Rückenschmerzen adé!

 

Rückenschmerzen sind bei Reitpferden weit ­verbreitet. Trotzdem bleiben sie oft ­unerkannt. Wie kann jeder Pferdebesitzer selbst feststellen, ob der Rücken seines ­Sportpartners in Ordnung ist oder nicht? Die Osteopathin Gittli Kürten gibt Tipps

 

Obwohl viele Reiter sich bemühen, ihre Pferde durch Gymnastizierung gesund zu erhalten, zählt der Mensch in Sachen Rückenproblemen zu den Hauptverursachern. Fehlendes Wissen um Anatomie und Physiologie des Pferdes, mangelnde Reitkenntnisse und übertriebener Ehrgeiz sorgen oft dafür, dass es in der Bewegungszentrale des Pferdes nicht mehr rund läuft. Die Anzeichen dafür sind vielfältig und im Anfangsstadium leicht zu übersehen. „Zu Beginn ist das Pferd oft nur ­etwas unmotivierter und triebiger als sonst, mag sich vielleicht auf eine Seite plötzlich nicht mehr so gerne biegen oder ist in der Anlehnung etwas mauliger“, sagt die Pferdeosteopathin Gittli Kürten. „Auch wenn es Probleme beim Handwechsel oder Angaloppieren entwickelt, unerklärliche Lahmheiten zeigt oder im Galopp immer wieder umspringt, kann das auf Rückenprobleme hindeuten.“

Auffälliger wird es, wenn das Pferd plötzlich Unmut beim Putzen oder Satteln zeigt oder wenn es sich plötzlich nicht mehr hinter den Ohren anfassen lassen möchte. Stellen sich beim Reiten echte Widersetzlichkeiten wie Kopfschlagen, Stampfen, Buckeln oder Steigen ein, verweigert es eine Gangart oder eine Hand komplett, ist Alarmstufe rot angezeigt. Dann muss sofort ein Tierarzt oder Therapeut her. Doch so weit muss es nicht kommen, wenn Sie regelmäßig selbst überprüfen, ob Ihr Pferd irgendwelche Unregelmäßigkeiten oder Probleme anzeigt.

Die ersten Schritte

„Die erste Frage zum Thema Rückenprobleme beim Reitpferd ist: Passt der Sattel überhaupt optimal?“, sagt Gittli Kürten. „Lassen Sie den Sattel regelmäßig von einem Sattler überprüfen, auch wenn das Pferd keine akuten Probleme hat. Der Pferderücken kann sich verändern, genauso wie die Polsterung des Sattels. Das sind schleichende Prozesse, die lange unerkannt bleiben, aber nachhaltige Probleme auslösen können. Deshalb ist es wichtig, mindestens einmal im Jahr nachsehen zu lassen, ob der Sattel noch perfekt passt – ansonsten ist das Gefühl beim Reiten für das Pferd so, als müssten Sie mit ­einem unpassenden Schuh wandern.“

Weitere Fragen, die sich jeder Pferdebesitzer immer wieder stellen sollte, sind: ­Laufen sich die Hufe meines Pferdes gleichmäßig ab? Fußen die Hinterhufe in der ­Linie der Vorderhufe auf? Bewegt sich das Becken im Schritt gleichmäßig nach oben und vorne? Trägt mein Pferd den Schweif gerade? „Am besten lassen Sie jemand anderen Ihr Pferd führen und betrachten es von hinten. So können Sie den Schweif, die Beckenbewegungen und die Fußspuren am besten beurteilen“, rät Gittli Kürten. „Das ist eine sehr einfache, aber effektive Art, um ­Unregelmäßigkeiten und Dysbalancen zu erkennen, die aber erstaunlicherweise kaum ein Pferdebesitzer nutzt. Aber ehrlich, jeder kann das.“

Außerdem sollte man sein Pferd auch immer wieder mal von vorne bis hinten abtasten, um Unebenheiten und Temperaturunterschiede des Körpers feststellen zu können. „Streichen Sie dabei erst das ganze Pferd ab, um es mit den Berührungen vertraut zu machen. Das gibt nicht nur Sicherheit und Vertrauen, sondern auch Informationen über den Gemütszustand des Pferdes“, sagt die Osteopathin. „Halten Sie dabei stets mit beiden Händen Kontakt zum Pferd, und achten Sie auf Reaktionen im Gesicht.“ Die Faustregel lautet: Sanfter Druck wirkt entspannender, fester Druck wirkt anregender. „Starten Sie lieber sanft und schließen Sie zwischendurch die Augen, damit Sie besser spüren, ob es Unterschiede gibt. Dann fragen Sie sich: Wie fühlt sich Ihr Pferd an? Locker? Überall gleich warm und fest?“ Wichtig: „Sollten Ihnen Temperaturunterschiede auffallen, holen Sie bitte einen Tierarzt oder Therapeuten, um zu überprüfen, ob sich eine Entzündung oder eine starke Verspannung gebildet hat.“

