Futter-Booster

Geliehene Freiheit

Seit ein paar Monaten schon läuft mein Pferd nicht rund. Es ist nicht so, dass es direkt auffallen würde. Auf meine Frage, ob Reitlehrer und Co. mir bestätigen könnten, dass der Wallach zwischendurch nicht ganz klar läuft, habe ich die meiste Zeit ein „Nee, der hat nichts“ gehört. Trotzdem war ich mir sicher, dass hier irgendwas nicht stimmte. Doch woher kam die Taktstörung? Aus den Beinen? Aus dem Rücken? Aus dem Hals oder doch aus der Schulter? Auf einer Skala von 1 bis 10 war sie als eine 1 oder 2 wahrzunehmen, was nicht gerade eindeutig ist.

So ließ ich zwei Tierärzte und eine Osteopathin kommen, die völlig unterschiedlicher Meinung waren und das Problem auch nicht beheben konnten. Tierarzt Nummer drei sollte dann die Wendung bringen, und – tadaaa! – nach einer kurzen Untersuchung hatte er die Ursache auch schon gefunden: eine Hufgelenksentzündung, die sich mein Wallach vermutlich direkt am Tag des ersten Weidegangs auf der buckligen Wiese geholt hatte. Seither schlagen wir uns nämlich mit dem mehr oder weniger spürbaren Problem herum.

Dies bedeutete nicht nur, dass ein anderer, polsternder und besonders gut abrollender Beschlag hermusste, sondern auch, dass von nun an der tägliche Weidegang zusammen mit seiner langjährigen Herde erst einmal unterbrochen werden musste. Ein paar Stehtage und weitere Tage mit Ruhe und nur Schrittführen standen für uns an. Was andere lediglich traurig macht, weil eine Weile kein Training möglich ist, ist für mich ein Stich ins Herz, weil es mich schmerzt, wenn ich den Freigeist lange einsperren muss.

Was wir einem anderen Menschen im Krankheitsfall einfach erklären können, ist für ein Tier, das einen bestimmten Tagesablauf gewohnt ist, einfach nur verwirrend und der größte Stress. Das Wiehern und Scharren in der Box und das ständige Suchen nach den Herdenkollegen ist für mich bei jeder Verletzung, die strikte Boxenruhe erfordert, immer wieder schlecht auszuhalten.

Während ich daher versuchte, ohne wirkliche Bewegung zumindest ein wenig Ablenkung in den tristen Alltag meines Wallachs zu bringen, beobachtete ich andere Pferdebesitzer, die ihren Pferden selbst im Sommer nur zwei Stunden Weide am Tag gönnen und diese ansonsten 22 Stunden in ihrer Box stehen lassen, wo die Tiere sehnsüchtig darauf warten, dass sie zumindest eine Stunde täglich bewegt werden, da draußen, fernab des Boxenfensters.

Ich las dazu kürzlich ein sehr passendes Zitat: „Wenn du dein Pferd reitest, leihst du dir seine Freiheit. Du darfst nicht vergessen, sie ihm zurückzugeben.“

Zwar verhindern Krankheiten oder andere Umstände manchmal, dass wir dies vollumfänglich tun können. Aber das Pferd als das zu sehen, was es eigentlich ist – ein Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen – sollte uns häufiger mal darüber nachdenken lassen, ob wir auch ihm gerecht werden – oder meistens vor allem uns selbst.

Ich wünsche Ihnen wunderschöne Spätsommertage und viele glückliche gemeinsame Stunden mit Ihrem Pferd.

Viel Spaß beim Lesen!

Lara Wassermann

Chefredakteurin Mein Pferd 

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