Text: Inga Dora Schwarzer Foto: www.Slawik.com
Sie wollen Ihren Sitz verbessern, Ihre Hilfen verfeinern und das Pferdemaul schonen? Dann nehmen Sie die Zügel doch mal in nur eine Hand. Wie der Einstieg gelingt und warum Pferd und Reiter von der einhändigen Zügelführung profitieren, erklärt Expertin Julia Thut
Wenn Sie im Sattel sitzen, halten Sie einen Zügel in jeder Hand. Doch diese Art der Zügelführung ist über Jahrhunderte hinweg völlig unüblich gewesen. Die geteilte Zügelführung war damals zwar bekannt, wurde aber nur beim Anreiten und Korrekturreiten eingesetzt. Als Endziel der Ausbildung von Pferd und Reiter stand die einhändige Zügelführung. Die rechte Hand musste für den Einsatz am Rind oder an der Waffe frei bleiben. Letzteres galt für Bogen, Schwert, Degen, Speer und Lanze gleichermaßen. „Wenn eine oder gar beide Hände für die Arbeit bzw. den Kampf benötigt werden, dann muss der Reiter sein Pferd mit klaren und effizienten Sitzhilfen führen. Er kann sich nicht auf den Einsatz beider Zügel verlassen“, schreibt Ausbilderin Julia Thut in ihrem Buch „Mit nur einer Hand“.
Traditionelle Zügelführung
Mit der Abschaffung der Kavallerie verlor das Reiten mit nur einer Hand jedoch immer mehr an Bedeutung. „In den ersten Dressurprüfungen, welche vom Exerzieren des Militärs abstammen, war einhändiges Reiten noch die Regel. So wurde 1936 an den Olympischen Spielen in Berlin zur Überprüfung im Trab und Galopp wiederholt die Zügelführung mit einer Hand gefordert“, berichtet die Trainerin A klassisch-barocke Reiterei. Heute ist dies nur noch gängige Praxis in der Gebrauchsreiterei. Im Westernsport wird sie in den hohen Klassen auf blanker Kandare gefordert. Ähnlich ist es in der Working Equitation, z. B. in der Masterclass. Das Niveau ist an die Klasse S der Deutschen Reiterlichen Vereinigung angelehnt. Daher werden u. a. Schulterherein, Traversalen, versammelter Galopp, halbe Pirouetten und Serienwechsel verlangt – und zwar einhändig geritten.
Auch Vertreter der Klassischen Reitweise (u. a. die Spanische Hofreitschule und vergleichbare Institute) reiten oft mit nur einer Hand. „Im Dressursport jedoch spielt das einhändige Reiten kaum eine Rolle mehr. Jedoch findet es in jüngerer Zeit wieder mehr Einzug, weil einige bekannte Dressurstars gerne einzelne Lektionen einhändig reiten“, sagt Thut. So z. B. Dressurreiterin Uta Gräf, die damit in der Dressur-Kür den Schwierigkeitsgrad steigert. Im Training nutzt sie es, um u. a. die Selbsthaltung des Pferdes zu überprüfen.
Wer es ihr und anderen Reitern gleicht tut und mit nur einer Hand reitet, wird einige Aha-Erlebnisse haben und von vielen positiven Nebeneffekte nachhaltig profitieren. Da der Reiter nur noch geringfügig über die Zügel auf sein Pferd einwirken kann, muss er im Umkehrschluss mit seinen noch verbliebenen Hilfen auskommen. Jetzt zeigt sich, wie gut und differenziert er diese wirklich einsetzt. „Es eignet sich hervorragend zur Überprüfung und Schulung dieser feinen Hilfengebung. Sitzfehler können kaum kaschiert werden und zeigen sich beim einhändigen Reiten viel deutlicher, weil sie nicht in letzter Sekunde durch Handeinwirkung korrigiert werden können“, sagt die Ausbilderin aus der Schweiz. Reiter könnten zudem selbst spüren, ob sie aus dem Sitz heraus unbewusste Bewegungen machen, die den Fluss stören oder ob sie harmonisch in die Pferdebewegungen eingehen. „Folglich zwingt es den Reiter dazu, seinen Sitz und seine Hilfengebung immer wieder neu zu überdenken und entsprechend zu verbessern“, merkt die Expertin an.
Den gesamten Artikel finden Sie in der aktuellen Mein Pferd-Ausgabe.