Text: Alexandra Koch Foto: Trio Bildarchiv/ Jennifer Nitsche
Noch steckt der Bereich Kompression bei Pferden ein wenig in den Kinderschuhen. Wie und ob die Methode wirkt, ist längst nicht allen Pferdehaltern bekannt. Deshalb werfen wir einen Blick auf die Hintergründe von Kompressionsbandagen und Co. Wofür sind diese überhaupt gedacht und wann sollte man sie nutzen?
Kompression ist vielen vielleicht eher aus dem Bereich der Physik bekannt. In der Medizin versteht man darunter die Ausübung von Druck auf das Gewebe. Doch wie kann sie unterstützen und helfen? Das erklärt sich erst bei einem genaueren Blick auf die Zusammenhänge im Körper.
Kompression und Lymphsystem
Das Lymphsystem – auch bekannt unter dem Namen Lymphatisches System – gehört zum Abwehrsystem des Körpers gegen Krankheitserreger, Fremdpartikel und krankhaft veränderte Körperbestandteile. Wir Menschen bemerken die Aktivität des Lymphsystems immer erst dann, wenn ein Lymphknoten schmerzhaft anschwillt. Dann ist das dritte große Gefäßsystem – neben Venen und Arterien – mit voller Kraft dabei, den Abfall aus dem Körper zu beseitigen. Dieser wird nämlich in den Lymphknoten als solcher identifiziert.
Menschen haben etwa 400 bis 600 Lymphknoten, bei Pferden sind es 20 Mal mehr, nämlich rund 8.000. Durch diese hohe Anzahl ist der Lymphfluss im Vergleich deutlich langsamer.
Im Grunde genommen klingt alles rund um das Lymphsystem dennoch sehr gut. Wer wünscht seinem Pferd nicht eine gute Portion Abwehrmechanismen? Doch der Haken dabei ist, dass der Lymphfluss unterbrochen oder beeinträchtigt werden kann. Dann bleiben die Flüssigkeit und das Eiweiß im Gewebe zurück. Dr. Frank Reimann beschreibt, dass sich entlang der weit verzweigten Bahnen Entzündungen relativ schnell verbreiten können. Dies kann vor allem an besonders fragilen Punkten des Pferdekörpers, insbesondere am Bein, zu gesundheitlichen Schäden und Verschlechterung des Allgemeinzustandes führen.
Druck hilft weiter
Und dabei kommen die „Druckmittel“ ins Spiel. Insbesondere Kompressionsbandagen sind mittlerweile verbreitet. Der Hersteller EquiCrown erhielt für seine Produkte aus diesem Bereich sogar mehrere internationale Auszeichnungen bei Fachmessen.
Störungen des Lymphflusses sind übrigens meist nach kurzer Zeit nicht mehr zu übersehen. „Dazu zählen Phlegmone, Gallen, angelaufene Beine, Schwellungen und Ödeme im Zuge der Wundheilung sowie Sehnenentzündungen, die auch chronische Verläufe nehmen können“, erklärt Dr. Frank Reimann, der eine eigene tierärztliche Praxis unterhält und ein weithin bekannter und anerkannter Experte auf dem Gebiet der Erkrankungen des Bewegungsapparats ist.
Um Behinderungen des Lymphflusses zu beseitigen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Dazu zählen manuelle Lymphdrainagen, die beispielsweise durch Massagen erfolgen, ebenso wie Bewegungstherapie. Und dann wäre da eben noch der Druck durch Kompression. Sie erfolgt in der Regel, um die Wirkung der Lymphdrainagen zu erhalten. Im „Lehrbuch der Lymphologie“ (erschienen bei Urban & Fischer 2005) erfährt man, dass Kompression „angesammelte Flüssigkeit im Gewebe senkt, den venös lymphatischen Abstrom beschleunigt und die Funktion der Muskelpumpen verbessert“.
Neben der Anregung des Lymphflusses sorgt Kompression auch für eine verbesserte Blutzirkulation. „Damit werden die Organe vermehrt mit Sauerstoff versorgt. Der arterielle Druck wird auf einem passenden Niveau gehalten“, so Dr. Frank Reimann. „Und der Körper wärmt schneller auf. Zudem hat Druck einen positiven Einfluss auf den muskulären Stoffwechsel und damit auf den Abbau von Laktat.“
Ganzkörperbekleidung?
Mittlerweile sind auch Ganzkörperanzüge fürs Pferd auf dem Markt. Diese sind allerdings recht teuer und es stellt sich die Frage, ob sie für das jeweilige Pferd wirklich sinnvoll sind. Kompressionsbandagen allerdings können die Gesundheit des ohnehin sehr verletzungsanfälligen Pferdebeines verbessern. Wichtig ist allerdings, die richtigen Bandagen auszuwählen, denn diese sollten in jedem Fall atmungsaktiv sein, sodass darunter kein vermehrtes Schwitzen bzw. schlimmstenfalls Hitzestau und kein vermehrtes Auftreten von Krankheitserregern stattfindet. Außerdem sollte der optimale Sitz der Bandagen durch eine anatomische Passform gewährleistet sein. Gegebenenfalls sollte man Bandagen in Maßanfertigung nutzen, wenn die normalen Größen nicht passen.
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