Text: Aline Müller Foto: Klaus Eppele – stock.adobe.com
Wer mit feinen Hilfen reiten möchte, muss sich mit den Prinzipien der Hilfengebung, mit Lerntheorie sowie mit der Lernfähigkeit seines Pferdes auseinandersetzen. Warum dabei Faktoren wie Timing, Aussetzen und Nachgeben eine entscheidende Rolle spielen, erklärt die Dressurausbilderin Dr.Britta Schöffmann.
Zahlreiche Bücher oder Texte beschreiben, mit welchen Hilfen der Reiter das Pferd zu bestimmten Lektionen veranlassen kann. Wie der Schenkel zu liegen hat und wie die Zügelfäuste zu halten sind. Was nötig ist, um das Pferd nicht nur vorwärts-, sondern auch seitwärtszuweisen. Wie Gangarten und Übergänge eingeleitet werden oder Verstärkungen geritten werden und so weiter. Dem Reiter wird also eine Menge theoretisches Wissen an die Hand gegeben, das er in der Arbeit mit dem Pferd umzusetzen versucht. Ein wichtiger Punkt wird jedoch häufig vernachlässigt: wie Pferde Reiterhilfen lernen. Diesem Thema hat sich die Dressurausbilderin und Autorin Britta Schöffmann ausgiebig gewidmet: „Unter einem guten und erfahrenen Reiter“, so die Expertin, „reagieren die meisten Pferde auch nach einer gewissen Trainingszeit wie gewünscht. Und trotzdem entstehen schon mal Probleme in der Kommunikation zwischen Reiter und Pferd. Das muss einen Grund haben, genau wie es einen Grund hat, dass Pferde auf die Hilfen unerfahrener Reiter kaum, ungenau oder gar nicht reagieren und dass selbst perfekt ausgebildete Pferde unter ‚schlechten‘ Reitern früher oder später ihre Durchlässigkeit, ihre Ausstrahlung und ihren Glanz verlieren.“ Wie kann das sein, wenn sie doch schon einmal alles richtig gekonnt haben?
Lerntheorie und Lernfähigkeit
Für Britta Schöffmann ist klar: Jeder Reiter und Ausbilder sollte sich mit der Frage beschäftigen, welche Besonderheiten und Abläufe es sind, die ein Pferd überhaupt lernen lassen. Unabhängig von der jeweiligen Reitweise gibt das Pferd mit seiner Anatomie, seiner Physiologie, seiner Biomechanik, seinen Bewegungen und nicht zuletzt mit seiner Natur und seiner allgemeinen sowie individuellen Lernfähigkeit die Anforderungen an den Reiter und die Reitlehre vor. Bei dem Versuch, dem Pferd etwas beizubringen, darf gerade seine Individualität nicht außer Acht gelassen werden. Wer mit feinen Hilfen reiten möchte, der sollte sich zudem sowohl mit der Arbeitsweise und dem Zusammenspiel von Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken als auch mit der Lerntheorie auseinandersetzen. Nur so „kann ein Reiter auch begreifen, warum sein eigener Sitz, seine Aktionen auf dem Pferderücken und das Timing seiner Einwirkungen so unglaublich wichtig sind für den erhofften Lernfortschritt“, schreibt die Ausbilderin in ihrem Buch „Wie Pferde Reiterhilfen lernen“. Dabei muss bedacht werden, dass ein Pferd immer den Reiter spiegelt. „Jede Unsicherheit, jede Schwäche, jeder vermeintliche Fehler eines Pferdes entsteht nicht durch Vorsatz, sondern aus Missverständnissen heraus als Reaktion auf unklare oder fehlerhafte Aktionen des Reiters“, so die Expertin.
Das Verhalten formen
Der Begriff der Verhaltensformung stammt aus der Verhaltensforschung und den Untersuchungen zum Lernen. Das Verhalten des Pferdes kann im Laufe des Lernprozesses durch den Reiter geformt werden. „Grundlage dafür ist, dass bereits der kleinste Schritt beziehungsweise die kleinste Reaktion in die gewünschte Richtung verstärkt oder belohnt wird“, erklärt Britta Schöffmann und fügt hinzu: „Kommt die gewünschte Reaktion nicht, ist es sinnvoll, dem Pferd Zeit zu lassen, durch Versuch und Irrtum herausfinden zu können, was der Reiter gerade möchte.“ Versuche in die falsche Richtung sollte der Reiter ignorieren, abwarten und neu beginnen. Versuche in die richtige Richtung müssen umgehend verstärkt und wenn möglich auch belohnt werden. Das Pferd lernt so nach und nach, eine Idee davon zu bekommen, was es tun soll. Wenn Sie beispielsweise dabei sind, einem Pferd die Galopphilfe beizubringen, dann ignorieren Sie ein Schnellerwerden im Trab als Reaktion auf das Zurücklegen des äußeren Schenkels und bereiten den Galopp erneut in Ruhe vor. Reagiert Ihr Pferd richtig, dann setzen Sie mit der Hilfe aus und belohnen es sofort mit der Stimme oder einem kurzen Kraulen am Widerrist. „Im nächsten Schritt würde die prompte Reaktion in die richtige Richtung belohnt, dann das Beibehalten der geforderten Aufgabe, also die Kontinuität“, sagt Britta Schöffmann. „Erst dann würde der erfahrene Reiter auch auf das Einhalten der gewünschten Form, also der Körperhaltung des Pferdes, achten und diese belohnen und schließlich auf die Abrufbarkeit der Übung an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Situationen.“
…den kompletten Artikel finden Sie in der aktuellen Ausgabe.
BUCHTIPP
Wie lernen Pferde? Woher weiß das Pferd, wie es auf die Hilfen des Menschen im Sattel reagieren soll? Das Buch „So lernen Pferde Reiterhilfen“ von Britta Schöffmann hilft allen Reitern, ihre Pferde besser zu verstehen und zu unterstützen. Ausgehend von Verhaltensforschung und Lerntheorie schlägt Dressurexpertin Britta Schöffmann die Brücke zur Wirkung reiterlicher Hilfen in der Praxis. Das Plus zum Buch: die kostenlose KOSMOS-PLUS-App mit 6 Filmen zu den wichtigsten Lektionen. Das Buch ist im Kosmos Verlag erschienen und hier für 26,99 Euro erhältlich.