Interview: Nicole Audrit Foto: picture alliance / imageBROKER
Die Kennzeichnung von Pferden ist für die zweifelsfreie Identifikation unumgänglich. Seit jeher wird dies meist durch ein Brandzeichen gewährleistet. Immer häufiger kommt es jedoch zur Diskussion über den Schenkelbrand – dieser sei mehr Tierquälerei als sinnvolle Tradition. Ob ein Mikrochip eine Alternative ist und wie es wirklich um den Schenkelbrand steht, erläutert Prof. Dr. Christine Aurich (www.vetmeduni.ac.at).
Wofür ist ein Brandzeichen gut, wo liegen Risiken?
Brandzeichen bei Pferden wurden und werden von vielen Zuchtverbänden verwendet, um die Zugehörigkeit zu bestimmten Verbänden deutlich zu machen. Früher kam außerdem bei Stuten, die in das Stutbuch eingetragen wurden, noch ein Nummernbrand am Hals dazu. Dieser wurde aus Tierschutzgründen jedoch schon vor einigen Jahren verboten. Da man davon ausging, dass die Fohlen am Oberschenkel weniger empfindlich sind (das wurde aber nie untersucht), wurde und wird der Nummernbrand zusammen mit dem Zuchtgebietsbrand auf den Oberschenkel gebrannt. Durch den Heißbrand kommt es zu einer Verbrennung dritten Grades, d. h. die Zerstörung aller Hautschichten, die durch eine Narbe ersetzt werden – diese bleibt lebenslang erhalten und sichtbar. Es kann u. a. im Bereich der Verbrennung zu lokalen Infektionen mit Wundnässe kommen. Dazu konnten wir in einem Versuch zeigen, dass es bei Fohlen nach dem Brennen über einen Zeitraum von mindestens einer Woche zu einer systemischen Reaktion mit Störungen des Stoffwechsels kommt, wie sie bei Menschen nach großflächigen Verbrennungen bekannt ist. Man kann davon ausgehen, dass die Tiere in dieser Zeit unter den Folgen des Brennens leiden und z. B. anfälliger für Infektionskrankheiten sind.
Wie wird ein Microchip gesetzt? Wo liegen mögliche Probleme bei der Identifikation eines Pferdes?
Der Microchip wird bei den Fohlen mittels einer Kanüle von der linken Halsseite in bzw. neben das Nackenband gesetzt. Die gleichen Kanülen und Microchips werden seit vielen Jahren auch bei Kleintieren sowie englischen Vollblütern und vielen Ponyrassen zur Kennzeichnung verwendet und funktionieren ausgezeichnet, Komplikationen sind die Ausnahme. Grundsätzlich ist die Handhabung des Injektors einfach, erfordert jedoch ein wenig Übung. Wird der Stich mit dem Injektor zaghaft und nicht gradlinig ausgeführt, kommt es eventuell zu Blutungen und dadurch zu Komplikationen. Oder der Chip geht beim Herausziehen der Nadel verloren. Daher ist es notwendig, dass Personen, die den Chip setzen, entsprechend geschult werden. Das sichere Ablesen des Microchips gelingt problemlos, wenn ein für die Verwendung beim Pferd vorgesehenes Lesegerät verwendet wird und dieses auch richtig aufgeladen wurde. Wir konnten bei 428 Pferden den Chip mit dem Gerät „Isomax V“ (Virbac) in 100 Prozent der Fälle von der linken und in immerhin noch 89,5 Prozent der Fälle sogar von der rechten Halsseite ablesen. Dagegen gelang das Ablesen mit dem „Minimax II“ (Virbac), einem Lesegerät für Kleintiere, von der linken Halsseite nur in 93,5 Prozent und von der rechten Halsseite nur in 21,5 Prozent der Fälle.
Wie stehen sie dazu, dass der Schenkelbrand ab 2019 in Deutschland nur mit lokaler Betäubung durchgeführt werden darf?
Grundsätzlich ist der Schmerz des Pferdes beim Setzen des Brandes nicht das große Problem, das sind eher die oben genannten Folgen wie Entzündungen oder die systemische Reaktion auf die Verbrennung. Diese Folgen werden durch eine lokale Betäubung nicht verhindert. Außerdem müsste für den Schenkelbrand eine In ltrationsanästhesie im Bereich der Brandstelle recht großflächig erfolgen. Das wäre am stehenden Fohlen schwer realisierbar, vermutlich nur unter Sedierung. Unter Feldbedingungen ist diese Vorschrift daher nur schwer ausführbar und erfordert in jedem Fall die Durchführung durch einen Tierarzt.
Sollte der Schenkelbrand generell verboten und nur noch mit dem Mikrochip gearbeitet werden?
Ich bin ganz klar für ein Verbot des Schenkelbrandes. Das Brennen ist eine vollkommen überholte Form der Kennzeichnung von Pferden. In der Praxis hat sich die Kennzeichnung mittels Microchip nicht nur bei der Spezies Pferd absolut bewährt. Es ist weitgehend komplikationslos und ermöglicht eine schnelle und zweifelsfreie Identifizierung von Tieren. Dagegen sind Brandzeichen oft nicht gut abzulesen: So konnte in einem Versuch bei 248 Pferden der Zuchtgebietsbrand in nur 84 Prozent der Fälle und der Nummernbrand nur in weniger als 40 Prozent der Fälle eindeutig abgelesen werden. Die mit dem Brennen verbundenen Auswirkungen auf Wohlbefinden und Gesundheit der Tiere sprechen außerdem ganz klar dafür, dieses Verfahren aus Tierschutzgründen abzuschaffen.
Halten Zuchtverbände ihrer Meinung nach aus Gründen der Tradition an dem Schenkelbrand fest?
Der Brand ist für viele Verbände so etwas wie ein „Mercedesstern“. In der Warmblutzucht züchten wir heute in ganz Europa ein Pferd, dessen Herkunft sich an Typ oder Aufmachung nicht mehr erkennen lässt. Auch die Abstammung ist oft austauschbar, und so mancher Hannoveraner hat vor allem Pferde anderer Zuchtgebiete in seinem Pedigree. Aber das ist kein Grund dafür, den Brand zu behalten. Interessant ist doch, dass Rassen wie z. B. das Englische Vollblut oder das American Quarter Horse stets ohne einen Rassebrand ausgekommen sind. Und auch viele europäische Warmblutzuchtverbände wie KWPN oder die skandinavischen Verbände haben schon vor Jahren auf den Brand verzichtet. Trotzdem ist KWPN in der aktuellen Zuchtwertschätzung so erfolgreich wie kein anderer Verband. Es geht also sehr gut ohne Brandzeichen.
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