Für Hufrehe gibt es keine allgemein gültige Therapie. Noch immer werden zumeist Symptome und Schmerzen behandelt, die Ursache bleibt im Verborge nen. Doch neue Studien und Therapie- Ansätze machen leidgeplagten Besitzern und ihren Pferden Hoffnung
Die Entzündung der Huflederhaut wird meist erst dann erkannt, wenn sich die ersten äußere Symptome zeigen: ein klammer, gebundener Gang, abwechselndes Entlasten der Beine, etwas wärmere Hufe, unwilliges Hufegeben, Bewegungsstörungen auf hartem Boden. Dann befindet sich die Erkrankung aber bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Ziel der Forschung ist es daher, die Krankheit bereits dann diagnostizieren zu können, wenn sich die Vorgänge im Hufinneren verändern.
Hufrehe: Neue Gen-Studie
Dafür muss man aber zunächst verstehen, was eigentlich im Huf passiert, wenn das Pferd an Hufrehe erkrankt. Dieser Frage gin- gen US-Wissenschaftler der Universitäten von Florida und Pennsylvania mit Hilfe einer Genexpressionsanalyse nach. Die Ergebnisse ihrer kürzlich in der Fachzeitschrift Bloodhorse veröffentlichten Analyse haben einen neuen Ansatz geschaffen, um weitere Studien gezielter vorantreiben zu können.
Für ihre Arbeit griff das Team um Professorin Dr. Samantha Brooks auf ein Archiv mit Daten und Proben von Hufrehe-Fällen zurück und werteten insgesamt 36 archivierte Gewebeproben von 20 Vollblutpferden, die wegen der Erkrankung behandelt wurden, aus – wobei der Schwerpunkt bei der Belastungsrehe lag. Einige hatten gesunde Hufe, einige befanden sich in einem frühen und andere in einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit.
Mit molekularbiologischen und biochemischen Methoden untersuchten die Forscher die Umsetzung der genetischen Information, die Auskunft über die Aktivität Tausender Gene gleichzeitig gibt. So erhielten sie u. a. einen Überblick über zelluläre Funktionen (u.a. Zellstress und Entzündungsreaktionen) und konnten Trends im Krankheitsprozess aufspüren, die das Verständnis über Hufrehe erheblich verbessern.
So fanden die Wissenschaftler z.B. heraus, dass Keratin eine wichtige Rolle beider Erkrankung spielt. Keratin ist ein Sammelbegriff fürverschiedene wasserunlöliche Faserproteine, die vonTieren gebildet werden unddie Hornsubstanz charakteri-sieren. Das Horn wird von derHaut hauptsächlich aus mit Keratin angefüllten, abgestorbenen Zellen gebildet.
Sie entdeckten Gene, die mit Keratin im Zusammenhang stehen und für die Herstellung von Zellen zuständig sind. Diese Gene hören bei einer Hufrehe-Erkrankung auf zu arbeiten. Es findet also ein Abbau von Keratin statt, der wiederum zu einer Entzündung im Huf führt. Dieser Prozess verläuft in der Regel schleichend. Diese Erkenntnis könnte den Weg für zukünftige Medikamente, die zur Behandlung der Entzündung eingesetzt werden, erleichtern.
Weiterhin erkannten sie, dass Veränderungen in den Genen des kranken Gewebes an den veränderten Proteinen im Blut festzustellen sind. Zur Erklärung: Es gibt bestimmte Enzyme (Metalloproteinasen), welche die Zellkontakte in der starren Verbindung zwischen Horn und Hufbein vorübergehend auflösen, um ein Hornwachstum zu ermöglichen. Dieser normale Stoffwechselprozess von Umbau und Gewebeaufbau gerät bei Hufrehepatienten aus dem Gleichgewicht. Bei der Hufrehe sind die genannten Enzyme zu aktiv. Die Folge? Die Verbindung zwischen Hufbein und Horn wird in zu starkem Maße getrennt und der Huf damit instabil.
Auf dieser Wissensgrundlage könnte ein Bluttest entwickelt werden, der wiederum als frühzeitiges Überwachungstool der Erkrankung dienen könnte.
Hufrehe beim Pferd: Stickstoffmangel als Ursache
Im nächsten Ansatz spielt die Bildung von Stickstoff eine tragende Rolle zur Bekämpfung der Krankheit. Seit 2010 wurde am Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf an einer naturheilkundlichen Rezeptur zur Steigerung der Stickstoffmenge im Blut von Menschen und Säugetieren geforscht.
Mitte 2018 wurde Robert Muntendorf, ein Gründungsmitglied der Forschungsgruppe, mit einem Hufrehe-Fall konfrontiert. Die Beschäftigung mit der Erkrankung führte auf Basis der bisherigen Forschungen der Wissenschaftler zu der These, dass sich die vorherrschenden Hufrehe-Symptome mit einem funktionellen Zusammenbruch der Endothelfunktion und dem daraus resultierende Stickstoff-Mangelzustand in einen kausalen Zusammenhang bringen lassen.
Das klingt kompliziert, ist es aber nicht. Zur Erklärung: Als Endothel wird die innerste Schicht von Blutgefäßen bezeichnet. Sie ist aber mehr als eine bloße Beschichtung der Gefäßwand, da sie in eine Vielzahl physiologischer Prozesse eingebunden ist, u. a. reguliert sie als Barriere den Stoffaustausch zwischen Gewebe und Blut, beeinflusst die Fließfähigkeit des Blutes und produziert für die Regulation des Blutdrucks wichtige Substanzen wie Stickstoffmonoxid. Stickstoffmonoxid schützt die Funktionalität von Herz und Kreislauf, indem es die Gefäße anpassungsfähig, glatt und geschmeidig hält und die Verklumpung von Blutplättchen deutlich hemmt, heißt es auf der Homepage der Forschergruppe www.arginin.de.
Und weiter: „Dadurch verbessern sich der Blutfluss, die Mikrozirkulation, die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung sowie die körpereigene Blutdruckregulation. Außerdem wirkt es der Entstehung von Entzündungen und Ablagerungen in den Arterien entgegen. Das lindert nicht nur die Schmerzen, sondern beschleunigt zudem das Hufwachstum und den Heilungsprozess.“ Das bedeutet im Umkehrschluss: Steht nicht genug davon zur Verfügung, sind die Vorgänge im Hufgefäßsystem beeinträchtigt. Der Ansatzpunkt ist hier deshalb der Schutz und die Wiederherstellung der Endothel-Funktionen zur Aufrechterhaltung bzw. Normalisierung der Durchblutung. Durch eine erhöhte Stickstoffbildung könne das ursächliche Krankheitsgeschehen der Hufrehe bekämpft werden, meint die Forschergruppe. Aktuell arbeitet sie an der überprüfbaren Bestätigung ihrer Hypothese. Für Menschen ist der Beleg der positiven Wirkungen bereits erbracht. Die vom Team entwickelte Nährstoffmischung namens Arginin 4.0 (aus Arginin, der Aminosäure Citrullin sowie Antioxidantien, Co-Enzymen, Mineralien, sekundären Pflanzenstoffen und Vitaminen) ist als Nahrungsergänzungsmittel für Menschen und Tiere erhältlich und beugt, laut den Experten, verschiedenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor.
Text: Inga Dora Schwarzer Foto: www.Slawik.com