Es war lange Zeit wenig erforscht, dabei durchzieht es den Pferdekörper wie ein Netzwerk: das Lymphsystem. Es übernimmt lebenswichtige Aufgaben. Mit der Manuellen Lymphdrainage lassen sich viele Beschwerden lindern und sogar Sehnenschäden behandeln
Ein Pferd hat ein großflächiges Lymphsystem – das ist bekannt. Was man aber lange nicht wusste: Auch die Sehne eines Pferdes hat an seiner Oberfläche ein dichtes Lymphgefäßnetz und besitzt sogar mehr Lymphgefäße als die Haut. Im Sehneninneren existieren auch Lymphgefäße in einer geringeren Anzahl als an der Oberfläche. Damit hat sich der Körper des Pferdes geschickt vorbereitet für den Notfall. Denn das Gewebe einer Sehne ist so engmaschig aufgebaut, dass die Sehne selbst ohne Belastung einen hohen Grunddruck aufweist. Durch das Lymphsystem stellt der Organismus sicher, dass bei einer Verletzung die Wundflüssigkeit schnell abtransportieren werden kann und sich der Druck nicht noch weiter erhöht.
Dr. Tanja Helling promovierte an der Medizinischen Hochschule Hannover und hat sich dabei den Lymphgefäßen und der Wirkung der Manuellen Lymphdrainage (MLD) an den Beugesehnen gewidmet. „Bei den Untersuchungen für meine Doktorarbeit hat mich fasziniert, dass das Lymphsystem überall im Körper eine Rolle spielt. Es begegnet einem permanent im Leben, ohne dass man es weiß oder bewusst wahrnimmt“, so die Veterinärin.
In ihrer Studie (Kasten rechts) konnte sie nachweisen, dass die Manuelle Lymphdrainage eine aktivierende Wirkung hat auf den Lymphabfluss der Beugesehnen. Genauer gesagt: Durch Manuelle Lymphdrainage wurde die durchschnittliche Entleerungszeit der Lymphsammelgefäße/Kollektoren beschleunigt (Steige- rung der Lymphangiomotorik). Das bedeutet für eine Erkrankung der Beugesehne: „Das Lymphgefäßsystem spielt mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Rekonvaleszenz vor allem in der akuten Phase eine große Rolle“, erklärt Dr. Tanja Helling. Die Blutgefäßversorgung ist in der Sehne nur spärlich vorhanden. Außerdem können Lymphgefäße im Gegensatz zu Blutgefäßen größere Moleküle und Zellen aufnehmen und so schneller ein Ödem oder Hämatom abtransportieren. Dadurch werden die Venen entlastet und der Gewebedruck gesenkt. Der Schmerz wird gemildert, und die Zellversorgung zur Regeneration des Sehnengewebes wird verbessert.
Vorteile der MLD
Die Griffe der Manuellen Lymphdrainage werden sanft ausgeführt und bewirken im Gegensatz zu einer Massage keine über- mäßige Durchblutung (Hyperämie) des Gewebes. Außerdem muss aufgrund der durch MLD ausgelösten Sogwirkung die betroffene schmerzhafte Stelle nicht direkt berührt werden.
Ist ein Pferd akut an der Sehne erkrankt, wird oft Boxenruhe angeordnet. Dadurch werden allerdings auch die Lymphbildung und die Bewegung der Kollektoren vermindert. Mithilfe der MLD kann dem sofort entgegewirkt und der Heilungsprozess aktiviert werden. Eine akute Entzündung sollte außerdem zunächst durch eine milde Kälteanwendung gehemmt werden. Eine Salbe zur Förderung der Durchblutung sollte allerdings erst dann aufgetragen werden, wenn das Ödem/ Hämatom abtransportiert ist, weil die verstärkte Durchblutung die Lymphlast erhöht und auch der Druck im Gewebe zunehmen würde. Bandagen und Verbände müssen so angebracht werden, dass sie im Bereich des Fesselgelenks den Lymphtransport nicht unterbrechen.
Prof. Dr. von Rautenfeld empfiehlt, die MLD nicht nur bei einer akuten Verletzung anzuwenden, sondern vorbeugend in den Alltag einzubauen. Er sagt: „An die MLD wird meist erst gedacht, wenn das Pferd krank ist. Dabei sollte man mehr darauf bauen, eine Verletzung zu vermeiden. Im Grunde genommen sollte bei jedem Sportpferd vor dem Aufsteigen ein paar Minuten Lymphdrainage angewandt werden, um das Lymphsystem zu mobilisieren. Nach dem Einsatz hilft eine ausgiebige Lymphdrainage, um Laktate in der Muskulatur abzutransportieren.“
Text: Antonia von Baath, Laura Becker Foto: www.Slawik.com