Stangenarbeit ist nicht langweilig um an dieser Stelle direkt mit einem Vorurteil aufzuräumen. Im Gegenteil. Gerade in anderen Reitdisziplinen, vor allem dem Westernreiten, werden die Hölzer so kreativ gelegt, dass sie mehr Spaß bringen, aber auch die Konzentration und Geschmeidigkeit der Pferde verbessern.
Nicht nur uns Zweibeinern kann ein grauer Winter die Stimmung vermiesen. Auch unsere Pferde sind gelangweilt von der tristen Eintönigkeit. Runde um Runde drehen sie in der Reithalle, denn schöne Ausritte sind in der kalten Jahreszeit, im wahrsten Sinne des Wortes, auf Eis gelegt. Dabei ist es so einfach, den Tieren auch im Winter Abwechslung zu bieten. „Stangen“ heißt das Zauberwort. Ob für das junge Nachwuchspferd, den rüstigen Senior oder das wilde Korrekturpferd – Stangenarbeit ist für sie alle geeignet.
Mit den Stangen beginnen
Viele der vorgestellten Aufgaben stammen aus dem Westernbereich, lassen sich jedoch auf andere Disziplinen übertragen. Denn das Ziel der Übungen ist ein wendiges, durchlässiges und aufmerksames Pferd. Und das wünscht man sich bekanntlich in jeder Reitweise. Einzige Voraussetzung ist ein guter Gesundheitszustand des Pferdes – und schon kann das Training mit den bunten Stangen beginnen! Neben dem Spaßfaktor fördert die Stangenarbeit die Kommunikation zwischen Mensch und Tier. Nur wenn beide zusammenarbeiten, wird eine Übung gelingen. Auf diese Weise werden mit der Zeit Barrieren zwischen Ihnen und Ihrem Pferd abgebaut, und Sie werden zu einem echten Team zusammenwachsen. Darüber hinaus gymnastiziert ein vielfältiges Stangentraining den Pferdekörper: Die Hinterhand wird aktiviert, und der Rücken wölbt sich auf und wird dadurch gelockert. Achten Sie darauf, dass Ihr Pferd in Dehnungshaltung und ruhigem, gleich- mäßigem Tempo über die Stangen tritt.
In der Ruhe liegt die Kraft
Wenn Sie den Übungsablauf nicht zur Routine werden lassen, sondern ihn immer wieder verändern, wird Ihr Pferd aufmerksamer auf Ihre Hilfen reagieren. Bedenken Sie aber, dass die Stangenarbeit einen körperlichen und geistigen Kraftakt für Ihr Pferd darstellt. Trainieren Sie daher nur in kurzen Einheiten und loben Sie jeden richtigen Schritt. So wird Ihr Pferd auch am nächsten Tag wieder mit Freude und Eifer dabei sein.
Stangenreihe: Abstände in den verschiedenen Gangarten
Die Abstände von Stangen variieren je nach Größe, Gangart und Gangkraft des Pferdes. Für ein durchschnittlich großes Warmblut sollte man die Stangen im Schritt ca. 80 cm voneinander entfernt platzieren. Im Trab vergrößert man den Abstand auf etwa 110 bis 130 cm und im Galopp auf ca. 240 bis 350 cm. Zunächst sollten die Stangenabstände auf die Schrittlänge des Pferdes angepasst werden, damit es taktmäßig in seinem eigenen Bewegungsrhythmus über die Stangen laufen kann. Erfahrene Pferde und fortgeschrittene Reiter können durch verlängerte Stangenabstände Raumgriff und Losgelassenheit trainieren. Engere Abstände hingegen verbessern die Aufmerksamkeit des Pferdes.
Takt und Balance
1. Zwei-Stangen-Übung:
Die Zwei-Stangen-Übung ist eine Basisaufgabe und eignet sich besonders für unerfahrene Pferde und Reiter. Für dieses Hindernis werden zwei Stangen parallel nebeneinander gelegt, wobei eine Stange um etwa einen Meter nach innen gezogen wird. So können Sie Ihr Pferd zunächst im Schritt und Trab über die einzelne Stange treten lassen. Vermutlich wird Ihr Vierbeiner neugierig sein und die Stange begutachten wollen. Geben Sie ihm die Zeit. Nur wenn Ihr Pferd lernt, dass von der Stange keine Gefahr ausgeht, wird es ohne Hektik und Unwille bei der Stangenarbeit mitmachen. Wenn Ihr Pferd die einzelne Stange fehlerfrei meistert, können Sie beide Stangen hintereinander überqueren.
Im Leichttraben ist es einfacher, in den Takt des Pferdes hineinzufinden und das Pferd somit nicht in seiner Bewegung zu stören. Wenn Ihnen und Ihrem Pferd auch diese Aufgabe fehlerfrei gelingt, können Sie einen Schritt weitergehen und über die einzelne Stange galoppieren. Das hört sich einfach an, doch fällt es sowohl unerfahrenen Pferden als auch ihren Reitern oft schwer, den Takt und die Balance vor und über der Stange zu halten. Bei dieser Übung lernt der Reiter, sich der Bewegung seines Pferdes anzupassen und Abstände einzuschätzen. Das Pferd wird Takt und Losgelassenheit finden. Außerdem wird die Aufmerksamkeit und Trittsicherheit des Pferdes erhöht.
