Text: Aline Müller Foto: www.Slawik.com
Ab in die Mucki-Bude – das Training über Bodenricks bringt viel Spaß und unterstützt dabei auch noch den Muskelaufbau des Pferdes. Wie Sie die Cavalettis in der Dressur- und Springarbeit richtig einsetzen, erklärt die Olympiasiegerin Ingrid Klimke.
Die Entwicklung der Muskulatur ist von Bewegungsreizen abhängig. Muskeln werden durch gezieltes Bewegen gestärkt“, schreibt Ingrid Klimke in ihrem Buch „Cavaletti – Dressur und Springen“, und sie führt anschließend weiter aus: „Wenn sie nicht beansprucht werden, schwinden sie. Die Cavaletti-Arbeit ist deswegen zur Ausbildung der Muskulatur so hervorragend geeignet, weil sie die Pferde zu bestimmten, kontrollierbaren Bewegungsabläufen veranlasst.“ Durch das dynamische An- und Abspannen der unterschiedlichen Muskelgruppen werden sämtliche für den Bewegungsvorgang wichtigen Muskeln des Pferdes gekräftigt. Wichtig ist, dass die Cavaletti-Arbeit richtig gestaltet und der Aufbau der Bodenricks dem natürlichen Bewegungsrhythmus des Pferdes angepasst wird. Warum? Muskeln wachsen durch Bewegung nur, wenn sie entsprechend ihrer Lage und ihrem Aufbau in ihrer natürlichen Funktion beansprucht werden. Hingegen verlieren sie an Umfang (atrophieren), wenn sie in falscher, krampfhafter Anspannung eine Arbeit verrichten müssen, die sie auf die Dauer nicht vollbringen können. Aus diesem Grund kann nur eine systematische, langsam gesteigerte Cavaletti-Arbeit die Muskelbildung des Pferdes beschleunigen. Gleichzeitig kann das Training mit Bodenricks aber auch helfen, Muskeln zu lockern und Steifheiten zu beseitigen.
Ausdauer und Trittsicherheit
Doch das ist noch nicht alles: Durch die Cavaletti-Arbeit wird der gesamte Pferdekörper und somit auch das Herz-Kreislauf-System trainiert. „Langsame und stetige Bewegungssteigerung erhöht die Belastungsfähigkeit des Kreislaufs und führt zum Gewinn von Ausdauer“, betont Ingrid Klimke. Pferde, die über Bodenricks geritten werden, erlangen spielerisch immer mehr Trittsicherheit, da sie ihre Schritte, Tritte und Sprünge nach den festliegenden Stangen richten müssen. „Sie lernen außerdem, ihren Schwerpunkt rasch und sicher zu verschieben. Da das Gleichgewicht durch das erhöhte Abfußen ständig wechselt, wird zugleich die Balance weiter gefördert und das Pferd zum sicheren Gehen auch auf unebenem Gelände vorbereitet“, so unsere Expertin. Das Abfußen in bestimmten Abständen erfordere Aufmerksamkeit und genaues Taxieren. Durch den wechselnden Aufbau und unterschiedliche Abstände lernt das Pferd, bestimmte Aufgaben selbstständig zu lösen. „Im Rahmen der Dressurausbildung sind Cavalettis vor allem geeignet zur Förderung der Grundgangarten Schritt und Trab. Konstante Abstände zwischen den einzelnen Bodenricks dienen zur Verbesserung von Takt und Gleichmaß der Bewegungen“, erklärt Ingrid Klimke und fügt hinzu: „Schwung und Ausdruck werden allein schon durch das höhere Treten vermehrt.“
Vorteile für den Reiter
Auch als Reiter profitieren Sie von der Cavaletti-Arbeit: Die vielfältigen Aufbaumöglichkeiten bieten eine willkommene Abwechslung und fördern die Konzentration: „Bereits nach kurzer Zeit kann man beobachten, dass der Reiter geschmeidig und losgelassen in die Bewegung des Pferdes eingeht“, sagt Ingrid Klimke. Gerade junge, unerfahrene Reiter stehen vor der Schwierigkeit, ihr Pferd durch den Sitz nicht zu stören. Fast jeder Anfänger neigt dazu, mit der Hand und mit dem Oberkörper zurückzugehen, wenn das Pferd eine ungleiche Bewegung macht. Die Hände müssen jedoch nachgeben, damit sich das Pferd im Hals ausbalancieren kann. „Deshalb muss der Reiter lernen, in solchen Situationen geschmeidig nach vorn in die Bewegung des Pferdes einzugehen“, erklärt unsere Expertin. Sie betont, dass Knieschluss und Ausbalancieren am Anfang nicht oft genug geübt werden können, und erläutert: „Da die Springbewegung des Pferdes beim Galoppieren über Bodenricks nicht so groß ist wie beim Springen über ein Hindernis, kann die Arbeit mit Cavalettis hierfür besonders empfohlen werden. Abgesehen davon schult sie das Gefühl für den schwingenden Pferderücken.“ Doch auch fortgeschrittene Reiter sollten immer wieder ihren Sitz schulen, um dem Ziel, stets in voller Harmonie mit dem Pferd zu sein, näherzukommen. Ein weiterer Pluspunkt: Springreiter können bei dem Training über Bodenricks zugleich den Blick für die richtige Distanz schulen.
Grundschule auf geraden Linien
Vor jeder Reitstunde sollten Sie sich kurz Gedanken darüber machen, was Sie im Laufe der Stunde erreichen möchten, und den dazu passenden Cavaletti-Aufb au wählen. Für die Arbeit auf geraden Linien haben sich laut Ingrid Klimke fünf verschiedene Aufbauformen bewährt: Der einfachste Aufbau ist das Aufstellen mehrerer Cavalettis hintereinander unmittelbar an der Wand einer langen Seite oder – im Freien – unmittelbar an der Reitplatzeinfassung, senkrecht zum Hufschlag. „Der Vorteil besteht darin, dass die Pferde dann auf dem gewohnten Hufschlag bleiben können und daher nicht so leicht versuchen werden, seitwärts auszuweichen“, so die Expertin. Infolgedessen brauchen Sie weniger auf Ihr Pferd zu achten und können das Augenmerk vermehrt auf den eigenen Sitz richten. Reiter und Pferde mit weniger Erfahrung sollten sich daher zunächst auf diese Art und Weise mit den Bodenricks vertraut machen. Bereits etwas schwieriger ist die Überwindung von Cavalettis, die innen neben dem Hufschlag aufgestellt sind. „Sie haben den Vorzug, dass man nicht in jeder Runde darüber zu reiten braucht, erfordern aber auch jedes Mal ein Abwenden vom Hufschlag. Zur Erleichterung können die Seiten mit Fängen eingefasst werden“, rät Ingrid Klimke und fügt hinzu: „Ältere Pferde bedürfen dieser Vorsichtsmaßnahme nicht. Ebenso kann darauf verzichtet werden, wenn man junge Reiter auf älteren Pferden vor die Aufgabe stellen will, das Pferd vom Hufschlag abzuwenden und über die frei stehenden Cavalettis zu reiten.“
…den kompletten Artikel – mit vielen praktischen Übungen – finden Sie in der Mein Pferd-Ausgabe 07/2019.