Wenn ein Pferd Kolik hat, sind gut gemeinte Ratschläge nicht weit. Einige von ihnen sind hilfreich, andere können sogar schaden. Wir haben zehn häufige Tipps und Sprüche unter die Lupe genommen.

 

1 | Bloß nicht wälzen lassen!

„Das ist ein Kolik-Mythos beim Pferd!“, entgegnet Tierärztin Dr. Annette Wyrwoll. „Man muss einleitend sagen, Kolik ist nicht Kolik! Unter den Begriff Kolik fallen schmerzhafte Prozesse im Bauchraum, das können 20 bis 30 verschiedene Probleme sein.“ Das Wälzen ist nur dann nicht sinnvoll, wenn sich das Pferd hektisch verhält und sich immer wieder regelrecht auf den Boden schmeißt. Dann wird der Kreislauf zu stark belastet. Ansonsten ist Wälzen vollkommen in Ordnung, bei einer beginnenden oder drohenden Verlagerung des Darms ist es sogar sinnvoll. „Wälzen ist eine gute Methode, wenn sich der Darm in den Milz-Nieren-Raum verlagert hat. In Kliniken wird dies zum Teil ganz gezielt gemacht, indem das Pferd in Narkose gelegt und über den Rücken gedreht wird. Die Verlagerung löst sich dann ganz oft und das Pferd muss nicht mehr operiert werden.“

2 | Saufen hilft!

„Trinken kann durchaus helfen, vor allem bei Verstopfungskoliken. Denn durch die Zufuhr von Wasser wird der Magen-Darm-Trakt mit Flüssigkeit versorgt und der darin befindliche Nahrungsbrei verdünnt“, erklärt Sonja Weyrauch, Produktmanagerin bei Josera. Es ist also kein Mythos. Aber es gibt dabei ein entscheidendes Problem, wie Dr. Annette Wyrwoll aus ihrer langen Erfahrung als Tierärztin weiß: Viele Pferde saufen nicht mehr, wenn sie eine Kolik haben.

3 | Kräuter lindern Kolik-Krämpfe

Dagegen ist ein Kraut gewachsen, das kann man auch bei einer Kolik sagen. „Die ätherischen Öle von Kümmel und Anis regen z.B. die Sekretion von Verdauungssäften an – sind also verdauungsfördernd – und wirken krampflösend. Auch bei Verdauungsproblemen eingesetzter Fenchel bzw. dessen Öl wirkt verdauungsfördernd und kann Blähungen lindern. Der Einsatz von Kräutern hat also seine Berechtigung und kann bei Kolik-empfindlichen Pferden vorbeugend gefüttert werden. Auch bei leichten Gaskoliken gibt es Mischungen verschiedener ätherischer Kräuter­öle, die diese lindern können – im Ernstfall sollte man aber immer den Tierarzt konsultieren“, rät Sonja Weyrauch.

Tierärzte wissen um die heilsame Wirkung von Kräutern und empfehlen je nach Fall spezielle Produkte. „Gewisse Kräuter können bei Krampfkoliken helfen. Sie sind zum Beispiel in Colosan oder Kaschmieder Balsam enthalten. Durch die enthaltenen Bitterstoffe wird zum einen die Darmmotorik angeregt, zum anderen die Darmdrüsen stimuliert, Verdauungssäfte zu produzieren“, erklärt Dr. Annette Wyrwoll.

4 | Leinöl löst die Verstopfung!

Werden Tierärzte zu einem Pferd mit Verstopfung gerufen, greifen sie oft zu einer Nasenschlundsonde. „Meistens ist es dann so, dass wir darüber dem Pferd eine Mischung  aus Wasser und Paraffin­öl eingeben. Paraffinöl wird nicht resorbiert, das heißt der Körper nimmt es nicht auf, sodass die Öl-Wasser-Mischung die Verstopfung auflöst.“ Leinöl hingegen wird resorbiert. Das hat zur Folge, dass der Körper das Öl bzw. eine Leinöl-Wasser-Mischung aufnehmen würde und diese gar nicht bei der Verstopfung ankommt.

5 | Das liegt nur am Wetter!

Es gibt so Tage, da kommt scheinbar ein Kolikfall nach dem anderen in die Klinik. Auffällig dabei ist, dass das Wetter irgendwie nicht ganz so normal ist „Wir sagen, ein Koliker kommt selten allein. Und tatsächlich spielt das Wetter eine Rolle. Wenn das Wetter den Kreislauf belastet oder wenn es einen Wetter-Wechsel gibt, dann sind vermehrt Koliken zu beobachten“, stimmt Dr. Annette Wyrwoll dieser Aussage zu. „Immer, wenn es uns selber auch flau wird, wenn es zum Beispiel so drückend ist oder es einen plötzlichen Wetterwechsel gibt, dann belastet das unseren Kreislauf wie auch den Kreislauf des Pferdes.“

Auch Sonja Weyrauch kennt dieses Problem: „Tatsächlich gibt es Pferde, die auf Wetterumschwünge sensibel im Magen-Darm-Trakt reagieren, z.B. bei Wetterumschwüngen von großer Hitze auf regnerische Kälte. Das verursacht Stress für den Stoffwechsel, der sich auch auf den Verdauungstrakt auswirken kann.“

6 | Hängerfahren löst die Verstopfung!

