Text: Aline Müller Foto: www.Slawik.com
Eine schöne Oberlinie ist nicht nur ein optischer Hingucker, sondern auch ein sinnvolles Trainingsziel. Wie die Halsmuskulatur des Pferdes gut geformt werden kann, erklärt uns die Pferdeosteopathin Melanie Zinn
Ein schön geformter Hals ist ein echter Hingucker. Wenn sich ein Pferd in der Dressur mit Leichtigkeit bewegt und dabei auch noch die Stirn-Nasen-Linie an oder leicht vor der Senkrechten hat und sich mit trägt, strahlt das Harmonie und Anmut aus. Jedes Pferd ist ein Individuum und bringt auch von Natur aus andere physische Gegebenheiten mit. Während manche Pferde einen eher langen, dünnen Hals haben, präsentieren sich andere mit einem eher kurzen, dicken Hals. Das kann dann dazu führen, dass sie bereits als Jungpferd relativ „fertig“ aussehen, die Muskulatur aber natürlich noch gar nicht entsprechend trainiert ist.
Wenn das Äußere täuscht
Ein Beispiel dafür ist meine vierjährige Reitponystute Lotti. Bereits beim Anreiten präsentierte sie sich mit ihrem eher dicken und kurzen Hals so, dass viele dachten, sie sei bereits älter oder schon länger unter dem Sattel. Auch der Rest ihres Körpers wirkte nicht wie bei einer Remonte. Allerdings ist sie noch ein junges Pferd, und das zeigt sich auch bei der Arbeit. Zwar bringt sie auch vom Interieur viele gute Eigenschaften mit und ist dadurch auch noch wirklich sehr umgänglich, aber ein großes Thema sind Balance und Gleichgewicht.
Der Hals ist die Balancierstange des Pferdes. Und Lotti hat eben eine sehr kurze Balancierstange. Das führt dazu, dass sie Probleme mit dem Gleichgewicht gern über mehr Tempo auszugleichen versucht. Ohne dabei kopflos zu werden. Aber der Gang ist dann auf jeden Fall drin. Außerdem neigt sie dazu, im Genick abzuknicken. Das fühlt sich dann wirklich so an, als würde der Kopf „abklappen“. Bis zu einem bestimmten Punkt geht sie schön mit der Nase leicht vor der Senkrechten, und dann kippt die Nase plötzlich ab. Was sich in der Hand vermeintlich so anfühlt, als hätte man eine „weiche Anlehnung“, ist einfach nur ein Verkriechen. Eine ehrliche Dehnungshaltung war anfangs sehr schwierig. Klar, das ist immer ein Lernprozess, physisch wie psychisch, aber manchen Pferden fällt es leichter, sich zu dehnen, und Lotti gehört definitiv nicht dazu. Sie neigt vielmehr dazu, den Hals richtig fest zu halten.
Jedes Pferd ist anders
Ein optisch schöner Hals ist eben nicht alles. Ich achte bei Lotti darauf, dass sie die Nase vor nehmen darf und sich immer wieder für kurze Stücke mit Vertrauen an die Hand herandehnen kann. Im Wachstum verändert sich natürlich auch noch der Körper des Pferdes, und so gibt es Phasen, in denen das sehr gut klappt, und andere, in denen wir wieder einen Schritt zurückgehen und erst an der Basis arbeiten. Dennoch gibt es auch die Momente, in denen ich einfach nur lächelnd auf ihr sitze und sich das Reiten wunderbar anfühlt. Dann muss ich darauf achten, dass ich diese guten Momente nicht zu lange herauszögere und ihr rechtzeitig eine Pause gebe, anstatt Runde um Runde weiter zu reiten.
Gerne pariere ich auch zum Halten durch, und Lotti darf sich am durchhängenden Zügel strecken. Diese Übung habe ich vom Boden aus begonnen. Wie das geht, wird hier genauer in der Übung auf Seite 20 beschrieben.
Ganz anders zu reiten war ein ehemaliges Berittpferd von mir. Der junge Wallach hatte einen eher dünnen, langen Hals, war noch überbaut und sah ohne Reiter sehr unscheinbar aus. Unter dem Sattel fiel es ihm allerdings leicht, sein Gleichgewicht zu finden und sich unter dem Reiter auszubalancieren. Ihn konnte ich so bald in allen Gangarten in einer guten Dehnungshaltung reiten. Beim Training wirkte er mit der Zeit alles andere als unscheinbar und machte gute Fortschritte.
Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie in der neuen Mein Pferd- Ausgabe.