiner nur so viel Dehnung, wie er anbietet. Führen Sie Ihr Pferd langsam in die Dehnung hinein und wieder heraus. Eine korrekte Genickstellung ist hier sehr wichtig.

 

Verbesserung der Anlehnungsbereitschaft

 

Sie reiten Ihr Pferd nach dem Ziehharmonikaprinzip zunächst am hingegebenen Zügel mit entspanntem Hals. Dann verkürzen Sie die Zügel, sodass ein feiner Kontakt zum Pferdemaul entsteht. „Um eine Arbeitshaltung zu erreichen, muss Ihr Pferd gleichmäßig weiter voranschreiten“, sagt unsere Expertin. Sorgen Sie über Ihre Gewichts- und Schenkelhilfen für eine kontinuierliche Vorwärtsbewegung. „Nach einem kurzen Augenblick in der gewünschten Haltung lassen Sie die Zügel wieder aus der Hand kauen, bis Ihr Pferd in Dehnungshaltung ist“, so Eva Maria Sülzle. Fragen Sie anschließend wieder die Arbeitshaltung ab und üben Sie das Ziehharmonikaprinzip in allen drei Gangarten.

 

Mobilisierung des Beckens

 

Um die Aktivierung des Beckens können Sie sich kümmern, wenn Ihr Pferd in der Lage ist, seinen Widerrist aufzufächern. Durch Übungen wie Übertreten mit der Hinterhand, Schenkelweichen oder Rückwärtsrichten soll sich das Becken des Pferdes aufstellen und seitlich abkippen. „Auf diese Weise mobilisieren Sie die ­gesamte Wirbelsäule“, erklärt die Physiotherapeutin für Pferde.

 

Bestimmung des Arbeitstempos

 

Tempo und Losgelassenheit bedingen sich. So kann sich beispielsweise ein eilig davonstürmendes oder ein über Tempo gerittenes Pferd nicht entspannen. Das Pferd muss im Rücken aktiv sein, um sich schwungvoll bewegen zu können. „Der schwingende Rücken entscheidet also über die Wahl des Tempos“, gibt Eva Maria Sülzle zu bedenken. Reiten Sie langsam, wenn wenig bis keine Schwingung vorhanden ist. Auf diese Art können Sie die körperliche und mentale Entspannung herstellen, die Ihr Pferd benötigt, um in allen Gelenken im Takt der Bewegung zu federn. „Je mehr Rückenaktivität vorhanden ist, desto mehr können Sie Ihr Pferd zum Fleiß animieren“, erläutert unsere Expertin und betont: „Das Tempo kann also nur so weit erhöht werden, wie der schwingende Rücken es zulässt, denn wo keine Schwingung ist, kann auch keine schwungvolle ­Bewegung erzeugt werden.“

 

Text: Aline Müller, Foto: Ann-Christin Vogler

 

 

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