2. Kombinierte Stangenreihen:
Fortgeschrittene Reiter können Stangenreihen als neue Herausforderung nehmen. Legen Sie dafür zwei oder mehr Galoppstangen hintereinander, und zwar im Abstand von etwa acht Metern zu der Zwei-Stangen-Übung, und lassen Sie Ihr Pferd gleichmäßig zunächst nur über die Galoppstangen treten.
Sie sollten diese Aufgabe erst angehen, wenn Ihr Pferd sicher über Stangenreihen im Schritt und Trab geht und auch gelernt hat, eine einzelne Stange im Galopp zu überwinden. Viele Reiter verkrampfen sich bei dieser Übung, aus Angst, die Abstände nicht halten zu können. Um das zu verhindern und geschmeidig zu bleiben, sollten Sie auf eine gleichmäßige Atmung achten und die Schritte Ihres Pferdes mitzählen. So bleiben Sie im Takt und konzentrieren sich auf das Wesentliche. Denn nur, wenn Sie losgelassen und unabhängig sitzen, werden Sie Ihr Pferd nicht in seinem Rhythmus stören. Das Pferd sollte in ruhigem, gleichmäßigem Tempo über die Stangen galoppieren.
Wenn Sie und Ihr Pferd sich bei dieser Übung wohlfühlen, können Sie den Schwierigkeitsgrad erweitern: Reiten Sie nun über die Trabstangen aus der Zwei-Stangen-Übung, galoppieren Sie Ihr Pferd kurz danach an und überqueren Sie gleich darauf die Galoppstangen. Sie können die Übung selbstverständlich auch in umgekehrter Abfolge reiten. Voraussetzung für diese Übung ist, dass Sie die Übergänge der einzelnen Gangarten bereits sicher beherrschen.
Geschicklichkeit und Wendungen
1. Stangenquadrat:
Legen Sie zwei Stangen im Abstand von 1,80 bis zwei Meter parallel nebeneinander. Platzieren Sie nun zwei weitere Stangen im gleichen Abstand auf die am Boden liegenden Stangen, so dass sich die Stangenenden kreuzen und ein Quadrat entsteht. Um das Pferd an das Stangenquadrat zu gewöhnen, sollten Sie es vorerst im ruhigen Schritttempo über die erste Stange treten lassen, einige Momente im Quadrat verweilen und dann wieder hinausreiten. Sie überprüfen damit die Durchlässigkeit Ihres Pferdes und bringen ihm gleichzeitig bei, Ihre Hilfen abzuwarten und nicht selbstständig fortzuschreiten.
Wenn dies gelingt, können Sie Ihr Pferd ohne Stopp in allen Gangarten durch das Quadrat laufen lassen (zwei Trabtritte oder einen Galoppsprung, Abstände ggf. erweitern). Erhöhen können Sie den Schwierigkeitsgrad, indem Sie über die gekreuzten Ecken ein- und ausreiten. Oder Sie lassen Ihren Vierbeiner über eine gerade Seite hinein- und über das Kreuz wieder hinausschreiten. Beide Übungsvarianten fördern die Geschicklichkeit und aktivieren die Hinterhand des Pferdes.
2. Wendehammer:
Für den Wendehammer wird ein Dreieck gelegt, welches an der Spitze offen ist. An das Ende werden zwei weitere Stangen als Gasse platziert. Nun können Sie durch die Gasse in das Dreieck hineinreiten, dort das Pferd wenden und auf gleichem Wege wieder hinausreiten. Für den Wendehammer ist der Radius einer Vor- oder Hinterhandwendung jedoch zu groß. Daher können Sie Ihr Pferd nur um seine mittlere Achse drehen. Das bedeutet, dass sich das Pferd mit den Vorder- und den Hinterbeinen gleichzeitig dreht.
Wollen Sie Ihr Pferd rechtsherum wenden, geben Sie mit beiden Zügeln Impulse nach rechts. Daraufhin sollte das Pferd mit der Vorhand nach rechts treten. Geben Sie in dem Moment mit Ihrem rechten, hinter dem Gurt verwahrenden Schenkel ebenfalls Impulse, damit das Pferd auch mit der Hinterhand weicht. Loben Sie Ihr Pferd für jede richtige Reaktion und fordern Sie erst nach und nach mehrere Tritte.
(Um-)stellen und Biegen
1. Fächer:
Für diese Übung werden vier bis sechs Stangen fächerartig auf den Boden gelegt. Der Abstand im Fächer wird immer von der Mitte der einen Stange zur Mitte der nächsten gemessen. Um den Stangenfächer gleichmäßig überwinden zu können, müssen Sie die Stangen punktgenau anreiten. Das gelingt nur, wenn Sie Ihr Pferd sicher zwischen Schenkel und Zügel führen und es korrekt an den Hilfen steht.