Mit Bauchschmerzen ab in die Klinik und beim Ausladen ist plötzlich alles wieder gut, die Kolik-Symptome sind verschwunden. Das berichten Pferdebesitzer immer wieder. Sie glauben, dass das Rütteln bei der Fahrt und die Ausgleichsbewegungen des Pferdes dazu geführt haben, dass sich eine Verstopfung gelöst hat. „Das habe ich in der Tat auch schon oft erlebt“, stimmt Tierärztin Dr. Annette Wyrwoll zu. „Ich hatte Pferde mit einer Verlagerung oder einer beginnenden Verdrehung des Dick- wie auch Dünndarms, die ich mit einer Spritze gegen Schmerzen und zur Entspannung versorgt und dann weiter in die Klinik geschickt habe. Als sie dort ankamen, war alles wieder in Ordnung.“

Die Tierärztin geht ebenfalls davon aus, dass es die Ausgleichsbewegungen des Pferdes sind sowie das Rütteln des Anhängers, die das Problem lösen. Auch die Aufregung könnte eine Rolle spielen, da diese das vegetative Nervensystem anregt. „Das bedeutet aber nicht, dass ich ohne Tierarzt das Pferd auf den Hänger stelle und umherfahre, damit sich eine Kolik löst“, warnt die Tierärztin, „das Pferd könnte eine schlimme Kolik haben und dann geht wertvolle Zeit durch das Umherfahren verloren.“

7 | Führen, führen, führen!

„Grundsätzlich fördert ruhige, mäßige Bewegung des Pferdes die Verdauung. Daher ist Schrittführen bei einer Kolik wichtig, um auch den verkrampften Verdauungstrakt langsam in Bewegung zu versetzen und die Darmtätigkeit zu aktivieren“, erklärt Sonja Weyrauch und auch aus Sicht von Dr. Wyrwoll macht man mit Führen nie etwas verkehrt. Um das Pferd nicht zu überfordern und den Kreislauf aber in Schwung zu halten, rät sie zu Folgendem: „Ich führe eine halbe Stunde Schritt und stelle das Pferd dann wieder für eine halbe Stunde in die Box, um es zur Ruhe kommen zu lassen. Dadurch regt man den Kreislauf an und hat einen Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung.“

8 | Mash hilft gegen die Bauchschmerzen!

„Ein klassisches Mash enthält in der Regel hohe Gehalte an Leinsamen und Weizenkleie, die verdauungsfördernde Eigenschaften haben. Die Schleimstoffe aus Leinsamen unterstützen z.B. die Schleimhautwände des Verdauungstrakts, zugleich liefern die Samen essentielle Omega-3-Fettsäuren, die entzündungshemmend wirken. Weizenkleie ist ein Nebenprodukt der Weizenproduktion und (im Vergleich zum Korn) stärkereduziert und zuckerarm. Zugleich liefert es viel Rohfaser, ist leichtverdaulich und unterstützt die Motorik des Darms“, erklärt Sonja Weyrauch.

Bei einer Kolik sollte man aber kein Mash füttern! Da sind sich Tierärztin Dr. Annette Wyrwoll und Sonja Weyrauch einig. Dieser Kolik-Mythos kann fürs Pferd sogar riskant werden, denn das Pferd sollte in diesem Moment nichts weiter fressen. Aus Sicht von Dr. Annette Wyrwoll muss man auch nach einer Kolik aufpassen, einem Pferd nicht Mash in großen Mengen anzubieten. „Mash auf nüchternen Magen ist nicht gut, das liegt Pferden im Magen.“ Sinnvoller ist qualitativ hochwertiges Heu.

9 | Geäppelt? Dann ist alles wieder gut!

„Es kann so sein, muss aber nicht. Wenn man sich vor Augen führt, dass das letzte Darmstück, wo die Pferdeäpfel geformt werden, zehn Meter lang ist, kann es durchaus sein, dass das Pferd äppelt, auch wenn weiter vorne im Darm eine Verstopfung vorliegt.“ Umgekehrt gilt aber: Wenn der Tierarzt rektal ertastet, dass kein Kot nachgeschoben wird, ist das verdächtig. „Wenn das Pferd stundenlang nicht äppelt, ist das schlecht.“

10 | Bauch massieren hilft

„Bei Krampfkoliken kann das helfen, das habe ich schon erlebt“, berichtet Dr. Annette Wyrwoll. Mit einem Strohbüschel in der Hand massiert sie den Bauch in kreisenden Bewegungen. „Bei Verdrehung oder Verlagerung des Darms hilft das allerdings nicht“, fügt sie hinzu.

 

Text: Kerstin Wackermann

Bild: slawik.com

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