Interview: Nora Dickmann Foto: www.Slawik.com
Sommerzeit ist Fliegenzeit. Oft haben Pferde dann ein entzündetes Auge. Tierarzt Dr. Stephan Lübke erklärt, was diese Infektionen am Auge mit dem Tränennasenkanal des Tieres zu tun haben und wie man diesen bei einer Infektion behandeln kann
Wo befindet sich der Tränennasenkanal, und welche Aufgabe hat er?
Der Tränennasenkanal ist die Verbindung zwischen den Augenlidern und dem Nasenvorhof. Er fängt am Ober- und Unterlid mit einem Tränenpünktchen an, mündet dann y-förmig im Tränensäckchen und geht als ein Gang weiter. Der Tränennasenkanal ist teilweise knöchern ummantelt. Meist mündet er zwischen der pigmentierten und der nichtpigmentierten Nasenschleimhaut im Nasenvorhof. Bei einzelnen Pferden ist dieser Ausführungspunkt unten am Tränennasenkanal nicht ausgebildet. Das heißt, er ist nicht geöffnet. Das kann passieren, wenn er sich während der Körperentwicklung nicht vollständig öffnet. Dies kann aber chirurgisch behoben werden. Die Tränenflüssigkeit dient zur Ernährung der Hornhaut. Überschüssige Tränenflüssigkeit wird über den Tränennasenkanal in die Nase abgeführt. Die verbrauchte Flüssigkeit, die keine Nährstoffe mehr enthält, wird also in die Nase abgeführt, damit das Auge nicht überläuft.
Wie testet man, ob er vollständig geöffnet ist?
Dies kann man testen, indem man mit dem Farbstoff Fluorescein die Tränenflüssigkeit anfärbt. Mit dem Tränenfilm wird dieser dann über den Tränennasenkanal abgeführt in die Nase. Und wenn dann nach circa fünf bis dreißig Minuten dieser grüne Farbstoff in der Nase oder in der Nüster ankommt, weiß man: Der Kanal ist durchgängig.
Hängt eine Erkrankung des Auges mit dem Tränennasenkanal zusammen?
Erkrankungen der Lider oder des Auges oder des Augenumfeldes können dazu führen, dass sich der Tränennasenkanal mit entzündet. Dadurch kann er Abflussschwierigkeiten bekommen oder verstopfen. Dadurch entsteht eine Entzündung. Bakteriell bedingte Bindehautentzündungen zum Beispiel werden im Sommer durch Fliegen übertragen und von einem Pferd auf der Weide zum Nächsten weitergegeben. Die Reservekronen der Backenzähne können den Tränennasenkanal einengen und dadurch unpassierbar machen. Dies kann auch durch eine Nebenhöhlenentzündung passieren. So kann es zu Schwierigkeiten bei der Ableitung von Flüssigkeiten kommen. Ist der Tränennasenkanal verschlossen, entsteht in der Regel eine Bindehautentzündung. Es sammelt sich dann ein pappiges Sekret an den Augen.
Wie reinigt man den Tränennasenkanal?
Klassischerweise spült man ihn retrograd, also von nasal aus gegen die Flussrichtung. Das heißt, man sucht den Tränenpunkt im Nasenvorhof und spült von unten nach oben. Wenn das nicht gelingt, muss man das Pferd gegebenenfalls etwas sedieren. Man sucht den Tränenpunkt am Augenlid und geht dann von dort aus rein. Dann spült man von oben nach unten durch. Besteht der Verdacht, dass dort irgendwelche Veränderungen sind, dann kann man auch einen röntgendichten Katheder von oben legen oder auch ein Röntgenkontrastmittel in den Kanal spritzen, sodass man auf dem Röntgenbild sehen kann, wo es sich staut. So kann man beispielsweise eine Einengung, die von den Zähnen kommt, sehen. Zuallererst versucht man aber, den Kanal mit verschieden starken Kathedern zu spülen.
Kann man den Tränennasenkanal prophylaktisch schützen?
Nein. Im Grunde ist es von der Natur ja selbst so eingerichtet, dass sich alles selbst reinigt. Im Sommer helfen Fliegenmasken, eine Infektion innerhalb der Herde zu verschleppen, da die Fliegen nicht mehr an das Auge herankommen. Aber wenn man merkt, dass vermehrt Tränen aus den Augen laufen und sich eventuell schon eine Tränenstraße auf dem Fell gebildet hat, sollte man schnell handeln, um eine Ausbreitung zu verhindern. Zuerst kann der Besitzer das Auge aber selbst mit einem sterilen Tuch oder ähnlichem reinigen. Kneift das Pferd das Auge vermehrt zu oder ist es stark gerötet, sollte auf jeden Fall der Tierarzt zu Rate gezogen werden.