Text: Julia Schay-Beneke           Foto: ST. GEORG

„Wer heilt, hat recht.“ Mit vier Worten bringt Heilpraktikerin und Au­torin Simone Specht die leidige Diskussion zum Thema Homöopathie auf den Punkt. Immer wieder werden kritische Stimmen laut, die darauf beharren, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis gibt, wie homöopathische Mittel überhaupt wirken können. Denn die Idee dahinter, dass eine Substanz umso effektiver ist, je stärker sie verdünnt wird, widerspricht so ziemlich jedem (schul-)medizinischen Ansatz. Deswegen wird eine erfolgreiche Behandlung meist als Placebo-Effekt abgetan –, denn wie sollen wenige winzig kleine Kügelchen, deren Inhalt sich kaum oder gar nicht nachweisen lässt, noch heilen können? Fakt ist: Tiere wissen nicht, was man ihnen da verabreicht. Sie finden die süßen Kügelchen lediglich recht lecker. Bei ihnen von einem Placebo-Effekt zu sprechen, ist also gar nicht möglich.

Die Sache mit dem Placebo-Effekt

„Ich persönlich muss mich ohnehin nicht mehr rechtfertigen“, erklärt Simone Specht. „Wenn ich irgendwo hingehe, kennt man mich. Und Fakt ist: Die Homöopathie funktioniert hervorragend! Und wenn die Kügelchen noch so klein sind und die Tiere noch so groß.“ Das entscheidende Kriterium für eine erfolgreiche Anwendung liegt nämlich nicht in der Menge, sondern der Richtigkeit – sprich: der Auswahl des richtigen Mittels. Anders lässt sich die Wirkung vor allem hoher Potenzen nicht erklären. „Ich arbeite sehr gerne mit Hochpotenzen“, erläutert Simone Specht, die vor zwölf Jahren ihre Tier-Naturheilpraxis ­eröffnet hat. Mittlerweile gibt sie ihr Wissen an Schüler weiter und behandelt auch Menschen – mit großem Erfolg. „Trotzdem ist es sehr viel einfacher, Tiere zu behandeln, weil sie nicht so verkopft sind.“ Menschen hinterfragen alles, suchen Beweise, wollen irgendeine Erklärung in der Hand haben. „Dabei ist unser Körper schlichtweg dafür da, sich zu regenerieren. Mit der Homöopathie gebe ich dafür nur den ­Anstoß – den Rest kann er allein.“

Mehr als 200 Jahre vorher, etwa um 1790, hatte der Arzt, Chemiker und Apotheker Samuel Hahnemann bei der Übersetzung eines medizinischen Werkes einen ominösen Hinweis entdeckt. In der „Materia medica“ stand, dass sich die Rinde des Chinabaums zur Behandlung von Malaria eigne. Hahnemann, der Jahre zuvor an Malaria erkrankt gewesen war, wollte es daraufhin wissen. Er riskierte einen Selbstversuch und nahm – vollständig gesund – sechs Gramm Chinarinde ein und verspürte daraufhin alle ihm bekannten Malaria-Symptome. Die Schlussfolgerung lag nun für ihn auf der Hand: Wenn ein Mittel bei einem gesunden Menschen bestimmte Symptome hervorruft, müsse es umgekehrt auch zur Heilung genau dieser Symptome eingesetzt werden können. Das Grundprinzip der Homöopathie stand damit fest: Similia similibus curantur – Ähnliches möge durch Ähnliches geheilt werden. Das allein schien ja schon unglaublich genug, aber Hahnemann führte daraufhin unzählige weitere Versuche mit Menschen, Tieren und verschiedenen Substanzen durch. Dabei kristallisierte sich noch mehr Ungeheuerliches heraus: Offenbar wirkten die Substanzen umso tiefgreifender, je stärker sie im Vorfeld verdünnt und verschüttelt – also potenziert – wurden. So wird die Urtinktur, der alkoholische Auszug des Mittels, mit neun Teilen Alkohol oder Wasser verschüttelt. Je öfter man diesen Vorgang wiederholt, desto höher die Potenz und stärker die Wirkung. Ab der Potenz D23 ist die sogenannte Loch­schmidt­sche Zahl erreicht: Es ist kein Molekül des Ausgangsstoffes mehr nachweisbar.

Wirkung ohne Mittel?

Was hinter dem Geheimnis der Potenzierung steckt, ist bis heute unbekannt. „Hundertprozentig erklären kann es keiner“, gibt Simone Specht unumwunden zu. „Auch nicht Hahnemann selbst, und er war meiner Ansicht nach ein Genie.“ Am ehesten könne man noch versuchen, physikalische Gesetze anzuwenden. „Über das Verrühren, Verreiben und Schütteln passiert etwas. Bei diesen zielgerichteten Bewegungen werden physikalische Kräfte freigesetzt – diese kann nur keiner nachweisen.“ Fakt sei, dass etwa bei einer 30er-Potenz die Substanz 30 mal verrüttelt und verrieben wird. „Da entfalten sich unglaubliche Kräfte. Ich weiß, es klingt ­unglaublich“, meint sie begeistert. „Aber die Physik fängt an zu glauben, wo die Wissenschaft aufhört.“

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