Muskulatur überprüfen

Als Nächstes sollten Sie überprüfen, ob sich im Rückenbereich Regionen mit vermehrter oder verminderter Muskulatur entwickeln. „Vergleichen Sie dabei genau die linke mit der rechten Seite“, sagt Gittli Kürten. „Im Falle von Muskeldysbalancen kommt es häufig zu verminderter Muskulatur seitlich etwas ­hinter dem Widerrist oder auch seitlich der Wirbelsäule, während sich vermehrte Muskulatur oft vor dem Widerrist und über dem Schulterblatt oder auch hinter dem Sattel zeigt. In diesem Fall könnten sich falsche Halt­emuskeln bilden.“ Steigen Sie auch mal auf einen Hocker, der hinter dem Pferd platziert ist, und schauen Sie, ob vom Schweif zum Widerrist eine gerade Linie zu sehen ist. Tasten Sie den Rücken sanft mit der ­flachen Hand ab. „Das Pferd sollte dabei keinerlei Muskelverhärtung oder Schmerzhaftigkeit als Reaktion zeigen. Die Muskeln sollten sich relativ fest, aber nachgiebig anfühlen – und nicht hart oder angespannt“, erklärt die

Osteopathin.

Eine weitere gute Übung, um Probleme aufzuspüren, sind die sogenannten Karottenübungen: Locken Sie das Pferd mit einer Karotte zur Seite (siehe Übung „Strecken des Halses zur Seite“). Dabei soll es ruhig stehen und sich nach der Karotte strecken. „Normalerweise kann ein Pferd sich so weit dehnen, dass der Kopf die Hinterhand erreicht – oder andersherum die Hinterhand den Kopf, wenn sich das Pferd beispielsweise am Ohr kratzt. Falls das Pferd die Karotte nicht erreicht und am Ende seiner Bewegungsmöglichkeit ungleichmäßig danach schnappt oder wenn es Unterschiede zwischen der Bewegung nach links oder rechts gibt, kann dies ein Hinweis auf Muskelprobleme sein“, erklärt Kürten.

„Wenn sich entlang der Wirbelsäule eine Rinne bildet, so geschieht dies meist aufgrund eines zu hohen Muskeltonus, also einer Muskelverhärtung oder gar einer Atrophie – das ist eine Verkleinerung der Muskeln aufgrund mangelnder Beanspruchung und Versorgung mit Nährstoffen“, sagt die Osteopathin. „Das entsteht häufig als Folge einer nicht ausreichend trainierten Bauch- und Rumpfmuskulatur.“ Füttern Sie eine Karotte zwischen den Vorderbeinen und bringen Sie das Pferd damit dazu, den Rücken aufzuwölben (siehe die Übung ­„Karotte zwischen den Vorderbeinen“) – dadurch sollte die Rinne vollständig verschwinden. In diesem Fall ist ein vermehrtes Training der Bauch- und Rumpfmuskeln nötig.

Ändert sich bei der Übung nichts an der Rinne, sollten Sie einen Therapeuten kontaktieren. „Auch ein vermeintlich dicker Bauch, bei dem aber die Rippen gut zu spüren sind, weist nicht immer auf zu viel Futter hin“, weiß Kürten, „insbesondere, wenn er mit einem tiefen Rücken einhergeht. Auch hier könnte das Problem an einer mangelnden Bauch- und Rumpfmuskulatur liegen. Fühlen Sie die Rippen des Pferdes: Sind diese deutlich spürbar und hat das Pferd trotzdem einen dicken Bauch, könnte es an der Muskulatur liegen.“

Mit diesen einfachen Schritten können Sie selbst regelmäßig überprüfen, ob bei Ihrem Pferd alles rundläuft oder ob sich Probleme anbahnen – und reagieren, bevor diese zu starken Schmerzen führen. Noch ein wichtiger Hinweis zum Schluss: „Rückenschmerzen müssen nicht unbedingt mit dem Rücken zu tun haben“, sagt Gittli Kürten. „Manchmal liegen die Ursachen in anderen Bereichen. Deshalb kann es nötig sein, dass ein Tierarzt oder Therapeut das Pferd ganzheitlich untersucht, wenn die Rückenprobleme nicht vergehen oder immer wiederkehren.“

 

 

Foto: slawik.com

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