Text: Alexandra Koch         Foto: Andrea Schachinger

Equine Dry Needling ist eine derzeit noch eher unbekannte Technik, um schmerzendes oder anderweitig gehemmtes Muskelgewebe wirkungsvoll zu unterstützen und die Beweglichkeit wieder herzustellen. Gearbeitet wird dabei mit dünnen Akupunkturnadeln

Im humanmedizinischen Bereich wird das sogenannte Dry Needling schon deutlich länger als spezielle Akupunkturtechnik zur Behandlung myofaszialer Triggerpunkte angewandt. Entwickelt wurde diese Technik aus der Tatsache heraus, dass bei Injektionen mit Lokalanästhetika festgestellt wurde, dass auch die „trockene“ Nadel nach dem Verbrauchen des Lokalanästhetikums eine Wirkung zeigte. Nicht die Injektion sei demnach für den Erfolg der Triggerpunktbehandlung verantwortlich, sondern der Stich an sich direkt in den Triggerpunkt.

Wir werfen mit Andrea Schachinger, welche eine Methode für das Dry Needling am Pferd entwickelte, einen fundierten Blick darauf, was sie ausmacht, was dabei zu beachten ist und welche Wirkung sie hervorruft.

Persönliche Erfahrung

Es war im Jahr 1999, als sich Schachingers Vollblutstute Jessyca bei einer Sattelanprobe überschlug und mit dem Nacken genau auf der Anhängerkupplung des Verkaufsbusses landete. Die Stute war daraufhin derart verletzt, dass weder unterschiedliche Tierärzte noch Therapeuten eine echte Besserung herbeiführen konnten. Andrea Schachinger suchte nach der Nadel im Heuhaufen – und entdeckte sie! „Durch Zufall hörte ich von einem Mann, der eine besondere Behandlungstechnik durchführen sollte. Mit teilweise bis zu 12,5 Zentimeter langen Nadeln wurde die Stute bearbeitet; mir wurde ganz mulmig beim Zusehen, aber nach zwei Behandlungen begann es ihr tatsächlich besser zu gehen. Nach einigen Monaten war sie wieder das ,wilde Ross‘, das ich allzu gut kannte! Auf meine Frage, was für eine Behandlungstechnik das denn sei, kam die Antwort ganz klar: Es ist jedenfalls keine Akupunktur! Ich habe diese Technik bei einem japanischen Arzt in Hamburg kennengelernt. Sie ist auf Menschen zugeschnitten, aber scheinbar hilft sie Pferden auch sehr gut!“, erinnert sich Schachinger.

Fasziniert begann sich Andrea Schachinger ab diesem Zeitpunkt intensiv mit der Methode des Dry Needlings sowohl beim Menschen als auch hinsichtlich der Anwendung beim Pferd zu beschäftigen. Während einer sechsjährigen Aus- und Weiterbildung am Menschen erlebte Schachinger immer wieder intensive Momente und fast schon „Wunder“ bei bereits austherapierten Beschwerden. „Als Pferdenärrin war es ein wichtiger, aber auch logischer Schritt, die Arbeit mit den Pferden ebenfalls zu entwickeln und auf wissenschaftlich eruierte Beine zu stellen. Es folgten Kurse im In- und Ausland, der Besuch der Schule für Tierphysiotherapie in den Niederlanden, Gespräche mit nationalen und internationalen Pferdetrainern und alles, was mir die Möglichkeit bot, mich weiterzuentwickeln“, berichtet sie. „Weitere sechs Jahre arbeitete ich als freie Mitarbeiterin in der Pferdeklinik Beekvliet in den Niederlanden, wo ich unter anderem durch die dortige orthopädische Chirurgin bei meiner Arbeit begleitet wurde. Es entstand eine eigenständige Methode des Pferde-Dry-Needlings.“

Myofasziale Trigger-Punkte

Die Wirkung des Dry Needlings auf den Bewegungsapparat des Pferdes ist mittlerweile unumstritten. Zunächst lohnt sich ein genauerer Blick auf den Aufbau des Gewebes, um zu verstehen, was im Pferdekörper vor sich geht. „Was 1843 vom deutschen Anatomen Robert Froriep erstmals als ,Muskelschwiele‘ in einer Arbeit über Fibromyalgie (chronische Schmerzerkrankung, welche die Muskulatur, Gelenke und Haut betrifft, Anm. d. Red.) erwähnt wurde und seither immer tiefgehender erforscht wird, ist ein Phänomen, welches ebenso alltäglich wie schmerzhaft ist. Im englischen Sprachraum entwickelte sich der Begriff der Myogelose, deren Definition, unabhängig von allen Erkenntnissen zur Entstehung von Triggerpunkten, bis heute Gültigkeit hat. Beschrieben wird ein Triggerpunkt hier als ,ein palpabler Knoten in einem Bündel kontrakter Muskelfasern‘“, erläutert Andrea Schachinger.

Mehr Informationen zum „Equine Dry Needling“ finden Sie der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.

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