Wenn Sie beispielsweise Ihr äußeres Bein als Begrenzung vergessen, kann es passieren, dass Ihr Pferd nach außen drängelt. Dann werden die Abstände zwischen den Stangen zu groß, und Ihr Pferd verliert seinen Takt. Für das Pferd ist der Fächer ein schwierigeres Hindernis als parallel angeordnete Stangen, weil es auf gebogener Linie in gebogener Haltung über die Stangen laufen muss. Daher sollten Sie Ihr Pferd bereits gebogen, aber frontal an die erste Stange treten lassen. Auch sollten Sie den Fächer immer auf beiden Händen reiten, damit die Biegung Ihres Pferdes gleichmäßig auf beiden Seiten gefördert wird. Korrekt geritten, aktiviert der Fächer die Hinterhand Ihres Pferdes und verbessert dadurch seine Durchlässigkeit und seine Rückentätigkeit.
2. Treppe:
Ordnen Sie mehrere Stangen im 90-Grad-Winkel in Form einer Treppe an. Nun können Sie Ihr Pferd in Bögen von Stange zu Stange laufen lassen und es dabei immer wieder in die neue Richtung stellen. Versuchen Sie, die Stangen frontal anzureiten. Je nach Größe und Ausbildungsstand Ihres Vierbeiners kann diese Übung im Schritt oder im Trab geritten werden. Falls sich Ihr Pferd nicht elastisch biegt, können Sie auf beiden Händen Volten über die Ecken (siehe Abbildung) reiten. So können Sie sich zunächst auf die Biegung Ihres Pferdes konzentrieren, bevor Sie Biegung und Umstellung nacheinander fordern. Die Treppe erfordert Konzentration und Geschicklichkeit von Ihrem Pferd. Daher sollten Sie es, wie bei jeder Übung, für jeden richtigen Schritt loben.
Durchlässigkeit und Aufmerksamkeit
1. Labyrinth:
Zunächst werden drei Stangen U-förmig angeordnet. In die Mitte des U wird eine Stange gelegt, die einen Abstand von jeweils einem Meter zu den anderen Seiten des U haben sollte. An das Ende der einzelnen Stange wird jeweils eine nach rechts und eine nach links angelegt. So entsteht ein einfaches Labyrinth mit drei Bogen, welches sich beliebig erweitern lässt. Das Labyrinth wird üblicherweise im Schritt durchritten und erfordert sowohl vom Pferd als auch vom Reiter ein hohes Maß an Konzentration.
Das Pferd muss in jeder Wendung neu gestellt und gebogen werden. Mit dieser Aufgabe kann der Reiter seine Hilfengebung überprüfen: Wer sein Pferd mit dem Zügel abwendet, ohne seine Beine zu gebrauchen, wird schnell an die Stangen stoßen. Nur wer das korrekte Zusammenspiel aller Reiterhilfen beherrscht, wird dieses Hindernis mit Erfolg durchreiten. Damit das Pferd in seiner Biegung nicht behindert wird, sollte der Reiter seinen Sitz der Laufrichtung des Pferdes anpassen. Um die Aufgabe noch ein wenig anspruchsvoller zu gestalten, können die Seitenabstände auch auf 80 Zentimeter reduziert werden. Fortgeschrittene Reiter können das Labyrinth auch rückwärts durchreiten. Voraussetzung dafür ist ein vollkommen durchlässiges Pferd. Der Reiter ist für die Vorgabe des Weges zuständig und muss darauf achten, dass das Pferd nicht an die Stangen stößt. Diese Übung erfordert sowohl vom Pferd als auch vom Reiter ein hohes Maß an Aufmerksamkeit.
2. Das Stangen-T:
Wie der Name schon sagt, werden bei dieser Aufgabe drei Stangen in Form eines T gelegt. Das Pferd soll im Side Pass (englisch für Seitengang) zunächst über eine einzelne Stange geritten werden. Da die Stange dabei zwischen den Vorder- und den Hinterbeinen des Pferdes liegt, muss das Pferd seitwärts und ohne Vorwärtstendenz über die Stange schreiten. Sie verschieben also die Vorhand und die Hinterhand des Pferdes parallel zur Seite. Entwickeln Sie den Side Pass vorerst ohne Stange Schritt für Schritt an der Bande oder an einer anderen Begrenzung.
Lassen Sie abwechselnd die Hinterhand Ihres Pferdes dem seitwärts treibenden äußeren Schenkel weichen und verschieben Sie dann die Pferdeschulter mit dem Zügeldreieck zur Seite hin. Wenn diese Übung gut gelingt, können Sie die Seitwärtsbewegung der Vor- und der Hinterhand gleichzeitig abfragen. Die Beine des Pferdes sollen dabei voreinander kreuzen. Kopf, Hals und Körper sollen möglichst gerade bleiben. Meistert Ihr Pferd den Side Pass ohne äußere Begrenzung, können Sie ihn auch über der Stange trainieren. Um diese schwierige Aufgabe flüssig zu reiten, sind allerdings sehr viele Trainingseinheiten nötig.
Stangenarbeit