Uta Gräf betont, dass sowohl bei der Dressur als auch im Springen die korrekte Halshaltung des Pferdes eine wichtige Rolle spielt. Schon allein für die Balance, und um Verspannungen vorzubeugen, ist diese wichtig. Auch für den Freizeitreiter ist die Anlehnung wichtig. „Sie ist Voraussetzung für Reitvergnügen ohne Aufrollen, Sich-auf-die-Hand-Legen oder Pullen.“
Gräf gibt zu, dass das Prinzip Genick als höchster Punkt und Nase vor der Senkrechten gar nicht so einfach zu erreichen ist. „Bei Reitschülern verstehe ich absolut, wenn sie zunächst damit Schwierigkeiten haben. Auch ich erinnere mich noch gut daran, dass man es gern in den Bereich der Lehrbücher verbannt hat. Immer wieder habe ich den Eindruck, dass Reiter zwar schon wissen, wie es sein sollte, aber an der Umsetzung hapert es. Und wenn man keine Ansatzpunkte hat, wie es gelingen kann, dann gibt man sich auch gerne mit einer halbherzigen Lösung zufrieden.“ Bei vielen Reitern aus ihren Lehrgängen täuschte auch einfach der Eindruck von oben, wie gut das Pferd tatsächlich in Anlehnung geht. Denn oft ist der Anblick von unten ein ganz anderer als das, was man vom Pferderücken aus wahrnimmt. „Ein Blick in den Spiegel ist daher immer sinnvoll“, erklärt die Trainerin. „Dann merken viele Reiter erst, dass ihr Pferd die Nase hinter der Senkrechten hat und zu eng ist oder nicht über den Rücken geht.“ Wenn die Nase leicht vor der Senkrechten liegt und das Genick der höchste Punkt ist, dann ergibt sich normalerweise eine große Erleichterung beim Reiten. Die Gymnastizierung des Pferdes funktioniert viel besser. „Das Pferd trägt sich selbst, tritt an die weiche Reiterhand heran, gibt im Genick nach und nimmt Last mit der Hinterhand auf.“ Dieses schöne Bild sollte immer das Ziel sein, aber die Realität zeigt, dass das nicht immer möglich ist. „Auch bei mir gibt es Momente, wo das Pferd hinter der Senkrechten ist“, gibt Gräf zu. „Keiner ist unfehlbar, aber wir sollten wissen, wie korrekte Anlehnung erreicht werden kann und diese immer für das Pferd ermöglichen.“
Anlehnung: Ausprobieren erwünscht
Uta Gräf hat auch noch den Tipp parat, dass der Reiter zum Erreichen einer feinen Anlehnung im Training ruhig einmal experimentieren darf. „Man kann beispielsweise mal mehr und mal weniger Gewicht in die Hand hineintreiben und damit experimentieren und praktisch erforschen, was sich wie auswirkt. Allerdings ist dazu selbstverständlich ein relativ großes Spektrum an Kenntnissen, wie sich was genau anfühlt nötig.“
Insbesondere wichtig ist für Uta Gräf im Training, dass das Pferd aus dieser Lage jederzeit in die Dehnungshaltung gehen und den Hals fallen lassen kann. Sie reitet gerne im Training auch mal mit mehr und mal mit weniger Aufrichtung, um die Möglichkeiten des Pferdes auszuloten. Zwischendrin ist es immer wieder einmal ein sinnvolles Intermezzo, die Zügel aus der Hand kauen zu lassen, rät Uta Gräf. „Das sollte man aus dem Trab und aus dem Galopp tun, um herauszufinden, ob die Selbsthaltung korrekt war. Wenn das Pferd unmittelbar den Hals fallen lässt, ist alles super! Wenn es aber länger dauert – und zum Teil kann es wirklich SEHR lang sein – bis das Pferd sich dehnt, dann stimmt etwas mit der Anlehnung nicht. Der Reiter sollte dann nochmals aufnehmen und das Pferd vorwärts zur Hand hin reiten, vor sich bringen und dann erneut die Zügel aus der Hand kauen lassen. Tritt das Problem weiter auf, bedarf es Nachforschungen und Traineranalyse.“ Und wenn es doch einmal nicht hundertprozentig klappt mit der ganz perfekten Anlehnung, dann sei auch auf die Richtlinien der FN verwiesen. Auch hier heißt es „Die Anlehnung ist dynamisch, sie wird manchmal etwas stärker und dann wieder leichter sein. Der Reiter hat die Verantwortung, sie so beständig und leicht wie möglich zu halten.“ Das sollte jeden Tag auf unseren Pferden das Ziel sein – gutes Gelingen!
Text: Alexandra Koch Foto: Holger Schupp