Text: Andrea Grafentin-Lüdemann (THP) Foto: Getty Images
Bei Stress wollen Pferde fliehen. So hat es die Natur eingerichtet. Gesteuert wird dieses Verhalten von mehreren Botenstoffen im Gehirn. Wird der Stress jedoch zum Dauerbrenner, kann das zu verschiedenen pferdetypischen Erkrankungen führen. Warum Pferde so anfällig für Stress sind und was wir dagegen tun können
Aber wohin nun mit dem ganzen Zucker, wenn unsere Pferde den gar nicht durch eine längere Flucht als bis zum nächsten Weidezaun abbauen können? Er lagert sich ab – und zwar in den Zellen und Blutgefäßen oder er füttert zu stark die Mikroorganismen im Pferdedarm an. Hufrehe, wie schon beschrieben, kann eine Folge sein. Eine weiteres Krankheitsbild ist das Equine Metabolische Syndrom, kurz EMS – die Diabetes mellitus Typ2-Erkrankung des Pferdes. Hierbei handelt es sich um eine Resistenz der Bauchspeicheldrüse, die unter anderem Insulin produziert. Insulin sorgt wie ein Strohhalm dafür, dass Glucose in die Zellen gelangt und dort die Energie für den Zellstoffwechsel liefert. Ist über längere Zeit ein Übermaß an Zucker im Körper vorhanden, reagiert die Bauchspeicheldrüse mit einer Einstellung der Insulinproduktion, sie wird resistent. Und nun? Zum einen fehlt den Zellen dann Energie, es kommt zu Mangelerscheinungen und Trägheit.
Zum anderen bleibt der ganze Zucker irgendwo liegen. Da Zucker automatisch Wasser an sich zieht, bilden sich Wasseransammlungen, sogenannte Ödeme. Wir kennen sie bei Pferden insbesondere um die Augen herum, am Mähnenkamm, den Schultern und der Kruppe. In der ganzheitlichen Medizin verfügen wir gegen die EMS über Wirkstoffe aus der Phytotherapie und der Mycotherapie (sogenannte Vitalpilze), mit denen sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Die Wirkstoffe können die Rezeptoren der Zellen reparieren, sodass sie empfänglicher werden für Insulin. Außerdem kann sich der viele Zucker in den Blutgefäßen ablagern. Verengungen (Arteriosklerose) und mangelhafter Blutdurchfluss können die Folge sein. Der Blutdruck muss sich erhöhen, um das Blut dennoch durch die Adern pumpen zu können. Auch beim Thema Cushing sollte immer auf haltungsbedingte Stressfaktoren geachtet werden. Da bei Cushing-Patienten die Cortisolproduktion ohnehin krankhaft erhöht ist, treten bei ihnen auch alle genannten Symptome auf. Steigert sich dieser Prozess dann noch stressbedingt, wird es immer schwieriger, die betroffenen Pferde mit chemischen oder pflanzlichen Wirkstoffen richtig einzustellen. Ein Augenmerk sollte auch der Leber liegen: Bei der Verwertung von Eiweißen entsteht Ammoniak. Nimmt dieses Überhand, kann die Leber das Ammoniak nicht mehr ausreichend entgiften – und dieses wirkt dann als Zellgift. Hautreizungen und Sommer-Ekzem können hier mögliche Symptome sein. Lebergeschwächte Pferde zeigen auch häufig tränende oder gerötete Augen. Nicht umsonst spricht man in der traditionellen Chinesischen Veterinär Medizin (TCVM) von den Augen als dem „Öffner der Leber“.
Anzeichen frühzeitig erkennen
In der ganzheitlichen Pferdemedizin werden nicht nur die Symptome behandelt, sondern die Ursache für eine Erkrankung gesucht. Und da unsere Pferde als Fluchttiere von Natur aus nun einmal eine hohe Stresssensibilität mitbringen, spielt haltungsbedingter Stress als Ursache pferdetypischer Erkrankungen eine große Rolle. Wir sollten immer aufmerksam sein, Verhaltensauffälligkeiten unserer Pferde ernst nehmen und gegebenenfalls einen erfahrenen Pferde-Therapeuten zu Rate ziehen.