Text: Inga Dora Schwarzer Foto: Anita Zander – stock.adobe.com
Die Impfpraxis im Pferdebereich in Deutschland ist kritikwürdig. Das wichtigste Gebiet angewandter Immunprophylaxe, das wir unseren Pferden bieten können, bleibe hinter anderen Forschungsgebieten der Tiermedizin zurück, sagt Infektionsmediziner Prof. Dr. Dr. Peter Thein. Er fordert, dass mehr über Sinn, Ziel und Qualität der Impfungen diskutiert wird.
Impfungen dienen der Gesundheitsvorsorge. Sie sind eine der ältesten und zugleich erfolgreichsten prophylaktischen Maßnahmen, um Infektionen und Erkrankungen einzudämmen oder sogar zu verhindern. Dies geschieht, indem in das Immunsystem der Pferde eingegriffen wird. Bei Impfungen werden dem Vierbeiner abgeschwächte oder abgetötete Erreger oder deren Bestandteile verabreicht. Diese Erreger können keine Erkrankung auslösen, werden aber vom Immunsystem des Pferdes als fremdartig angesehen. Die Folge: Das Immunsystem bildet Antikörper sowie Abwehrzellen und baut eine Art Abwehrstrategie auf. Mehr noch: Es entwickelt Gedächtniszellen, die Erreger des gleichen Antigens wiedererkennen und dann auch Jahre später noch gezielt bekämpfen können.
Laut der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) sind die Impfungen gegen Tetanus und Influenza ein Muss für Pferde. Zusätzlich wird die Impfung gegen Herpes empfohlen. Die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet) gibt in ihrer „Leitlinie zur Impfung von Pferden“ ebenfalls regelmäßig Empfehlungen zur Impfpraxis heraus. Sie unterscheidet zwischen Core- und Non-Core-Impfungen. Als zwingend erforderliche Core-Impfungen gelten für sie derzeit die Impfungen gegen Tetanus, Influenza und Herpes, durch die jedes Pferd zu jeder Zeit geschützt sein muss. Zu den weniger relevanten Non-Core-Impfungen zählen solche gegen Druse, Tollwut, Hautpilze und West-Nil-Virus, wogegen die Pferde laut StIKo Vet nur unter besonderen Umständen geschützt sein müssen.
Mit dieser Kategorisierung geht aber kein Pflichtimpfschutz oder eine rechtsverbindliche Norm einher, weder für Tierärzte noch für Pferdehalter. Darauf weist Prof. Dr. Dr. med. vet. habil. Peter Thein hin, der die derzeit vorherrschende Impfpraxis kritisiert. Der Fachtierarzt für Pferde und Mikrobiologie aus Altomünster (Bayern) arbeitet und forscht seit mehr als 50 Jahren im Bereich der Infektionsmedizin des Pferdes. Insgesamt 33 Jahre war er als Hochschullehrer an der Tierärztlichen Fakultät München tätig, zudem war er Gründungsmitglied der Ständigen Impfkommission bis 2010 und ehemaliger Leiter der Arbeitsgruppe Infektionsschutz der Deutschen Gesellschaft für Pferdemedizin.
