Maulspalte

Die Maulspalte muss im Zusammenhang mit den sonstigen Dimensionen des Pferdekopfes betrachtet werden. Sie kann kurz, normal oder lang ausfallen. Auch ihre Beschaffenheit spielt eine Rolle. „Es gibt Pferde, die beispielsweise außen über auffallend weniger Fleisch am Maul verfügen“, sagt Heiko Schmidt-Sentek. Ihm entfährt ein Stoßseufzer beim Thema „Maulspalte“: „In der modernen Pferde­zucht sehen wir gerade in der Dressur viele Pferde mit schmalen Köpfen und kurzen Maulspalten. Das entspricht dem Schönheitsideal, wird aber problematisch, wenn das Pferd auf Kandare gehen soll. Zwei Gebisse brauchen eben Platz, und die kurzen Maulspalten bieten den nicht immer.“ Eine weitere Selbstverständlichkeit: regelmäßige Zahnkontrollen durch den Tierarzt.

 

Abstand Oberkiefer– Unterkiefer

Für den Raum, den die Maulhöhle innen bietet, ist der Abstand von Ober- zum Unterkiefer ein entscheidender Faktor. Hier bedarf es einer gewissen Erfahrung, um zu sehen, ob es 4 Zentimeter sind oder weniger (3 bis 3,5 Zentimeter). Wie viel Platz dieser Hohlraum bietet, hängt allerdings wiederum von anderen Komponenten ab, zum Beispiel, wie der Gaumen gestaltet ist .

 

Zunge – die große ­Unbekannte

Die Zunge ist eines der sensibelsten Körperteile des gesamten Pferdeorganismus. Auf ihr ruht das Gebiss. Dieser große Muskel kann unterschiedlich dimensioniert sein. Es gibt extrem dicke Zungen oder auch solche, die in Sachen Breite deutlich von der Norm abweichen. Beide Formationen sind bei der Wahl des passenden Gebisses zu berücksichtigen. Im Zweifel wird man hier zu einer dünneren Version greifen. Heiko Schmidt-Sentek empfiehlt hier häufiger anatomische Gebisse.

Außerdem ist das Zungenbein nicht zu vergessen, das Binde­glied zwischen Zunge und Muskelstrukturen am Hals bis zum Brustbein. Für den Gleichgewichtssinn des Pferdes spielt das Zungenbein eine wichtige Rolle. Heiko Schmidt-Sentek überprüft deswegen auch diesen Bereich ausführlich. Sind hier Auffälligkeiten, lässt das Rückschlüsse über die Rittigkeit des Pferdes und seine „Schokoladenseite“ zu.

Tipp: Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) hat auf Youtube eine mehrteilige Serie zum Thema „Das passende Gebiss“ mit Heiko Schmidt-Sentek hochgeladen.

 

Gaumen

Man kann zwar kaum in die Maulhöhle hineinschauen, aber naturgemäß ist es da eher dunkel. Als Fachmann erkennt man aber, wie der Gaumen geformt ist. Hier gibt es ganz unterschiedliche anatomische Begebenheiten: Mancher Gaumen ist deutlich nach oben gewölbt. So ist Platz für Zunge und Gebiss. Es gibt aber auch flachere Gaumen, die dann entsprechend weniger Platz für alles Weitere bieten.

 

Wie dick sollte das Gebiss sein?

Dass die Faustregel „je dicker, desto weicher“ längst keine Gültigkeit mehr hat, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Genauso, dass ein doppelt gebrochenes Gebiss grundsätzlich weicher ist als ein einfach gebrochenes. Die anatomische Analyse der Maulhöhle ist entscheidend. Dicke Zunge, kurze Maulspalte, flacher Gaumen: Hier muss mit wenig Material gearbeitet werden, sprich 14 Millimeter starke Mundstücke sollten hier eher zum Einsatz kommen als solche, die die im Sport zugelassenen 21 Millimeter voll ausschöpfen.

Bei einem Kandarengebiss ist zusätzlich die Ausprägung der Zungenfreiheit und deren Wölbung zu berücksichtigen. Bei Hebelgebissen wie der Kandarenstange muss man immer im Hinterkopf haben, dass das Annehmen des Zügels dazu führt, dass das Gebiss in der Maulhöhle eine leichte Rotation macht.

Eine Zungenfreiheit bewegt sich in Richtung der vorderen Schneidezähne und leicht nach unten. Anatomisch geformte Gebisse berücksichtigen diesen Umstand.

Der „Zwei-Finger-Test“ verrät, wie viel Platz im Maul des Pferdes ist: Einfach Zeige- und Mittelfinger an die Stelle ins Pferdemaul legen, an der das Gebiss positioniert wird. Spürt man deutlichen Druck, sollte das Gebiss in einer Stärke von 14–16 Millimetern gewählt werden, bei deutlich weniger Druck kommt eher eine Stärke von 18 Millimetern oder mehr infrage.

 

… und wie breit?

Einfache Antwort: Das Gebiss sollte bei einer Wassertrense mit durchlaufenden Ringen seitlich maximal 0,5 Zentimeter herausragen. Das garantiert, dass die Maulwinkel nicht eingeklemmt oder gar gequetscht werden. Bei Zäumung auf Kandare hängt das Stangengebiss tiefer und somit an einer Stelle, an der der Kiefer sich verjüngt. Deshalb wählt man hier eine halbe Größe kleiner. Ein letzter prüfender Blick gilt der korrekt verschnallten Trense: Oberhalb des Gebisses sollen ein bis zwei Falten entstehen, dann ist das Gebiss korrekt positioniert. Der Nasenriemen soll die Gebissringe keinesfalls stören.

 

Lade – der Knackpunkt

An dieser zahnlosen Stelle zwischen Schneide- und Backenzähnen trifft das Gebiss auf den Pferdekörper. Wer einmal bewusst getastet hat, wird feststellen, wie dünn, mitunter sogar nahezu scharfkantig die Laden sein können. Der Knochen wird von wenig Haut und so gut wie kaum Fleisch, geschweige denn Fett, ummantelt. Generell sollte jede Reiterin und jeder Reiter hier einmal fühlen, das könnte durchaus zum Überdenken der eigenen Hilfengebung führen. Die Laden können relativ rund sein. Es gibt aber auch spitzere Laden. Vor allem aber kann es auch hier Unterschiede geben, sprich unterschiedliche anatomische Ausprägungen auf den beiden Seiten.

 

Text: Jan Toenjes, Bild: Adobe Stock

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