Tödlicher Wundstarrkrampf
Auslöser für Tetanus ist ein Erreger mit dem Namen Clostridium tetani. Sporen des Bakteriums werden vor allem in feuchter Erde gefunden. Kleinste Verletzungen und kaum sichtbare Wunden sind häufige und gern genutzte Eintrittspforten für den Übeltäter, um in den Organismus des Pferdes zu gelangen und hier sein Gift zu bilden. Dieses verursacht im frühen Stadium Symptome wie steifen Gang, Schwierigkeiten beim Stehen und Hinlegen, Sägebock-Haltung, ausgeprägte Schreckhaftigkeit und Geräuschempfindlichkeit. Im späten Stadium kommt es zu qualvollen und lang anhaltenden Muskelkrämpfen. Am Ende steht der Atemstillstand. In Fällen mit schwächerem Verlauf kann bei frühzeitigem Erkennen eine Therapie sinnvoll sein. Diese umfasst etwa den Einsatz von Immunseren, die das Gift binden und damit unschädlich machen. Allerdings kann nur das noch frei im Körper vorhandene Gift gebunden werden, das sich noch nicht an einer Nervenzelle festgesetzt hat. Antibiotika töten zusätzlich die Gift bildenden Bakterien ab. Beruhigungsmittel mindern die Schreckhaftigkeit. Als begleitende Maßnahme wird das Pferd in einem abgedunkelten, ruhigen Stall gehalten. Wenn ein erkranktes Tier die erste Woche überlebt, ist die Prognose für ein Überleben in der Regel günstig. Bei einem schweren Verlauf sterben allerdings etwa 40 bis 90 Prozent der Tiere, Fohlen sterben fast alle. Unbehandelt verläuft der Wundstarrkrampf immer tödlich.
Wichtiger Impfschutz
Ein Impfschutz gegen Tetanus ist daher zwingend erforderlich. Darin sind sich alle Experten einig. Mit der Impfung gelangt inaktiviertes Tetanustoxin in den Pferdeorganismus und verhindert die Bindung des Bakteriums an die Zielzellen. Dafür bedarf es jedoch einer korrekten Grundimmunisierung, die aus drei Impfungen besteht. Generell wird empfohlen, diese bereits ab einem Alter von sechs Monaten zu veranlassen. Die zweite Tetanus-Impfung erfolgt derzeit nach vier bis sechs Wochen, die dritte nach zwölf bis 14 Monaten. „Eine zu frühe Impfung kann aber zum Problem der sogenannten Non-Responder führen. Das heißt, die Fohlen entwickeln trotz aktiver Impfungen im späteren Leben keinen Impfschutz“, warnt Professor ein. Ursache dafür sei die maternale Immunität, die den Impferfolg erheblich beeinträchtigen könne. Der Wissenschaftler rät Pferdebesitzern entsprechend international vorliegenden Untersuchungen, Fohlen erst ab dem neunten Lebensmonat der Erstimpfung zu unterziehen und die Zweitimpfung nicht weniger als zwei Monate danach durchzuführen. Ein Jahr danach könne die dritte Impfung und damit der Abschluss der Grundimmunisierung erfolgen. Die Intervalle der Auffrischungsimpfungen variieren je nach verwendetem Impfstoff. Der Impfstoffhersteller Zoetis empfiehlt beispielsweise bei seinem Präparat „Equip T“ ein dreijähriges Impfintervall, Intervet bei seinem Impfstoff „Equilis Prequenza Te“ ein zweijähriges Impfintervall. Zahlreiche internationale Studien deuten aber darauf hin, dass nach erfolgreicher Grundimmunisierung und einmaliger Auffrischungsimpfung ein weitaus längerer Immunschutz gegeben ist.
…den kompletten Artikel finden Sie in der Mein Pferd-Ausgabe 12/2019.
Weitere Informationen:
• Wer sich als Pferdebesitzer näher mit dem Thema beschäftigen möchte, findet nachfolgende zahlreiche PDFs zum kostenfreien Download, darunter die Leitlinie zur Impfung von Pferden sowie die Stellungnahme der StIKo Vet zur Tetanus-Impfung und Stellungnahme der StIKo Vet zur Influenza-Impfung. Auch eine Kritische Betrachtungen zur Leitlinie zur Impfung von Pferden und Untersuchungen zur Impfpraxis in deutschen Pferdebeständen gibt Aufschluss über die Impfprophylaxe des Pferdes finden Sie dort, ebenso weitere Informationen über Prof. Dr. Dr. Thein.
• Weitere Informationen zur StIKo Vet finden Sie auf der Homepage des Friedrich-Loeffler-Instituts, unter dem Menüpunkt „Kommissionen“ (www.fli.de). Näheres über die derzeit in Deutschland zugelassenen Impfstoffe können der Homepage des Paul-Ehrlich-Instituts entnommen werden (www.pei.de).